Arbeitskräfteüberlassung

Welche relevanten Regelungen und jüngere Änderungen es im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung gibt, beschreibt Birgit Vogt-Majarek.

Die in der betrieblichen Praxis weit verbreitete, zur vorübergehenden Personalaufstockung ebenso wie bei internationalen Personaleinsätzen herangezogene Arbeitskräfteüberlassung wirft in der Praxis viele Abgrenzungsfragen auf, die meist nur im Einzelfall beurteilbar sind. Die falsche Einschätzung, ob eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegt oder nicht, kann jedoch weitgehende Konsequenzen nach sich ziehen und die daran geknüpften Strafen des LSD-BG sind ganz erheblich. Durch die gesetzlichen Änderungen 2021 wurde zumindest die zuvor fast grenzenlose Kumulierung von Verwaltungsstrafen bei Verstößen entschärft. Der folgende Beitrag fasst die wesentlichen Fragen rund um Arbeitskräfteüberlassung zusammen.

Beschäftiger/Überlasser

Nach der gesetzlichen Definition im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) ist die Überlassung von Arbeitskräften die Zurverfügungstellung von Personal zur Arbeitsleistung an Dritte. Überlasser ist dabei, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet (wie z. B. Personalbereitsteller). Beschäftiger ist, wer die Arbeitskräfte eines Überlassers zur Umsetzung von betriebseigenen Aufgaben einsetzt.

Abgrenzung Arbeitskräfteüberlassung/Werkvertrag

Entscheidend für die Einordnung als Arbeitskräfteüberlassung ist nach dem AÜG der wahre wirtschaftliche Gehalt der Vertragsbeziehung  und nicht die Bezeichnung oder sonstige äußere Anhaltspunkte. In der Praxis stellt sich bei der Ausführung von »Aufträgen« häufig die Frage, ob tatsächlich ein Werkvertrag oder doch Arbeitskräfteüberlassung vorliegt. Ersterer beinhaltet die Herstellung eines Werkes, wobei anders als bei der Überlassung vom Werkunternehmer ein Erfolg geschuldet wird.
Auch wenn beide Vertragspartner von einem Werkvertrag ausgehen (d.h., aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen einen solchen abschließen wollen), kann die Vertragsbeziehung abhängig von deren tatsächlicher Handhabung dennoch eine Überlassung iSd AÜG verwirklichen und daher alle deren Folgen für die eingesetzten Mitarbeiter und vor allem für den überlassenden Arbeitgeber auslösen. Eine Überlassung liegt iZm Werkverträgen insbesondere dann vor, wenn die eingesetzten Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers (Auftraggebers) erbringen und dort kein anderes Produkt bzw. keine andere Dienstleistung als die Stammbelegschaft herstellen oder daran mitwirken. Entscheidend ist daneben auch, ob sie die Arbeit vorwiegend mit Material und Werkzeug ihres Arbeitgebers (der sie überlässt) leisten, ob sie organisatorisch in den Betrieb, in dem sie während der Überlassung tätig sind, eingegliedert sind und insbesondere der dienstlichen und fachlichen Aufsicht der Vorgesetzten im Betrieb unterstehen, bzw. ob ihr Arbeitgeber für eine erfolgreiche Erstellung des Werkes haftet.

Während es laut den nationalen Gerichten ausreicht, dass bei einer Überlassung innerhalb Österreichs ein einziges der angeführten Kriterien erfüllt ist, um von Arbeitskräfteüberlassung zu sprechen und eine Gesamtbeurteilung (»wahrer wirtschaftlicher Gehalt«) nur nötig ist, wenn keines der angeführten Merkmale (isoliert betrachtet) vorliegt, ist das bei grenzüberschreitenden Überlassungen (iSd Entsende-Richtlinie) anders. Laut dem EuGH (so z.B. in der Sache Martin Meat) reicht ein Kriterium nicht aus, sondern hat die Beurteilung stets unter Berücksichtigung mehrerer Gesichtspunkte zu erfolgen. Als Konsequenz daraus wird vom VwGH bei der Beurteilung, ob eine Überlassung bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt vorliegt, die Erfüllung bloß eines der vorhin aufgezählten Kriterien alleine noch nicht als ausreichend für die Einordnung als Arbeitskräfteüberlassung qualifiziert.

Konsequenzen falscher Zuordnung

Mit einer anhand der erwähnten Kriterien im Geschäftsverkehr von den beteiligten Unternehmen vorzunehmenden Zuordnung sind in der Praxis weitreichende Konsequenzen verbunden. Liegt statt einem Werkvertrag nämlich eine Überlassung vor, ist für die überlassenen Arbeitnehmer insbesondere das Entgelt jenes Kollektivvertrages als Vertragsmaßstab maßgeblich, der für den Beschäftiger gilt (also für die Stammbelegschaft). Sieht dieser KV demnach höhere Gehälter vor als der Kollektivvertrag beim Überlasser, ist diese Differenz (samt den Sozialversicherungsabgaben) an die betroffenen Arbeitnehmer nachzuzahlen. Im Falle einer Nichtbehebung dieses Fehlers drohen wegen der damit verbundenen Unterentlohnung u. U. beachtliche Strafen nach dem LSD-BG.

Bestimmte »Arten« der Arbeitskräfteüberlassung (wie z. B. bestimmte vorübergehende Überlassungen oder konzerninterne Überlassungen) sind von den sonst maßgeblichen Ansprüchen der überlassenen Arbeitskräfte (in puncto Entgelt, Arbeitszeit, Urlaub etc.) ausgenommen. Privilegierungen kommen allerdings nur bei reinen Inlandssachverhalten zur Anwendung.

Ausgewählte Pflichten von Überlasser/Beschäftiger

Mit dem 2017 eingeführten Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (kurz »LSD-BG«) sollen Unterentlohnungen von in Österreich tätigen Arbeitnehmern insbesondere auch beim grenzüberschreitenden Personaleinsatz verhindert werden. Zur Absicherung dieses Ziels beinhaltet das Gesetz neben verpflichtenden Meldungen an die ZKO (Zentrale Koordinationsstelle) vor der Arbeitsaufnahme auch verschiedene Vorgaben zur Bereithaltung von Lohn-, Melde- und Sozialversicherungsunterlagen sowie behördlicher Genehmigungen. Überlasser mit Sitz in der EU bzw. EWR oder Schweiz haben Beschäftigungen von nach Österreich überlassenen Arbeitskräften (mit ZKO 4-Meldung) ebenso wie nachträgliche Änderungen zu melden. Beschäftiger haben – mit Strafe sanktioniert – verschiedene Unterlagen (insbesondere ZKO 4-Meldung, Sozialversicherungsdokumente E 101 oder A 1 – wenn keine SV-Pflicht der überlassenen Mitarbeiter in Österreich besteht) am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten oder diese dem Amt für Betrugsbekämpfung (bzw. der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) im Zeitpunkt der Erhebung elektronisch zugänglich zu machen. Die Vorlage der erwähnten SV-Unterlagen kann – wenn der Überlasser zum Zeitpunkt der Erhebung durch Nachweise in deutscher oder englischer Sprache belegen kann, dass ihm die Erwirkung der Ausstellung der geforderten Sozialversicherungsunterlagen vor dem Beginn der Überlassung nicht möglich war – durch gleichwertige Unterlagen ersetzt werden.
Bei grenzüberschreitender Überlassung hat der inländische Beschäftiger zudem die Lohnunterlagen (auf Englisch oder Deutsch) bereitzuhalten (u. a. Arbeitsvertrag, Dienstzettel, Lohnzettel), die vom Überlasser nachweislich zur Verfügung zu stellen sind. Bei Verstoß drohen u. U. erhebliche Verwaltungsstrafen. Diese Pflicht sollte daher in der Vereinbarung zwischen Überlasser und Beschäftiger explizit geregelt und die Nichteinhaltung pönalisiert werden.

Novelle des LSD-BG

Mit der Novelle des LSD-BG im September 2021, die Ergebnis der EuGH-Entscheidung Maksimovic (iS Andritz) war, wurden einerseits die Mindeststrafen ebenso wie die (unionsrechtswidrige) Kumulierung von Verwaltungsstrafen zu exorbitanten Summen aufgehoben. Übertretungen der einschlägigen Bestimmungen im LSD-BG sind nunmehr z. B. mit einer Geldstrafe von bis zu 20.000,– € (bei Verstößen iZm Melde- und Bereithaltungspflichten sowie Nichtbereithaltung oder Nichtübermittlung der Lohnunterlagen) bzw. bis zu 40.000,– € (bei Vereitelungshandlungen iZm Lohnkontrollen) sanktioniert. Auch bei Unterentlohnung der Arbeitnehmer wurde von der zuvor geltenden Bestrafung des Beschäftigers pro Arbeitnehmer abgegangen und werden Strafen nunmehr unabhängig von der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer verhängt.

Ferner wurden u. a. mehr Arbeitnehmerrechte bei langfristigen Überlassungen gesetzlich verankert. Dauert eine Überlassung aus der EU/EWR/Schweiz länger als 12 Monate, finden nunmehr grundsätzlich alle gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normen (mit kleinen Ausnahmen wie u. a. dem BMSVG) zur Gänze Anwendung, soweit sie günstiger sind als die Regelungen im Entsendestaat. Dabei ist jener Kollektivvertrag heranzuziehen, der am Arbeitsort für vergleichbare Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern gilt. Bei Vorlage einer entsprechend begründeten Mitteilung des Arbeitgebers kann der Zeitraum auf 18 Monate verlängert werden. Eine solche Mitteilung ist gegebenenfalls mit einer Änderungsmeldung iSd LSD-BG zu übermitteln, soweit vorweg bekannt war, dass die Arbeitskräfteüberlassung länger als 18 Monate dauern wird.
Die genaue Unterscheidung zwischen Entsendung und Arbeitskräfteüberlassung verursachte in der Praxis immer wieder Probleme hinsichtlich der korrekten ZKO 3- oder ZKO 4-Meldung. Durch die Novelle wurde klargestellt, dass (irrtümlich mit dem falschen Formular) erfolgte Entsende- bzw Überlassungs-Meldungen als vollständig erstattet gelten, wenn auch nur eines der beiden maßgeblichen Formulare verwendet wurde.

Zudem wurde die Möglichkeit der (gemeinsamen) Meldung beim grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern für die Erfüllung von mit mehreren Auftraggebern geschlossenen, gleichartigen Dienstleistungsverträgen präzisiert. In einem solchen Fall können nunmehr alle Auftraggeber in der Meldung angeführt werden, sofern die Erfüllung der Dienstleistungsverträge durchgehend im Bundesgebiet und innerhalb einer Woche erfolgt.

Die mit den erwähnten Änderungen verbundenen Erleichterungen sollten den weiterhin stark steigenden internationalen Personaleinsatz in der Abwicklung vereinfachen und gleichzeitig die Konditionen für versandte Mitarbeiter an die nationalen Gegebenheiten anpassen.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
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