ESG: Wie nachhaltig muss HR künftig sein?

Der nachstehende Artikel behandelt die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung, die ab 2026 fast alle Unternehmen betreffen wird.

Mit den verschärften europarechtlichen Vorgaben in puncto unternehmerische Verantwortung und »ESG« steigen auch die Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit an Unternehmen und deren HR-Abteilung. Der nachstehende Artikel fasst die wesentlichen Vorgaben sowie die »Best Practice« zur ESG-Umsetzung im Personalbereich zusammen:

Was bedeutet ESG?

Die Abkürzung »ESG« beschreibt die nachhaltigkeitsbezogene Verantwortung von Unternehmen in drei Bereichen: »E« steht dabei für Environmental (Umwelt), »S« für Social (Soziales) und »G« für Governance (Unternehmensführung). Die ESG-Kriterien, deren Einhaltung und die damit verbundenen Meldepflichten ab 2024 (und noch umfassender ab 2026) stark in den Fokus eines ganz großen Teils europäischer (und damit auch österreichischer) Unternehmen rücken, geben Aufschluss darüber, wie klima- und umweltfreundlich ein Unternehmen agiert, wie gut der geltende Arbeits- bzw. Sozialschutz ist und wie die wachsende regulatorische Dynamik gelebt wird.

Hintergründe der ESG-Dynamik

Der (seit Jahren anhaltende) gesellschaftliche Wandel in Richtung Nachhaltigkeit bewirkte sowohl diverse ergänzende rechtliche Regelungen, und eine zunehmende Regulierung davor nur mittels Selbstverpflichtung gelebter Standards, als auch die intensive Behandlung von Klimaschutz und dem Schutz »sozialer Standards« in den Medien.

Im November 2022 wurde eine neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) verabschiedet. Sie weitet die bisher vor allem für Banken und Versicherungen geltenden Pflichten zur nicht-finanziellen Berichterstattung zunächst ab 2024 auf »große« (iSd UGB) sowie auf börsennotierte Unternehmen und ab 2026 auch auf KMU (d.h., Unternehmen mit gewissem Umsatzerlös bzw. einer Bilanzsumme von mindestens € 350.000,– oder mehr als 10 Arbeitnehmern) aus, und gilt sohin ab dann für fast alle Unternehmen. Konkretisiert werden die Reporting-Pflichten durch sogenannte verbindlich anzuwendende »Reporting Standards« (ESRS), deren Einhaltung künftig von entscheidender Bedeutung sein wird und die zwischen Sektor-übergreifenden und Sektor-spezifischen Standards unterscheiden. Zu den »Sozialen« Standards zählen etwa solche betreffend die eigene Belegschaft, betreffend Arbeiter in der Wertschöpfungskette und betreffend Konsumenten und Endverbraucher. Die Berichte der Unternehmen bestimmen deren »ESG-Rating« (mittels Ratingagenturen wie MSCI ESG Research) und die daraus ableitbare »Nachhaltigkeit« sowie die damit verbundene Reputation sind ausschlaggebend für Stakeholder- sowie Investorenentscheidungen.

Neben Finanzkennzahlen werden künftig daher auch auf internationaler Ebene Bereiche wie Umweltbewusstsein, Diversität, Achtung von Menschenrechten etc. mit darüber entscheiden, ob Unternehmen am Markt (mittel- sowie langfristig) erfolgreich sind. Der erwähnte Wandel spiegelt sich auch bei Bewerbungen wider und beeinflusst daher auch die HR-Arbeit. Bewerber machen ihre Bewerbung vermehrt davon abhängig, wie umweltfreundlich bzw. ESG-affin ein Unternehmen ist, wobei durch die Sozialen Medien bereits jetzt gut zu sehen ist, wie »sozial nachhaltig« ein Unternehmen wirklich ist. Bewertungen eines Arbeitgebers geben z. B. Auskunft über angemessenes Entgelt oder Chancengleichheit. Der Anspruch bzw. Druck, nachhaltig zu handeln, kommt auch von den bereits vorhandenen Mitarbeitern, die vermehrt Missstände in ihrem Unternehmen aufzeigen und die Unternehmen so dazu bringen, ihre Prozesse anzupassen, was durch die Einführung von Hinweisgebersystemen und künftige ESG-Ratings noch größere Bedeutung haben wird.

Umwelt und Unternehmensführung

Unternehmen haben angesichts der erwähnten rechtlichen Vorgaben, aber auch aufgrund von gesellschaftlichem Druck, größere ökologische und moralische Verantwortung, die sich auch im HR-Bereich bemerkbar macht. So wird z. B. im Sinne des Klimaschutzes in der Praxis vermehrt versucht, Lieferketten zu verkürzen und Waren aus dem Inland zu beziehen, was sich auch auf Personalentscheidungen international tätiger Unternehmen auswirkt. Weiters ist die Investition in erneuerbare Energie und das Interesse an nachhaltiger Fortbewegung z. B. auch wesentlich für strategische Entscheidungen in Sachen Firmenautos (und den Umstieg auf Hybrid- bzw. Elektro-Autos) versus Gewährung von Öffi-Tickets und die im konkreten Unternehmen jeweils bestmögliche Gestaltung und Nutzung steuerlicher Vorteile. Nachhaltigkeitsüberlegungen spielten in der Praxis bereits  zuletzt eine deutlich stärkere Rolle für die Handhabung von Dienstreisen und Prüfung von deren Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit von Home-Office und Remote Working unter ESG-Gesichtspunkten.
Eine nachhaltige Unternehmensführung soll im Sinne der Vorgaben des »G« in ESG Korruption und Bestechung verhindern und darüber hinaus auch den Schutzbestimmungen, wie jenen der EU-Whistleblower-RL entsprechen (deren Umsetzung in nationales Recht durch das Hinweisgeberschutzgesetz erfolgen wird), sodass Arbeitnehmer, die Missstände im Unternehmen aufzeigen, hinreichend geschützt werden. Für eine gute ESG-Bewertung sind die EU-Standards entsprechend proaktiv umzusetzen.

Verbesserung sozialer Kriterien

Nachhaltigkeit und die erwähnten Bewertungen (Ratings) als Ausfluss der deutlich erweiterten Berichtspflichten der Unternehmen stehen neben Klima- und Umweltschutz auch für die Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen. Dabei ist im Sinne des »S« in ESG die Gleichstellung der Geschlechter (auch) auf Unternehmensebene weiter zu verbessern und dem bestehenden Gender Pay und Gender Pension Gap entgegenzuwirken. Zur Sicherstellung von Chancengleichheit werden in Unternehmen vermehrt »Diversity Committees« eingesetzt und rücken sowohl die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie als auch Erhalt und Förderung der Gesundheit der Arbeitnehmer noch stärker in den Mittelpunkt (z. B. vergünstigte Sportangebote im Unternehmen oder außerhalb, Verbesserung ergonomischer Arbeitsplätze, Kinderbetreuung etc.). Weiters werden auch Arbeitszeitmodelle (wie 4-Tage-Woche oder Gleitzeit) verstärkt für Zwecke des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingesetzt. Die Menschenrechte müssen idZ nicht nur im Unternehmen (bzw. bei dessen Belegschaft durch Wahrung der Gleichheit etc), sondern auch in der Zusammenarbeit mit Kunden, bei Lieferketten etc. eingehalten werden.

HR als Treiber von ESG

Im Rahmen einer frühzeitig zu beginnenden HR-Due-Diligence ist eine Bestandsaufnahme über bestehende Bestimmungen und deren Bedeutung für die nachhaltige Unternehmensführung durchzuführen und zu klären, welche rechtlichen und faktischen Möglichkeiten zur Neugestaltung bzw. Änderung zwecks (besserer) Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen bestehen. Als weitere Schritte sollten »S«-Ziele auch in die künftige Business-Strategie der Unternehmen miteinbezogen und die Zielerreichung regelmäßig evaluiert werden. So werden ESG-Kriterien vermehrt in variablen Vergütungsmodellen durch die Vorgabe nachhaltigen Handels (gegenüber Lieferanten, durch ressourcensparende Entwicklungen etc.) Niederschlag finden und Anpassungen der LTI-Pläne, aber auch die Belohnung von nachhaltigem Handeln im betrieblichen Vorschlagswesen mit sich bringen. Positive Auswirkungen entsprechender Maßnahmen sind die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität (z. B. gegenüber dringend gesuchten Fachkräften) sowie der Mitarbeiterzufriedenheit und -gesundheit und als Ergebnis bessere ESG-Ratings, besseres Image des Unternehmens und bessere finanzielle Kennzahlen.

Best Practice bei der Umsetzung von ESG

Auch wenn die Einhaltung der ESG-Kriterien auf den ersten Blick zeit- und ressourcenintensiv wirkt, ist sie aufgrund der oben erwähnten Berichtspflichten und der damit verbundenen Ratings für die meisten Unternehmen (abgesehen von Kleinstunternehmen) künftig wohl alternativlos. Eine rasche Prüfung der Grundlagen für bestehende Regelungen und mögliche (einseitige) Anpassungen bzw. Widerrufe  sowie für Entwicklungen allfälliger KV- und Betriebsvereinbarungsbestimmungen und die Mitbestimmung des Betriebsrates etc. ist daher zu empfehlen, um gegenüber Wettbewerbern »Erster« zu sein.

Anhand der festzulegenden ESG-Strategie des Unternehmens sind neben den oben erwähnten Maßnahmen i.S. Vergütung, Mobilität und Mobile Working auch konkrete Schritte beim Recruiting, bei der Förderung entsprechender ESG-relevanter Vorschläge, der Qualifizierung von »Sustainability Officern« (als Nachhaltigkeitsexperten) und bei der Überwachung der Vorgaben sowie der Schaffung entsprechender (technischer) Systeme zu setzen. Wichtig wird dabei sein, die eigenen Mitarbeiter in die Strategie und deren Umsetzung (z. B. durch Umfragen oder im Rahmen des Vorschlagswesens) nach Möglichkeit miteinzubinden.

Fazit
Unternehmen haben durch die EU-rechtlichen Vorgaben immer wichtigere Aufgaben und Verantwortung, die Umwelt, aber auch die soziale Sicherheit durch ihr unternehmerisches Handeln positiv zu beeinflussen. Die entsprechend verdichteten Berichtspflichten und ESG-Ratings nicht nur als rechtliche Verpflichtung zu sehen, sondern auch als Chance gegenüber der Belegschaft und anderen Stakeholdern und mit den erwähnten Maßnahmen zeitnah zu starten, kann daher auch aus HR-Sicht den wesentlichen Unterschied in Richtung Nachhaltigkeit und für damit verbundene Wettbewerbsvorteile machen.

 

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
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