Arbeitsrecht: Grenzen der Diskriminierung

Wann ist eine Diskriminierung im Unternehmen gerechtfertigt? Was sind die Rechtsfolgen einer diskriminierenden Kündigung? Welche Ausnahmen gibt es?

In Anbetracht einer aktuellen Entscheidung des OGH wurde die Frage, ob die Kündigung einer Dienstnehmerin wegen Tragens eines Gesichtsschleiers diskriminierend ist, und welche sonstigen Kündigungsgründe diskriminierend sein können, durchaus kontrovers diskutiert.

Grundlagen des
Diskriminierungsverbotes

Gleich mehrere Gesetze verbieten in Umsetzung der Gleichbehandlungs(rahmen)-RL eine Diskriminierung im Arbeitsalltag. Neben dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), das u. a. die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und den Schutz vor Diskriminierungen im Zusammenhang mit ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Alter oder sexueller Orientierung regelt, und für den ganz großen Teil der Arbeitnehmer gilt, sieht auch das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) konkrete Bestimmungen gegen die Diskriminierung von Behinderten vor.

Grundsätzlich unzulässig sind sowohl unmittelbare Diskriminierungen (d. h., die Anwendung unterschiedlicher Vorschriften auf gleiche Sachverhalte) als auch mittelbare Diskriminierungen (bei denen vermeintlich neutrale Vorschriften bestimmte Personengruppen – ohne sachliche Rechtfertigung – diskriminieren, wie z. B. der Ausschluss von Teilzeitkräften von bestimmten beruflichen Positionen, wovon Frauen durch die höhere Teilzeitquote stärker betroffen sind).

Ausnahmen vom
Diskriminierungsverbot

Sowohl das GlBG als auch das BEinstG beinhalten Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot, soweit das konkret geforderte Merkmal auf Grund der Art der Tätigkeit bzw. deren Rahmenbedingungen eine entscheidende berufliche Voraussetzung ist, und ein rechtmäßiger Zweck sowie eine angemessene Anforderung vorliegt (siehe dazu auch die aktuelle Entscheidung des OGH in Sachen Gesichtsschleier).

Aktuelle Rechtsprechung zu verpönten Motiven einer Kündigung

Die aktuellen Entscheidungen zu den diversen Diskriminierungstatbeständen des GlBG und des BEinstG zeigen deutlich, dass sich auch die österreichischen Gerichte – dem internationalen Trend folgend – vermehrt mit Diskriminierungsfragen bei der Beendigung, zunehmend aber auch während des aufrechten Dienstverhältnisses zu beschäftigen haben, und neben Geschlecht und Alter auch Fragen der Religion stärkere praktische Bedeutung erlangen.

Geschlecht

In einer jüngeren Entscheidung betonte der OGH, dass auch dann eine Diskriminierung vorliege, wenn der Grund für eine Kündigung in der konkreten Annahme des Arbeitgebers liege, dass eine Arbeitnehmerin – die zuvor eine Fehlgeburt erlitten hatte – bald wieder schwanger würde. Ob diese Annahme berechtigt ist, ist irrelevant (8 ObA 81/13i).

Wird ein befristetes Dienstverhältnis nicht verlängert, kann dies eine Diskriminierung bedeuten, wenn ein benachteiligender Zusammenhang zwischen Nichtverlängerung und dem Geschlecht besteht. Der OGH verneinte jedoch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, weil die Mitarbeiterin die einzige externe Bewerberin für die Verlängerung war (8 ObA 30/16v).

Ethnische Zugehörigkeit

Der OGH bejahte in jüngerer Zeit auch eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft im Zusammenhang mit der Kündigung einer Arbeitnehmerin, nachdem sich diese über beleidigende Äußerungen eines direkten Vorgesetzten hinsichtlich ihrer ausländischen Herkunft bei ihrem Arbeitgeber beschwert hatte (9 ObA 40/13t).

Religion und Weltanschauung

Eine besondere Rolle in der rechtlichen Diskussion betreffend die Diskriminierung von Arbeitnehmern nimmt in letzter Zeit u. a. das Tragen religiöser Symbole bei der Arbeit ein. Grundsätzlich kann ein privater Arbeitgeber mit dem Argument der möglichen Beeinträchtigung seiner »Corporate Identity« nicht ohne Weiteres einer muslimischen Mitarbeiterin das Tragen eines Kopftuches, einem männlichen Sikh das Tragen eines Turbans oder einem jüdischen Mitarbeiter das Tragen einer Kippa untersagen bzw. diese bei deren Weigerung zum Einlenken kündigen.

Der OGH führte dazu in seiner aktuellen Entscheidung (9 ObA 117/15v) aus, dass zu den in Art 9 EMRK geschützten religiösen Gebräuchen auch das Tragen religiöser Kleidung zähle. Der OGH bejahte jedoch gestützt auf die unbestrittenen Grundregeln zwischenmenschlicher Kommunikation in Österreich, dass das Tragen des islamischen Gesichtsschleiers am Arbeitsplatz die Arbeitnehmerin an der Erbringung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen hindere. Eine Kündigung, die aufgrund der Weigerung einer Arbeitnehmerin, sich an das Gesichtsschleier-Verbot ihres Arbeitgebers zu halten, erfolgte, bedeute daher eine – durch die konkreten Umstände – gerechtfertigte Diskriminierung.

Wesentlich für die Beurteilung der Religionsfreiheit ist somit insbesondere, ob das äußere Erscheinungsbild und das Verhalten mit dem maßgeblichen Kulturkreis und dem entsprechenden sozialen Umgang vereinbar sind. Mehrmaliges Beten hingegen ist kein Bestandteil der Religionsfreiheit im erwähnten Sinne und muss vom Arbeitgeber nicht toleriert werden.

Alter

Eine verbotene Diskriminierung liegt laut OGH (9 ObA 131/05p) dann nicht vor, wenn ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Erwerb des Anspruchs auf Alterspension kündigt. Der OGH meinte, dass die Festlegung eines Pensionsalters einerseits zum Ersatz des Arbeitseinkommens im erforderlichen Ausmaß diene und andererseits jungen Menschen, deren Existenz anderweitig noch nicht gesichert sei, Zugang zum Arbeitsmarkt verschaffen solle. Wird hingegen das Arbeitsverhältnis einer weiblichen Arbeitnehmerin mit Erreichen des Regelpensionsalters beendet, liegt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor, weil Frauen derzeit noch deutlich früher als Männer das gesetzliche Pensionsalter erreichen (C-614/11 sowie 8 ObA 69/13z).

Behinderung

In einer jüngeren Entscheidung verneinte der OGH, dass die unrichtige Angabe eines Arbeitnehmers über seinen Behindertenstatus und die Nichtvorlage von Befunden über seine Behinderung geeignet seien, eine in der (jedenfalls vermeintlichen) Behinderung begründete Kündigung des Arbeitnehmers (wegen Vertrauensverlustes) zu rechtfertigen, soweit sich die Behinderung weder auf die Einsatzfähigkeit auswirke noch eine Gefährdung anderer Personen im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistungen des Behinderten gegeben sei.

Rechtsfolgen einer Diskriminierung

Der Arbeitnehmer kann im Falle einer diskriminierenden Kündigung des Arbeitgebers eine Feststellungsklage auf aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses erheben, oder den Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung fordern. In anderen Fällen kann er in der Regel ebenfalls Schadenersatz und eine Entschädigung bzw. zum Teil auch eine Differenzzahlung geltend machen.

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Vogt-Majarek

Gastautorin
Birgit Vogt-Majarek

ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partnerin der Kanzlei Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG (KSW).

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