Das »neue« Home-Office

Worauf Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Vereinbarung einer Home-Office-Tätigkeit aus arbeitsrechtlicher Sicht achten müssen, lesen Sie in diesem Artikel.

Während der Covid-19-Pandemie und der damit einhergehenden Lockdowns haben viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter unter Zurverfügungstellung der notwendigen Betriebsmittel ins Home-Office »geschickt«, um ihren Betrieb nach Möglichkeit weiter aufrechtzuerhalten. Durch das neue »Home-Office-Gesetz«, das mit 1. April 2021 in Kraft trat, wurde eine gesetzliche Basis geschaffen, um den gesteigerten Bedarf an Home-Office-Arbeit ergänzend zu regeln. Das als Kompromiss nach monatelangen Verhandlungen einer Arbeitsgruppe entstandene Gesetz schuf allerdings nur in Einzelfragen Klarheit und hinterließ viele Lücken und Unstimmigkeiten, die es für die aktuelle Gestaltung von Home-Office-Arbeit zu lösen bzw. zumindest zu überbrücken gilt, bzw. die durch den Gesetzgeber im Rahmen der geplanten Evaluierung Ende 2022 angepasst werden müssen.
Die wesentlichen Abgrenzungsfragen in der Praxis und was innerhalb des neuen rechtlichen Rahmens generell bei der Vereinbarung von Home-Office-Tätigkeit – vor allem im Ausland – zu beachten ist, fasst dieser Artikel zusammen.

Definition der »Regelmäßigkeit« der Home-Office-Arbeit

Laut § 2h Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (kurz »AVRAG«) liegt Home-Office-Tätigkeit dann vor, wenn ein Arbeitnehmer »regelmäßig« Arbeitsleistungen in der Wohnung erbringt. Weder die Gesetzesmaterialien noch die Regelung selbst geben Auskunft darüber, was unter »regelmäßigem« Arbeiten im Home-Office zu verstehen ist bzw. welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind. Auch eine gewisse Bandbreite an Home-Office-Tagen pro Woche oder die Vorgabe einer Mindeststundenanzahl im Home-Office ist für die Qualifikation als »regelmäßige Home-Office-Arbeit« nicht gesetzlich vorgeschrieben. Die Abgrenzung ist insofern wesentlich, als nur bei Home-Office-Arbeit iSd AVRAG die Arbeitgeber den Arbeitnehmern die digitalen Arbeitsmittel wie Laptop, Internetverbindung und gegebenenfalls Diensthandy bereitstellen müssen und sonst nur die allgemeinen Vorgaben für die Zurverfügungstellung von Betriebsmitteln und deren Abdingbarkeit in § 1014 ABGB bestehen. Aus den Erläuterungen geht insofern nur hervor, dass diese Verpflichtung dann nicht besteht, wenn die Ausübung von Home-Office bloß im Anlassfall (als sog. »Eintagsfliege«) erfolgt ist, ohne dass von den Arbeitsvertragsparteien weitere regelmäßige Einsätze im Home-Office beabsichtigt wären. Auch diese Regelung lässt jedoch offen, anhand welcher Kriterien die Regelmäßigkeit zu messen ist. Einzig die neu in § 16 Abs 1 Z 7a lit a EStG eingeführte steuerrechtliche Möglichkeit zur Absetzbarkeit des ergonomischen Mobiliars, wie Arbeitssessel oder -tische, legt einen gewissen Mindestmaßstab zur Bestimmung der »Regelmäßigkeit« fest, indem mindestens 26 Home-Office-Tage im Jahr vorliegen müssen, um die Kosten im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung geltend machen zu können. Ein solches Ausmaß an Regelmäßigkeit wird bis zu einer abweichenden Klarstellung durch Gesetzgeber oder Rechtsprechung auch als Maßstab für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Bereitstellung von digitalen Arbeitsmitteln für Mitarbeiter im Home-Office herangezogen werden können.

Mindestinhalt einer Home-Office-Vereinbarung/Policy

Die neuen gesetzlichen Regelungen schreiben an sich keinen Mindestinhalt einer Home-­Office-Vereinbarung vor. Es ist daher – so wie in den Erläuterungen festgehalten – ausreichend, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Home-Office-Tätigkeit einvernehmlich festlegen und dem Arbeitgeber kein Recht eingeräumt wird, Arbeitnehmer einseitig ins Home-Office zu schicken. Wesentlich ist in der Praxis aufgrund der damit verbundenen Konsequenzen insbesondere in steuerrechtlicher Hinsicht und in puncto Arbeitszeitaufzeichnungen, dass in der Home-Office-Vereinbarung eine gewisse Konkretisierung der Erbringung der Arbeit im Home-Office und der damit verbundenen Bedingungen vereinbart wird (ausschließliches Arbeiten im Home-Office, alternierende Tätigkeit im Home-Office und im Büro, z. B. zwei Tage im Home-Office und drei Tage im Büro). Zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben ist nicht erforderlich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits in der Home-Office-Vereinbarung die genauen Tage (z. B. Montag, Mittwoch und Freitag) festlegen, an denen ein Arbeitnehmer von zu Hause bzw. im Büro arbeiten wird. Um dem Arbeitgeber gewisse Flexibilität einzuräumen, kann in der Home-Office-Vereinbarung uE jedoch vorgesehen werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einseitig vorschreiben kann, an welchen Tagen von zu Hause gearbeitet werden darf, wenn in der Home-Office-Vereinbarung ein Rahmen (in dem Arbeitnehmer von zu Hause bzw. im Büro arbeiten dürfen) vereinbart wurde und der Arbeitgeber dieses Recht innerhalb dieses Rahmens und der Grenzen billigen Ermessens ausübt. Diesfalls könnte der Arbeitgeber (im Rahmen billigen Ermessens) auch vorschreiben, dass ein Arbeitnehmer an bestimmten Tagen aus Produktivitäts- oder aus geschäftlichen Gründen im Büro anwesend sein muss. Selbstverständlich ist es auch möglich, die konkreten Tage im Home-Office gemeinsam mit dem Arbeitnehmer unter Einhaltung gewisser Vorlaufzeiten (von z. B. ein bis zwei Wochen) festzulegen, wenn eine Aufteilung der Arbeitstage auf Home-Office und Büro bzw. Betrieb vereinbart wurde. Soll ein Arbeitnehmer immer an den gleichen Arbeitstagen innerhalb einer Woche im Home-Office sein, kann dies gleich in der Home-Office-Vereinbarung fixiert werden; einseitige Änderungen der Verteilung der Arbeitstage im Büro und im Home-Office sind in diesem Fall nicht mehr möglich. Auch im Home-Office gilt zudem – sofern nichts anderes vereinbart wurde – die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit (vor allem deren Ausmaß und zeitliche Lage) unverändert weiter.

In der Home-Office-Vereinbarung sollte ferner der konkrete Ort der Arbeitsleistung im Home-Office festgehalten werden, um die Anwendbarkeit der erwähnten Bestimmungen des Home-Office-Gesetzes und von dessen Begünstigungen sicherzustellen. Als »Wohnung« iSd § 2h AVRAG zählt laut den Materialien grundsätzlich die Privatwohnung des Arbeitnehmers oder seine Wohnung als Nebenwohnsitz, aber auch die Wohnung eines nahen Angehörigen oder Lebensgefährten (aber nicht etwa ein öffentlicher Coworking-Space oder ein Kaffeehaus). Den Mitarbeitern kann daher eingeräumt werden, dass Home-Office grundsätzlich in den in § 2h AVRAG definierten Arbeitsorten möglich ist, sofern diese im Inland liegen (zu Fragen von Home-Office im Ausland siehe weiter unten), wobei die Arbeitnehmer die betreffenden Arbeitsorte auch aus steuerlichen Gründen mitzuteilen haben (weil davon etwa das Vorliegen einer Dienstreise abhängt); alternativ sollte der konkrete Arbeitsort im Home-Office gleich vertraglich mit den Arbeitnehmern fixiert werden.

Viele Unternehmen haben in den letzten Monaten zu Zwecken der Vereinheitlichung eine allgemeine Home-Office-Richtlinie mit den jeweiligen Rahmenbedingungen des Home-Office im konkreten Unternehmen bzw. Konzern erlassen, die durch die oben erwähnte, oft sehr kurz gehaltene Home-Office-Vereinbarung  ergänzt wird. Zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung kommt es dagegen – mangels deren Erzwingbarkeit – nur bei rascher Erzielung eines Konsenses mit dem Betriebsrat. Laut den Materialien sind unter den »Rahmenbedingungen« insbesondere die Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Privatnutzung, das Rückkehrrecht vom Home-Office in die Betriebsstätte und Regelungen zum (pauschalen) Kostenersatz zu verstehen. Die Richtlinie dient als Grundlage für die jeweiligen Einzelvereinbarungen, die mit den Arbeitnehmern über die Home-Office-Arbeit als solche zu treffen sind.

Beendigungsmöglichkeiten im Home-Office

Der Gesetzgeber hat den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit eingeräumt, die Home-Office-Vereinbarung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Letzten eines Kalendermonats aufzulösen; das gilt grundsätzlich auch ohne diesbezügliche Vereinbarung. Eine fristlose Beendigung der Home-Office-Vereinbarung ist laut Gesetz dagegen nicht vorgesehen.
Zudem können auch eine Befristung sowie weitere Kündigungsregelungen in der Home-Office-Vereinbarung vorgesehen werden, was zusätzliche Flexibilität schaffen kann. Die Vereinbarung eines Vorbehalts des Arbeitgebers, laut dem er die Arbeitnehmer einseitig ins Home-Office schicken oder aus diesem zurückrufen kann, ist – wie erwähnt – unzulässig. Die Vereinbarung einer Kündigung ohne wichtigen Grund in der Home-Office-Vereinbarung ist jedenfalls zu empfehlen. Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber nicht konkret festgehalten hat, ob die Kündigungsfrist der vereinbarten Kündigungsmöglichkeit im Vergleich zur Auflösungsmöglichkeit aus wichtigem Grund ebenfalls einen Monat umfassen muss oder verkürzt werden darf.

Home-Office im Ausland

Vor allem in den Sommermonaten, aber nicht nur dann, hegen Arbeitnehmer vermehrt den Wunsch, Home-Office im Ausland machen zu dürfen, um Feriendomizil oder Heimaturlaube mit den beruflichen Pflichten verbinden zu können. Wenn der Arbeitsort eines österreichischen Arbeitnehmers ins EU-Ausland oder in Drittstaaten verlegt werden soll, stellt sich jedoch regelmäßig eine Vielzahl arbeits-, sozial- und steuerrechtlicher Fragen. Arbeitet ein Arbeitnehmer nicht nur »vorübergehend« im Ausland, dann kann der geänderte Arbeitsort zur Änderung des ohne Rechtswahl maßgeblichen Arbeitsrechts führen (Art 8 ROM I-Verordnung). Zudem kann sich auch eine Änderung des Sozialversicherungsrechts ergeben (iSd Art 13 VO 883/2004), wenn ein Arbeitnehmer, das1 in zwei Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, in seinem Wohnsitzmitgliedstaat einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeiten ausübt (25 % oder mehr). Zusätzlich können sich auch steuerrechtliche Fragestellungen (z. B. die Begründung einer Betriebsstätte durch die Home-Office-Tätigkeit im Ausland) ergeben. Vor Zustimmung zu einer Home-Office-Tätigkeit im Ausland müssen daher alle erwähnten Punkte geklärt werden, um unliebsame Überraschungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vermeiden.

Fazit
Vor dem Start von Home-Office ist zu empfehlen, die oben angeführten Eckpunkte zu klären und eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Vor allem der Umfang des Home-Office, die Aufteilung der Home-Office-Tage, die Fixierung des Home-Office-Arbeitsortes im Inland (unter Berücksichtigung der in § 2h definierten Möglichkeiten und Ausschluss der Home-Office-Tätigkeit im Ausland) und die »zusätzliche« Kündigungsmöglichkeit sollten in einer Home-
Office-Vereinbarung geregelt werden. Daneben sollte zur Vereinheitlichung eine ­Policy für die gesamte Belegschaft mit den genannten Rahmenbedingungen als Basis für die Einzelvereinbarungen erlassen werden.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
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