Grenzüberschreitender Personaleinsatz

Vermehrtes Home-Office bzw. remotes Arbeiten bringen zahlreiche rechtliche Hürden. Welche genau das sind, beschreibt Birgit Vogt-Majarek.

Bedingt durch die COVID-19-Krise wünschen sich viele Arbeitnehmer mehr Flexibilisierung hinsichtlich ihres Arbeitsortes. Neben Home-Office und hybriden Arbeitsmodellen werden mit vermehrt von Arbeitnehmern ausgewählten Orten ihrer Tätigkeit im Ausland aber diverse arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen aufgeworfen. Zudem lassen Arbeitgeber häufiger zu, Arbeitnehmer außerhalb des Staates, in dem der Betriebssitz liegt, im Home-Office einzusetzen, was das Risiko mit sich bringt, ungewollt eine Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat zu begründen. Diese und weitere Themen in diesem Zusammenhang behandelt der folgende Artikel.

Anwendbares Recht?

Sobald ein Arbeitnehmer grenzüberschreitend tätig ist und seinen Arbeitsort wechselt, kann sich – oft auch ungewollt – das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht ändern. Internationale Bestimmungen (wie insbesondere die Rom I-VO) regeln, welches Arbeitsrecht auf einen grenzüberschreitenden Sachverhalt anzuwenden ist. Innerhalb des EU-Raums ist laut Verordnung grundsätzlich das Recht jenes Staates anwendbar, in dem oder von dem aus die Arbeitnehmer gewöhnlich arbeiten. Verrichten die Arbeitnehmer ihre Arbeit bloß vorübergehend in einem anderen Staat, führt dies zu keiner Änderung, wobei es für die Beurteilung auch auf den Rückkehrwillen ankommt. So führten z. B. vorübergehende und oftmals ungeplante Wechsel des Arbeitsortes aufgrund der COVID-19-Krise (z. B. Home-Office wegen plötzlicher Einreisebeschränkungen im Land der gewöhnlichen Beschäftigung) regelmäßig nicht zu einem Wechsel des zuvor anwendbaren Arbeitsrechts, solange es keine überwiegenden Indizien für eine dauerhafte Beibehaltung bzw. einen gewünschten Wechsel gab.

Wird im Arbeitsvertrag eine Rechtswahl betreffend das anwendbare Recht zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer getroffen, so ist bei Änderungen des gewöhnlichen Arbeitsortes darauf zu achten, dass die Rechtswahl keine Benachteiligung des Arbeitnehmers gegenüber dem ohne eine solche anwendbaren Recht bewirken darf.

Arbeitet ein Arbeitnehmer zwar in Österreich, wurde jedoch zwischen den Vertragsteilen ein anderes Arbeitsrecht vereinbart, führen die sogenannten Eingriffsnormen zum erwähnten Schutzstandard. Es handelt sich dabei um zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seiner öffentlichen Interessen, angesehen wird, dass diese ungeachtet des vereinbarten Rechts durchschlagen. Dazu zählen insbesondere Bestimmungen über Arbeitszeit und betreffend Arbeitnehmerschutz.

Zu beachten ist zudem insbesondere bei Arbeiten im Ausland außerhalb der EU, inwieweit für eine Tätigkeit vom Arbeitgeber eine Beschäftigungsbewilligung einzuholen und eine Arbeit sonst untersagt ist. Ein Verstoß kann abhängig von den jeweiligen nationalen Vorgaben i.S. Ausländerbeschäftigung zu drastischen Strafen bzw. sonstigen Nachteilen führen, so dass auch insofern eine vorherige Klärung geboten ist.

Auswirkungen betreffend anwendbares Sozialversicherungsrecht

Die oben beschriebenen (geplanten bzw. ungeplanten) grenzüberschreitenden Personaleinsätze können ferner das für die Arbeitnehmer bis dahin maßgebliche Sozialversicherungsrecht ändern, was deren Interessen in der Praxis aufgrund der damit verbundenen Komplikationen in puncto Krankenversicherung, aber auch in puncto Pensionsrecht regelmäßig entgegenläuft. Grundsätzlich unterliegen Personen (nach den einschlägigen EU-Verordnungen), die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausüben, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.
Änderungen des Tätigkeitsortes können daher – abhängig von den konkreten Umständen – auch einen Wechsel des Sozialversicherungsrechts auslösen, so dass sich bei Auslandseinsätzen eine Klärung der bestmöglichen Gestaltung empfiehlt. Ausnahmeregelungen bestehen z.B. bei Entsendungen, bei denen das Sozialversicherungsrecht des entsendenden Staates bis auf weiteres anwendbar bleibt. Für das Vorliegen einer Entsendung sind jedoch verschiedene Kriterien gefordert (Entsendung darf maximal 24 Monate dauern, im Beschäftigungsstaat wird während der Entsendung keine gesonderte arbeitsrechtliche Bindung eingegangen etc).

Werden Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber regelmäßig in mehreren Staaten tätig und erbringen dabei im Wohnsitzstaat einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit (von z. B. 25 % oder mehr, dies bemisst sich u .a. nach Arbeitszeit, Umsatz etc.), so unterliegen die Arbeitnehmer sozialversicherungsrechtlich den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sie ihren Wohnsitz haben, unabhängig davon, wo der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Diese Regelung wird insbesondere bei häufiger wechselnden Tätigkeitsorten im Konzern o. ä. dafür genutzt, um Arbeitnehmern den Schutz eines konstanten Sozialversicherungsrechts durch ein gewisses Maß an Tätigkeit aus dem Wohnsitzstaat zu sichern.

Ein Arbeitgeber, der keine Niederlassung in jenem Mitgliedstaat hat, dessen Rechtsvorschriften auf die Arbeitnehmer anzuwenden sind, kann mit den Arbeitnehmern vereinbaren, dass diese die Pflichten des Arbeitgebers zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge vor Ort wahrnehmen, wobei die Verantwortung weiterhin den Arbeitgeber trifft und dieser daher die Einhaltung zu gewährleisten hat. Der Arbeitgeber hat eine solche Vereinbarung an den zuständigen SV-Träger des betreffenden Mitgliedstaates (in Österreich die Gesundheitskasse) zu übermitteln.

Anwendbares Steuerrecht?

Auch in steuerrechtlicher Hinsicht haben Änderungen des Tätigkeitsortes u. U. wesentliche Auswirkungen. Mit Hilfe der Konsultationsvereinbarung zwischen Deutschland und Österreich wurden pandemiebedingte Änderungen grenzüberschreitender Tätigkeiten aus steuerrechtlicher Sicht erheblich erleichtert. Diese Vereinbarungen enthielten u. a. Klarstelllungen im Zusammenhang mit Home-Office-Tätigkeit und betreffend Aufenthalte von Grenzgängern im Ansässigkeitsstaat. Arbeitstage, an denen Arbeitnehmer nur aufgrund der COVID-19-Pandemie ihre Tätigkeit im Home-Office ausübten, wurden steuerrechtlich als im Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage qualifiziert, wo die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit ohne die Covid-19-Maßnahmen ausgeübt hätten. Die Vereinbarung ist jedoch mit 30. Juni 2022 ausgelaufen, sodass Home-Office-Tage wieder als Arbeit in jenem Vertragsstaat zählen, in dem sie erbracht wurden.

Vergütungen aus unselbstständiger Tätigkeit werden grundsätzlich im Tätigkeitsstaat besteuert. Ausnahmen vom Tätigkeitsprinzip bestehen bei internationaler Tätigkeit im Anwendungsbereich von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) regelmäßig dann, wenn die Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat weniger als 183 Tage im Kalenderjahr/Steuerjahr/innerhalb von 12 Monaten anwesend sind. Ist dies der Fall, besteuert der Ansässigkeitsstaat der Arbeitnehmer die Einkommen. Diese Sonderregelung kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn nicht ohnehin eine Steuerpflicht aufgrund der Ansässigkeit des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat bzw. aufgrund des Vorliegens einer Betriebsstätte gegeben ist.
Die Besteuerung im Tätigkeitsstaat führt dazu, dass der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte von der Steuer befreien oder ausländische (Lohn-)Steuer anrechnen muss.

Vorgaben betreffend Betriebsstätte in Österreich

Durch den vermehrten Einsatz von Arbeitnehmern in Österreich, deren ausländischer Arbeitgeber hier keine Niederlassung hat, stellt sich regelmäßig die Frage, ob bereits eine Tätigkeit im Home-Office des Mitarbeiters o. ä. eine (oftmals ungewünschte) steuerliche Betriebsstätte begründen kann. Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist eine (innerstaatliche) Betriebsstätte jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dient. Auch der Home-Office-Arbeitsplatz kann eine Betriebsstätte idS sein.

Nach Ansicht des für die Beurteilung zuständigen Finanzministeriums (BMF) können (i.S.d. OECD Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung) Arbeitnehmer, indem sie – in Abstimmung mit dem Arbeitgeber – ihrer Tätigkeit nicht bloß gelegentlich von ihrem Home-Office aus nachgehen, bei ausreichender Dauerhaftigkeit dem Arbeitgeber durch die Ausübung ihrer Tätigkeit faktische Verfügungsmacht verschaffen, sodass durch die Home-Office-Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet werden kann. Nehmen die im Home-Office ausgeübten Tätigkeiten weniger als 25 % der Gesamtarbeitszeit des Arbeitnehmers ein (also z. B. ein Tag pro Woche), ist von einer bloß gelegentlichen Nutzung auszugehen, anderes gilt bei mehr als 50-prozentiger Nutzung.
Darüber hinaus können laut den vom BMF aufgestellten Kriterien (iSd OECD MA) auch Privatwohnungen von Arbeitnehmern, die z. B. als Stützpunkt für die Auftragserfüllung oder als inländische Adresse für Service- und Reparaturbetreuung dienen, und die damit als offizielle Anlaufstelle des Unternehmens oder für (physische) Kundenbesprechungen und ähnliche berufliche Termine verwendet werden, unabhängig von der konkret darin verbrachten Arbeitszeit des Arbeitnehmers eine steuerliche Betriebsstätte begründen, sofern in der Wohnung nicht bloß vorbereitende oder Hilfstätigkeiten ausgeübt werden.

Für ausländische Arbeitgeber kann durch das Home-Office somit auch eine Betriebsstätte und als Konsequenz daraus die Steuerpflicht in Österreich bestehen.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
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