Was Arbeitgeber bei überhöhten Krankenständen und einer darauf gestützten Kündigung beachten müssen, lesen Sie hier.
Insbesondere lange Krankenstände bringen für Unternehmen oft ganz erhebliche Herausforderungen mit sich, treten dabei ja gesundheitliche und unternehmerische sowie wirtschaftliche Interessen häufig in einen Gegensatz. Daher ist entscheidend, welche Maßnahmen vom Arbeitgeber in Abstimmung mit welchen Stellen und auf der Grundlage welcher Informationen wann gesetzt werden dürfen bzw. müssen, um (möglichst) rechtssicher vorzugehen. Die in der Praxis wesentlichsten Themen und Optionen und mögliche Reaktionen im Falle von Langzeitkrankenständen behandelt der nachstehende Artikel.
Wiedereingliederungsteilzeit
Ist nach längerer Krankheit (von zumindest sechs Wochen) die volle Wiederherstellung eines Arbeitnehmers nach einer Übergangszeit zu erwarten, besteht bei chefärztlicher Genehmigung die Möglichkeit der Vereinbarung einer Wiedereingliederung mit Herabsetzung der bisherigen Arbeitszeit um 25 – 50%. Zu Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit, die für die Dauer von einem bis sechs Monate (mit einmaliger Verlängerung um maximal drei Monate) vereinbart werden kann, muss eine Arbeitsfähigkeitsbestätigung betreffend den Arbeitnehmer vorliegen. Nach erfolgter Beratung durch fit2work (bzw. bei Zustimmung des Arbeitsmediziners) ist ein Wiedereingliederungsplan samt schriftlicher Vereinbarung über eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit (unter Berücksichtigung der Interessen beider Teile und nach Beiziehung des Betriebsrates) zu treffen. Abweichungen in Form von Durchrechnungen in der Wiedereingliederungsphase (zwischen 50 und 75 %) sind ebenso zulässig wie ungleiche Verteilungen innerhalb eines Kalendermonats (mit Durchrechnung und einer Schwankung von max. 10% in den einzelnen Wochen). Die 12-Stunden-Grenze in punkto Arbeitszeit und die Geringfügigkeitsgrenze dürfen dabei nicht unterschritten werden. Arbeitnehmer haben gegenüber dem Arbeitgeber nur Anspruch auf das vereinbarungsgemäß reduzierte Entgelt. Sie haben jedoch bei Erfüllung der Vorgaben darüber hinaus Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld von der Gesundheitskasse, um den Einkommensverlust während der Wiedereingliederung abzufedern.
Während der Wiedereingliederungsteilzeit gilt Motivkündigungsschutz. Nach der aktuelleren Judikatur bedeutet der Abschluss einer Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung aber keinen Verzicht des Arbeitgebers auf eine Beendigung des Dienstverhältnisses im Fall neuerlicher Krankenstände.
Kündigung wegen überhöhter Krankenstände
Mitarbeiter können auch während eines Krankenstandes gekündigt werden. In punkto Zustellung ist dabei die bekannt gegebene Wohnadresse maßgeblich, solange dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt wird, dass sich der Mitarbeiter z. B. auswärts in einer Krankenanstalt bzw. Reha-Anstalt befindet.
Krankenstände werden bei einer Dauer von rund sieben Wochen pro Jahr und darüber als »überdurchschnittlich« qualifiziert. Aufgrund der damit verbundenen Belastungen und Planungsunsicherheiten für den Arbeitgeber werden sie von der Judikatur insbesondere bei Wiederholung über mehrere Jahre hinweg als personenbedingte Gründe für eine Kündigung beurteilt. Entscheidend sind neben der Dauer der Krankenstände vor allem auch deren Ursachen bzw. Umstände (z.B. durch einen Unfall verursachter, zeitlich eingrenzbarer Krankenstand oder chronische Erkrankung mit vorgezeichneten weiteren Krankenständen).
Der Arbeitgeber hat eine Zukunftsprognose über die weitere Dienstfähigkeit des betroffenen Mitarbeiters anzustellen, wobei neben den bisherigen Krankenständen auch die (voraussichtliche) zukünftige Entwicklung der Verhältnisse insoweit einzubeziehen ist, als sie mit der aktuellen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht.
Ist in der Zukunft nicht mehr mit überhöhten Krankenständen des Arbeitnehmers zu rechnen, liegt i.d.R. kein personenbedingter Kündigungsgrund (mehr) vor.
Nachforschungspflichten des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat zur Rechtfertigung einer Kündigung (durch eine ungünstige krankheitsbezogene Zukunftsprognose) Nachforschungen anzustellen und sich mit der Art der Erkrankung samt deren Ursachen auseinanderzusetzen, um seinen Obliegenheiten nachzukommen. Nachdem er regelmäßig keine näheren Informationen zum Krankheitsbild etc haben wird, hat der Arbeitgeber ganz konkret und zeitlich engmaschig beim Arbeitnehmer nachzufragen und dadurch zumindest alles in seiner Macht Stehende zu tun, um bei seiner ex-ante-Prüfung eine sorgfältige und möglichst korrekte Prognose anstellen zu können. Die Nachfrage beim Arbeitnehmer sollte daher insbesondere auch den weiteren Zeitplan und Maßnahmen (wie z.B. Reha, deren Dauer etc.) sowie die damit verbundene Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (auch in zeitlicher Hinsicht) umfassen.
Entsprechende Kontaktaufnahmen (via E-Mail, per Telefon o.ä.) und die Reaktion des Arbeitnehmers sind zu Beweiszwecken auch entsprechend zu dokumentieren. Andernfalls trägt der Arbeitgeber das (finanzielle) Risiko, dass sich die angestellte Prognose bei Anlegung eines objektiven Maßstabs (auf der Grundlage ergänzender Untersuchungen des Arbeitnehmers im Gerichtsverfahren) als unrichtig erweist, und das Verfahren sohin ergibt, dass der gekündigte Mitarbeiter tatsächlich eine erfreuliche gesundheitliche Prognose hat.
Mitwirkungspflichten der Arbeitnehmer
Laut Judikatur ist der Arbeitgeber aufgrund persönlichkeits- und datenschutzrechtlicher Schranken beim Zugang zu ärztlichen Attesten etc. auch auf die Mitwirkung der Arbeitnehmer in punkto Leistungsfähigkeit (und eine anzustellende Prognose nach Maßgabe der Angaben des Arbeitnehmers) angewiesen. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers im Rahmen seiner Treuepflichten zur Herausgabe von Unterlagen bzw. Gutachten zu seinem Gesundheitszustand wird von der Judikatur bisher nicht bejaht. Sehr wohl gefordert wird jedoch, dass sich Arbeitnehmer bei entsprechenden Nachforschungen des Arbeitgebers und der Befragung des Arbeitnehmers zu dessen Gesundheitszustand kooperativ zeigen. Legt ein Arbeitnehmer sohin z. B. trotz ausdrücklicher Nachfrage des Arbeitgebers nicht dar, warum der künftige Verlauf seiner Krankheit anders als die bisherige Situation sein werde, spricht das auch im Gerichtsverfahren für eine Beibehaltung des status quo und für eine weiterhin bestehende, dem Arbeitgeber unzumutbare Planungsunsicherheit.
Zudem wird die Gesprächsverweigerung und unzureichende Informationserteilung seitens des Arbeitnehmers von der Rechtsprechung als Verstoß gegen die ihm obliegende Mitwirkungsverpflichtung gesehen und als Konsequenz daraus die soziale Gestaltungspflicht des Arbeitgebers durch die (ohne nähere Informationen des Arbeitnehmers) gesetzten Maßnahmen als erfüllt angesehen. Eine unter diesen Vorgaben ausgesprochene personenbedingte Kündigung wird daher als begründet beurteilt.
Mögliche »Behinderung« bei Langzeitkrankheiten
Das Vorliegen einer (nicht begünstigten) Behinderung iSd § 3 BEinstG setzt voraus, dass die Erkrankung (und darin liegende körperliche, geistige oder psychische Funktions- oder Sinnesbeeinträchtigung) die Teilhabe am Arbeitsleben erschwert. Zwecks Abgrenzung zur bloß vorübergehenden Krankheit wird nach ganz herrschender Ansicht auf einen Zeitraum von mehr als (voraussichtlich) sechs Monaten anhand der Prognose zum Zeitpunkt der Diskriminierung (und nicht ab Beginn der Beeinträchtigung) abgestellt. Ein Krankenstand von mehr als sechs Monaten allein reicht daher für eine »Behinderung« und eine darauf gestützte Diskriminierung oder sonstige Ansprüche rund um eine Beendigung nicht aus.
Wird eine Behinderung geltend gemacht, ist nach § 7k Abs. 1 BEinstG vor der gerichtlichen Anfechtung der Kündigung wegen Diskriminierung i.Z.m. einer Behinderung zwingend ein Schlichtungsverfahren vor dem Sozialministeriumservice durchzuführen.
Besonderheiten betreffend begünstigt behinderte Mitarbeiter
Laut OGH bedeuten übermäßige Krankenstandszeiten im oben erwähnten Ausmaß, wenn und soweit sie auch in Zukunft zu erwarten sind, auch gegenüber besonders kündigungsgeschützten Arbeitnehmern, wie begünstigt Behinderten (mit einem Behinderungsgrad von 50% oder mehr) einen Grund zur vorherigen Zustimmung des Sozialministeriumservice zur Kündigung. Jahrelange überhöhte Krankenstände stehen nämlich im Widerspruch zu einem gezielten Einsatz des Mitarbeiters und bedeuten einen Nachteil für den Arbeitgeber, der einem Schaden i.S.d. § 8 Abs. 4 lit b BEinStG gleichzuhalten ist. Zu berücksichtigen ist dabei auch die Krankenstandsstatistik des zu Kündigenden im Vergleich zu den sonstigen Arbeitnehmern des Betriebs in punkto Anzahl der Krankenstandstage und Wiederholung über Jahre hinweg (ohne Aussicht auf Besserung). Im Rahmen einer Interessenabwägung ist daher auch in derartigen Fällen zugunsten des Arbeitgebers zu entscheiden und der Kündigung zuzustimmen.
Fazit
Lange Krankenstände bringen nicht nur in punkto (vorübergehende) Umverteilung der Aufgaben zusätzliche Herausforderungen für Arbeitgeber. Auch die zeitgerechte Nachforschung des Arbeitgebers in punkto Krankheitsbild, Dauer, konkrete Maßnahmen und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und deren Dokumentation ist in der Praxis oft entscheidend dafür, ob bei Bedarf neben einer Wiedereingliederungsteilzeit auch weitergehende Schritte gesetzt werden können, ohne (zu große) rechtliche Risiken einzugehen. Abgrenzungsfragen zur »Behinderung« bringen zusätzlichen und ebenfalls vorab zu berücksichtigenden Klärungsbedarf.