Gender Pay Gap und Entgelttransparenz

Die EU-Richtlinie 2023/970/EU verpflichtet Unternehmen ab Juni 2026 zu mehr Entgelttransparenz – dieser Artikel zeigt zentrale Vorgaben und notwendige Maßnahmen auf.

Knapp ein Jahr vor dem Ende der Umsetzungsfrist der Richtlinie (RL) wird es Zeit, auf den Status quo und die Situation in österreichischen Unternehmen zu schauen. Während in einigen Rechtsbereichen ein Zuwarten mit der Umsetzung von RL und Beobachten der »Best Practice« bei anderen Marktteilnehmern durchaus üblich und auch machbar ist, ist das bei der Entgelttransparenz aufgrund der oft komplexen, dafür gebotenen Systemumstellungen anders zu beurteilen. Vielmehr sind längere Vorlaufzeiten für technische Themen sowie Schulungen des HR-Teams zu den neuen Anforderungen im Recruiting und im laufenden Dienstverhältnis einzuplanen.
Das Ziel der RL ist die Gewährleistung von gleichem Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit durch erhöhte Transparenz, wobei der zuletzt in Österreich festgestellte »Gender Pay Gap« (18,3 %) deutlich über dem EU-Durchschnitt (12 %) liegt und daher auch aufgrund der zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen laut RL bei Überschreiten von 5 % »Gap« für Unternehmen erheblicher Aufholbedarf besteht. Die laut RL gebotene Transparenz richtet sich nicht mehr nur an größere oder große Unternehmen. Auch die bisherigen gesetzlichen Regelungen zur verpflichtenden Angabe von Mindestgehältern in Stellenanzeigen sowie betreffend Einkommensberichte werden deutlich verschärft.

Stellenausschreibungen und Bewerbungen

Österreichische Arbeitgeber sind bereits jetzt verpflichtet, in ihren Stellenausschreibungen das für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz geltende kollektivvertragliche oder durch Gesetz oder andere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgelegte Mindestentgelt betragsmäßig anzugeben. In Inseraten wird dabei regelmäßig auf die Bereitschaft zur Überzahlung (bei entsprechender Qualifikation) hingewiesen. Ebenso müssen Berufsbezeichnungen in Inseraten bereits bisher geschlechtsneutral formuliert sein. Eine Änderung ergibt sich aus der RL insofern, als alternativ zum Einstiegsentgelt für die betreffende Stelle auch die entsprechende Spanne angeführt werden kann. Zudem können die Informationen auch vor dem Vorstellungsgespräch oder auf andere Weise in einer Form erfolgen, die fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet. Umso wichtiger ist daher, bei Neueinstellungen standardisierte Prozesse einzuführen und zu dokumentieren, nach welchen (geprüften) Kriterien das Gehalt bestimmt wurde und dies auch für Boni und sonstige Benefits beizubehalten. Zudem sind alle involvierten Personen und Führungskräfte entsprechend zu sensibilisieren und zu schulen. Neu in der RL geregelt ist zudem, dass Arbeitgeber Bewerber in Zukunft nicht mehr nach ihrem aktuellen Gehalt bzw. nach Gehältern aus früheren Dienstverhältnissen fragen dürfen, so dass entsprechende Fragen in Formularen oder standardisierten Fragebögen für Bewerber entsprechend zu streichen sind. Auch für diese Maßnahme ist erkennbarer Hintergrund aus der Praxis, dass sonst aufgrund der im Vergleich niedrigeren Gehälter von Frauen in der Vergangenheit auch deren künftige Gehälter beim neuen Arbeitgeber – ohne sachliche Begründung – negativ beeinflusst würden.

Auskunftsrecht im aufrechten Dienstverhältnis

Die RL sieht zudem ein Recht aller Arbeitnehmer vor, schriftlich Informationen über das durchschnittliche Entgelt von Kollegen in vergleichbarer Position und Qualifikation, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, zu erhalten. Arbeitgeber sind daher künftig verpflichtet, die Kriterien zur Entgeltfestlegung transparent offenzulegen. Anders als bisher muss die sachliche Begründung der Entgeltstrukturen im Unternehmen also nicht bloß im Streitfall oder bei einem Antrag an die Gleichbehandlungskommission dargelegt werden können, sondern auf Abruf vorhanden sein und den Arbeitnehmern zugänglich gemacht werden. Die Auskunft kann entsprechend den nationalen Regelungen oder Gepflogenheiten auch über die Arbeitnehmervertreter oder eine Gleichbehandlungsstelle angefordert werden. Arbeitgeber haben ihre Mitarbeiter zudem jährlich über das bestehende Auskunftsrecht zu informieren, so dass dieses auch entsprechend wahrgenommen wird. Vertragliche Verschwiegenheitspflichten betreffend das eigene Gehalt gegenüber Kollegen, die schon bisher als kaum durchsetzbar qualifiziert wurden, sind damit wohl jedenfalls Vergangenheit.
Die Neuerung bedeutet für Unternehmen mit einer internen »Gehaltsstruktur« ergänzend zum maßgeblichen Kollektivvertrag, dass die bestehenden Kriterien und Unterschiede rechtzeitig betreffend eine tatsächlich geschlechtsneutrale Gestaltung geprüft und allenfalls angepasst werden müssen, um für die Umsetzung der RL ab 2026 gerüstet zu sein. Herausfordernd sind dabei in der Praxis insbesondere solche Kriterien in Entgeltsystemen, die indirekt bestimmte Mitarbeitergruppen benachteiligen, nicht weil dies bewusst so vorgesehen würde, sondern weil sie die entsprechenden Auswirkungen haben. Zur Umsetzung der Kriterien der RL müssen aber auch Arbeitgeber ohne etabliertes Vergütungssystem »gleiche« und »gleichwertige« Arbeit innerhalb des Unternehmens genau definieren und objektive, geschlechtsneutrale Systeme zur Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung schaffen. Methodisch zu prüfen ist dabei insbesondere auch, ob die bestehende Zuordnung von Jobs zu kollektivvertraglichen Beschäftigungsgruppen oder Betriebsvereinbarungen und Policies, die entgeltrelevante Regelungen enthalten, diskriminierungsfrei sind. Maßgebliche Kriterien laut RL umfassen zulässigerweise nur Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen und allenfalls weitere sachliche Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz relevant sind.

Regelmäßige Berichtspflichten

Laut RL müssen – anders als bisher aufgrund nationaler Regelungen – künftig bereits Unternehmen ab 100 Mitarbeitern regelmäßig Berichte zur Entgeltverteilung und zum »Gender Pay Gap« erstellen, die sowohl Daten zu den Grundgehältern als auch zu ergänzenden und variablen Vergütungsbestandteilen zu enthalten haben. Der Einkommensbericht bleibt nicht unternehmensintern, sondern ist an die nationale »Überwachungsstelle« (laut RL) zur Veröffentlichung zu übermitteln, um einen Vergleich zwischen Arbeitgebern, Sektoren und Regionen des betreffenden Mitgliedstaats zu ermöglichen.
Die Berichtspflichten starten gestaffelt nach Unternehmensgröße bereits 2027 (rückwirkend für 2026) bzw. bis 2031 und müssen alle drei Jahre bzw. bei 250 Arbeitnehmern oder mehr jährlich erfolgen. Bisher ist nicht absehbar, ob Österreich im Sinne eines »gold plating« die in der RL vorgesehene Möglichkeit aufgreift, auch für Arbeitgeber mit weniger als 100 Mitarbeitern entsprechende Pflichten vorzusehen. Auch aus Imagegründen, und weil die erwähnten Auskunftspflichten etc. auch für kleine Unternehmen gelten (und diese nur von den Informationspflichten betr. Entgeltentwicklungen ausgenommen werden dürfen), werden sich alle Arbeitgeber intensiver mit ihrem Entgeltsystem und dessen fairen Grundsätzen beschäftigen müssen. Die Struktur für das Reporting (z. B. Schaffung entsprechender Job-Architektur, Job-Grading) und maßgebliche Gehaltselemente müssen daher bereits entsprechend vorab geschaffen werden.
Die Richtigkeit der Angaben wird von der Leitungsebene des Arbeitgebers nach Anhörung der Arbeitnehmervertreter bestätigt, wobei Letztere laut RL Zugang zu den vom Arbeitgeber angewandten Methoden haben sollen. Arbeitgeber müssen geschlechtsspezifische Lohndifferenzen von mindestens 5 % sachlich rechtfertigen oder innerhalb von sechs Monaten beheben. Andernfalls müssen sie mit den Arbeitnehmervertretern laut RL eine gemeinsame Analyse und Entgeltbewertung durchführen und Maßnahmen zur Beseitigung dieser Unterschiede erarbeiten, über die sie den Arbeitnehmern sowie der »Überwachungsstelle« zu berichten haben, so dass Unternehmen danach trachten werden, dieses Prozedere zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten haben Arbeitgebern mit weniger als 250 Arbeitnehmern und den betreffenden Arbeitnehmervertretern technische Unterstützung bzw. Schulungen zur Erleichterung der Einhaltung der RL zu bieten.

Schadenersatz und Sanktionen

Im Fall vermuteter Diskriminierung tragen laut RL künftig die Unternehmen und nicht die Arbeitnehmer die Beweispflicht bezüglich einer Ungleichbehandlung. Bei Verstößen gegen die Vorgaben der RL drohen Schadenersatzzahlungen, die die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni oder Sachleistungen sowie eine Nachzahlung für entgangene Chancen, immateriellen Schaden etc umfassen. Die RL sieht zudem vor, dass Mitgliedstaaten Sanktionen bei Verstößen gegen die Entgeltgleichheit, wie (pauschalierte) Entschädigungen für betroffene Arbeitnehmer, aber auch Strafen für Unternehmen, die ihre Berichtspflichten nicht erfüllen oder geschlechtergerechte Entgeltsysteme verweigern, vorsehen. Konkretere Informationen dazu werden erst mit dem österreichischen Gesetzesentwurf vorliegen.

Maßnahmen und Fazit

Durch die erweiterten Transparenzmaßnahmen sollen laut der RL Diskriminierungen aufgedeckt und soll eine diskriminierungsfreie Entlohnung über alle Branchen hinweg erreicht werden. Nachdem eine faire und transparente Entgeltstruktur nicht nur das Recruiting erleichtern und die Motivation der Mitarbeiter verbessern kann, sondern die Umsetzung der Entgelttransparenz laut RL für de facto alle (auch kleinere) Unternehmen verpflichtend sein wird, ist die zeitgerechte Vorbereitung (samt Schulung aller involvierten Mitarbeiter und vor allem auch Vorgesetzten) und Implementierung der oben angeführten Schritte jedenfalls zu empfehlen. Dabei sind bestehende Vergütungsprozesse zu analysieren, objektive Kriterien und Prozesse zur Leistungsbewertung festzulegen und entsprechend umzusetzen, um die verpflichtende Chancengleichheit neben rechtlichen Vorgaben (wie bei der CSRD Berichterstattung) auch in puncto Unternehmenskultur und -image zu nutzen.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner bei Burgstaller & Preyer.
Birgit.Vogt-Majarek@bpr.at
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