Gagen der Betriebsräte

Was haben Unternehmen bei der Entlohnung ihrer Betriebsräte zu beachten, um sich nicht dem Verdacht der »Anfütterung« auszusetzen?

Die Betriebsräte von Porsche und VW sollen in Deutschland unangemessen hohe Gagen bezogen haben. Das Thema schlägt nunmehr auch bei uns in Österreich hohe Wellen. Zehn Jahre lang sollen Betriebsräte der AUSTRIAN AIRLINES (AUA) viel zu viel verdient haben. Zuletzt war von Jahresgagen um 170.000,– € zu lesen. Auch bei der Telekom Austria sollen freigestellte Betriebsräte jahrelang Mega-Gagen kassiert haben.

Zur Problematik

Der in Deutschland bereits seit langem geführten Diskussion stand in Österreich bis in die jüngste Vergangenheit Stillschweigen gegenüber. Das Problem wurde in Österreich offenbar bislang sozusagen sozialpartnerschaftlich totgeschwiegen. Die Problematik reicht über die Gewährung der eingangs erwähnten nicht funktionsadäquaten Bezüge an Betriebsratsmitglieder hinaus und umfasst aufgrund des absolut zwingenden Charakters des Betriebsverfassungsrechts jegliche im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) nicht vorgesehene (geldwerte) Leistung. Damit sind selbstverständlich auch teure Einladungen auf Kosten des Unternehmens zu diversen Veranstaltungen wie im Bereich Tennis, Fußball oder Formel 1 oder auch auf Bälle oder das Oktoberfest etc. schlichtweg verboten. Zweck der »Ehrenamtlichkeit« von Betriebsräten ist, deren Unabhängigkeit zu sichern und den Anschein der Käuflichkeit zu vermeiden. Das Überschreiten dieser Schwellen kann u. U. sogar strafrechtliche Relevanz haben.

Absolut zwingender Charakter des Betriebsverfassungsrechts

Die Bestimmungen des Betriebsverfassungsrechts sind absolut zwingender Natur. Das heißt, sie sind weder beschränk- noch erweiterbar. Davon erfasst sind nicht nur Geld- oder Sachzuwendungen an Betriebsratsmitglieder, sondern auch die Einräumung von im Gesetz nicht vorgesehener Mitbestimmungsrechte.

Ehrenamtlichkeit

Sowohl bei uns in Österreich als auch bei unseren deutschen Nachbarn gilt ein gesetzliches Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot zugunsten von Betriebsräten. Gleichzeitig gilt aber auch das Gebot der Ehrenamtlichkeit der Mandatsausübung. Gemäß ArbVG dürfen Betriebsratsmitglieder gegenüber anderen Beschäftigten nicht bevorzugt werden. Die Bezahlung von Mega-Gagen an (freigestellte) Betriebsräte, die mit keinem noch so günstig angenommenen, fiktiven Karriereverlauf denkmöglich vereinbar sind, ist als Verstoß gegen das Gebot der Ehrenamtlichkeit (§ 115 Abs 1 ArbVG) zu qualifizieren (siehe dazu im Detail weiter unten). Dasselbe gilt für die Gewährung von Geldzuwendungen, weil § 72 ArbVG nur einen Anspruch der Belegschaftsvertreter auf die Beistellung von Sacherfordernissen kennt. Als Begünstigung in Betracht kommen z. B. die Hinaufsetzung der Arbeitszeit während der Freistellungsphase unter gleichzeitiger Gewährung eines entsprechend erhöhten Entgelts, die Vergütung von betriebsratsbedingter Mehrarbeit oder die Gewährung höherer Reisekostensätze als bei anderen Arbeitnehmern, oder auch ein spezieller Entgeltanspruch für die Ausübung von Betriebsratsfunktionen, wie dies Medienberichten zufolge offenbar bei der Telekom Austria gehandhabt worden sein dürfte.

Hypothetischer Karriereverlauf

Freigestellte Betriebsräte haben Anspruch auf ihr bisheriges Gehalt einschließlich unregelmäßiger und variabler Entgeltbestandteile. Dem Betriebsratsmitglied ist der mutmaßliche Verdienst zu ersetzen, den er oder sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weiterhin bezogen hätte. Das Betriebsratsmitglied muss und darf daher an Vorrückungen im jeweiligen Gehaltsschema nur insofern teilnehmen, als diese auch ohne Freistellung aufgrund der Dienstjahre und Qualifikationen zum Tragen gekommen wären. Das mag sich auf den ersten Blick einfach anhören, kann sich aber in der Praxis i. Z. m. mit langen Freistellungen durchaus als schwierig erweisen, den hypothetischen Karriereverlauf – oftmals über Jahrzehnte – zu antizipieren. Denn unter Berücksichtigung der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des freigestellten Betriebsrats ist auf die Arbeitsplatz- und Karriereentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer abzustellen. Das ist zwar an sich unstrittig, nichts desto trotz nicht immer leicht nachzuvollziehen, wobei die Frage einer allfälligen Benachteiligung oder Bevorzugung anhand einer Durchschnitts- und nicht einer Top-Karriere zu beurteilen ist. Um dem Unternehmen die Entgeltbestimmung insbesondere bei langen Dienstfreistellungen zu erleichtern, werden pauschale Betrachtungsweisen – wie sich die Karriere einer Vergleichsgruppe entwickelt hat – zulässig sein. Bezieht das freigestellte Betriebsratsmitglied ein Entgelt, das oberhalb der Bandbreite gelegen ist oder erreicht dieses gar Dimensionen, die selbst mit einer Topkarriere unerreichbar geblieben wären, liegt eine rechtsgrundlose und somit rechtswidrige Überzahlung vor. Das Betriebsratsmitglied soll gemäß Betriebsverfassungsrecht bloß davor geschützt werden, aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt zu werden. Mit der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied sollen jedoch keine Vorteile einhergehen. Der eingangs erwähnte Ansatz des speziellen Entgeltanspruchs für die Ausübung von Betriebsratsfunktionen ist daher unabhängig davon, wie engagiert und erfolgreich das Betriebsratsmitglied seine Tätigkeit als Betriebsrat im Einzelfall betreibt, mangels Grundlage im Betriebsverfassungsrecht schlicht unzulässig. Die Beurteilung des Vorliegens einer allfälligen Überzahlung kann – mangels gesetzlicher Grundlage – nicht aus der Tätigkeit als Betriebsrat abgeleitet werden, sondern ist anhand einer durchschnittlichen und realistischen Karriereentwicklung vorzunehmen. Mehr gibt das Betriebsverfassungsrecht im wahrsten Sinne des Wortes einfach nicht her. Betriebsräte und auch die Unternehmen sind daher angehalten, sich darauf zu besinnen, dass mit der Entscheidung der Mandatsannahme auch jene unweigerlich verbunden ist, auf eine Top-Karriere zu verzichten.

Überzahlung

Von Betriebsratsmitgliedern behauptete Verstöße gegen das gesetzliche Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot (§ 115 Abs 3 ArbVG) waren in der anwaltlichen Beratungspraxis schon bislang immer wieder ein Thema. Nunmehr aktuell geworden ist die Beschäftigung mit Verstößen gegen das Gebot der Ehrenamtlichkeit der Betriebsratstätigkeit, obwohl die Rechtsfolgen von »Anfütterungen« gravierend sein können. Übersteigen die Zahlungen an Betriebsratsmitglieder den gesetzlich vorgesehenen Entgeltfortzahlungsanspruch, erfolgen diese somit rechtsgrundlos. Erfolgen Zahlungen an Angestellte rechtsgrundlos, sind diese nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln. Von diesem Grundsatz besteht im Arbeitsrecht insofern eine wesentliche Ausnahme, als die Rückforderung durch den Arbeitgeber/das Unternehmen dann ausgeschlossen ist, wenn die Überzahlung vom Arbeitnehmer im guten Glauben empfangen und verbraucht worden sein sollte. Da die Redlichkeit des Arbeitnehmers vermutet wird, hat der rückfordernde Arbeitgeber dessen Unredlichkeit unter Beweis zu stellen. Der Arbeitnehmer muss zudem nicht beweisen, den Überbezug tatsächlich verbraucht zu haben.
Beziehen nun Betriebsräte eine Gage, die über dem gelegen ist, was bei einer Durchschnittskarriere ins Verdienen zu bringen gewesen wäre oder gar eine Managergage, die selbst mit einer Top-Karriere seit erfolgter Freistellung niemals zu erlangen gewesen wäre, und liegt eine Überzahlung vor, dann stellt sich die Frage nach dem gut- bzw. schlechtgläubigen Verbrauch durch das Betriebsratsmitglied. Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine Einzelfallbetrachtung und hängt jedenfalls auch vom Ausmaß der Überzahlung ab. »Überzahlungen« unterliegen – wie ausgeführt – demselben rechtlichen Schicksal wie im Gesetz nicht vorgesehene Geldzuwendungen an Betriebsratsmitglieder, die nach der Rechtsprechung nicht nur sofort eingestellt, sondern auch zurückgefordert werden können und u. U. sogar müssen.

Strafrechtliche Relevanz

Neben der zivilrechtlichen Frage nach der Unwirksamkeit und Rückforderbarkeit einschlägiger Überzahlungen stellt sich die Frage nach einer allfälligen strafrechtlichen Relevanz. Denn bei genauerem Hinsehen geht es bei im Gesetz nicht vorgesehenen Zuwendungen an Betriebsratsmitglieder – wie eingangs erwähnt – wohl darum, dass der AG seinen Betriebsrat bzw. einzelne Mitglieder gewogen stimmen möchte, in heiklen Fragen und/oder Verhandlungen mit dem Unternehmen zu kooperieren und Lösungen aus Unternehmenssicht günstiger zu gestalten. Es könnte daher der Straftatbestand der Bestechung gemäß § 307 StGB oder u. U. auch der Vorteilszuwendung zur Beeinflussung gemäß § 307b StBG erfüllt sein. Beide Delikte setzen die Zuwendung an einen »Amtsträger« voraus. Obwohl Betriebsratsmitglieder grundsätzlich keine Amtsträger sind, können sie es im Einzelfall aber sein, wenn sie Amtsträgereigenschaft besitzen sollten.

Fazit: Nachdem das Thema einer allfälligen Überbezahlung von Betriebsräten aktuell im Fokus steht und die Entlohnung von Betriebsräten wohl nicht länger das Geheimnis der Konzernwelt bleiben wird, sind Unternehmen aufgrund der wirklich komplexen Materie gut beraten, die Bezüge ihrer Betriebsräte gemeinsam mit einem externen Berater ehest möglich einer Überprüfung zu unterziehen. Spitzengagen von Betriebsratsmitgliedern sind jedenfalls zu kürzen und in der Vergangenheit erfolgte nicht verjährte Überzahlungen (die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich 3 Jahre) zurückzufordern und allenfalls ein Ratenzahlungsplan auszuarbeiten. Unabhängig davon kann auch der Manager haften, der Mega-Gagen von Betriebsräten jenseits realistischer Karriereverläufe abgesegnet hat. Zudem sollte zukünftig nicht nur die Vergütung der Vorstände, sondern auch jene der freigestellten Betriebsräte gegenüber der Belegschaft offengelegt werden. Handelt es sich bei freigestellten Betriebsräten um Amtsträger, dann ist als Fazit ferner festzuhalten, dass die »Anfütterung« von Betriebsratsmitgliedern, um sie zu einer für den Arbeitgeber angenehmen und aus Unternehmenssicht kostengünstigeren Mandatsausübung zu animieren, auch hier zu Lande – in Deutschland hat es auf Basis einer dortigen Strafbestimmungen im Betriebsverfassungsrecht bekanntlich bereits Strafverfahren gegeben – gerichtlich strafbar sein kann.

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Hahn

Gastautorin
Natalie Hahn
verfügt über mehr als 12 Jahre Berufserfahrung als Rechtsanwältin und ist Partnerin der
Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
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