Mit Social Media zu Wunschkandidaten

Soziale Netzwerke werden von Unternehmen längst nicht mehr nur dafür genutzt, Kunden zu finden und zu halten. Auch für das Employer Branding und um konkrete Bewerber anzusprechen, werden die »neuen« Plattformen immer häufiger genutzt.

Die Kompetenzen, die ein HR-Manager bzw. ein Recruiter braucht, haben sich in den letzten 20 Jahren massiv gewandelt. Die Transformation weg vom Personalverwalter, hin zum wahren Human-Ressource-Spezialisten hat stattgefunden. Zumindest theoretisch.
Eine der eher neueren Anforderungen für HR ist das Managen von Social-Media-Kanälen für das Recruiting bzw. auch für das Employer Branding. Doch das scheint leichter gesagt als getan. Denn da es sich um ein relativ neues Feld im Business handelt, mussten hier in den letzten Jahren erst die Erfahrungen gesammelt werden. Damit Sie, liebe Leser, von diesen Erfahrungen profitieren können, hat TRAiNiNG recherchiert und zwei Experten aus großen Unternehmen dazu befragt. Denn auch im Web ist nicht alles Gold, was glänzt. Nicht jede Plattform ist für jedes Unternehmen geeignet, um Kandidaten anzusprechen. Denn immer noch sind viele Nutzer primär privat auf sozialen Plattformen unterwegs. Daher müssen Unternehmen ganz klar überlegen, wie sie das Interesse der Nutzer gewinnen können.
Wir wollen zunächst wissen, wie sich die Relevanz von Social Media für HR in den letzten Jahren verändert hat.
Rudi Bauer (Chief Evangelist und Geschäftsführer von StepStone Österreich): »Social Media ist erwachsen geworden, Kanäle wie Instagram oder YouTube haben sich zunehmend professionalisiert. Auch das inhaltliche Angebot hat sich deutlich erweitert: Weg vom bloßen Schnappschuss, hin zu hochprofessionell inszenierten Medienauftritten. Das hat gravierende Auswirkung auf die Nutzung von Social Media: Wurden Inhalte früher zu bloßen Unterhaltungszwecken konsumiert, informiert man sich heute auch zu beruflichen Zwecken in sozialen Netzwerken. Das müssen Unternehmen in ihren Recruiting-Strategien mitbedenken: Vor allem passive Kandidaten und die jüngere Generation erreicht man über klassische Medien oft nicht.«

Thomas Olbrich (Chief Culture Officer von ­karriere.at): »Die Bedeutung von Social Media insgesamt hat in den vergangenen Jahren generell rasant zugenommen, die Sozialen Medien sind daher auch für ein modernes und zukunftsorientiertes HR von großer Bedeutung. Wir merken sowohl aus dem B2B- als auch aus dem B2C-Bereich eine große Nachfrage, die wir mit einem umfangreichen Angebot bedienen. Der Bereich wird auch in den kommenden Jahren weiter stark wachsen.«

Diese Aussagen zeigen ganz klar auf: Es führt für einen Personalisten bzw. Recruiter kein Weg daran vorbei, sich mit diesem Thema näher zu beschäftigen.
Die häufigsten Kanäle, derer sich Unternehmen für ihr Personalmarketing bedienen, waren 2018 Xing, Facebook, LinkedIn und kununu. Am stärksten wachsend war Instagram. Nur 5 % der Unternehmen mit eigener HR-Abteilung nutzen gar keine sozialen Medien. Die Ziele, warum soziale Medien im Unternehmen eingesetzt werden, sind laut der »Social-Media-Personalmarketing-Studie 2018« der Hochschule RheinMain folgende: Unternehmensbekanntheit steigern bei potenziellen Mitarbeitern (77 %), Bewerbungen auf offene Stellen generieren (74 %) und Arbeitgebermarke aufbauen bzw. stärken (72 %). Erst auf dem vierten Platz und deutlich abgeschlagen finden wir »Unternehmensbekanntheit steigern bei potenziellen Kunden«. Mitarbeiterimage geht also in den Sozialen Medien vor Kundenimage.

Auf die Plattform kommt es an

Der 24-jährige Speaker und Digital Native Philipp Riederle hat einmal gesagt: »Frühere Generationen haben ihr Leben den Medien angepasst – meine Generation erwartet, dass sich die Medien ihr anpassen.« Und daher gilt es, als Unternehmen zu wissen, welche Plattformen derzeit »angesagt« sind und welche nicht.

Thomas Olbrich über die Wahl der richtigen sozialen Medien: »Entscheidend ist aus unserer Sicht eine ausgewogene Mischung. Wir als Arbeitgeber bespielen Facebook, Instagram, YouTube, Twitter, Pinterest und LinkedIn. Je nach Kanal produzieren wir entsprechenden Content, der die jeweiligen Interessen abdeckt: Auf der einen Seite wichtige Informationen über karriere.at als Arbeitgeber, untermauert mit Hard Facts; auf der anderen Seite holen wir dazu ergänzend die Menschen, die bei uns arbeiten, vor den Vorhang, betreiben authentisches Storytelling und bieten Soft Facts in den unterschiedlichsten Facetten. Je nach Branche, Ausrichtung und Ressourcen kann es aber auch reichen, nur eine Social-Media-Plattform zu bedienen.«

Rudi Bauer ergänzt: »Im Netz gibt es ungezählte soziale Kanäle – von Flickr über Pinterest und Foursquare bis hin zu Snapchat, Vine und Quora und noch viele mehr. Ich würde mich für das Recruiting vor allem auf die großen Social-Media-Kanäle konzentrieren: Facebook, Instagram, LinkedIn bzw. Xing, YouTube und vielleicht noch Twitter. Alles, was darüber hinausgeht, ist Fleißarbeit, führt aber nicht unbedingt zu besseren Resultaten. Denn: Auch wenn es auf Social Media eher lockerer und unkonventionell zugeht, heißt das nicht, dass ich in meiner Kommunikation mit Kandidaten nachlässig sein darf. User von heute erwarten sich mit Recht gut gemachten Content und Inhalte, die ihnen einen Mehrwert bieten. Das allein für ein oder zwei Social Media-Kanäle anzubieten, erfordert schon einiges an Aufwand – der exponentiell steigt, wenn noch mehr Plattformen bedient werden sollen.«

4 Grundsäulen

Ohne eine Social-Media-Strategie ist es schwierig, anzufangen und den drohenden Aufwand richtig abzuschätzen. Daher muss man im ersten Schritt vier Fragen beantworten: Was genau sind meine Ziele? Wen möchte ich erreichen? Auf welchen Plattformen möchte ich welche Inhalte kommunizieren? Wer ist für all das zuständig?
Man spricht auch von den 4 Grundsäulen der Social-Media-Strategie: Ziel, Zielgruppe, Kanal und Team.

Thomas Olbrich weiß, dass der Aufwand nicht unterschätzt werden darf: »Sie sollten immer vorab eruieren, welche Sozialen Medien relevant für das eigene Unternehmen sind und wie viele Ressourcen dafür zur Verfügung stehen. Einer der leider nach wie vor größten Fehler ist zu glauben, Social Media kann nebenher in zwei Stunden pro Woche gemanagt werden – betreut man solche Kanäle nämlich nur stiefmütterlich, kehrt sich das schnell in einen negativen Effekt um. Will man seine Kanäle professionell betreiben, braucht es auch entsprechende Ressourcen. Bei uns ist eine eigene Mitarbeiterin ausschließlich für Soziale Medien und Videocontent zuständig.«

Auch Rudi Bauer betont den Aufwand, der hinter einem professionellen Auftritt im Netz steckt: »Social Media ist mittlerweile ein Vollzeitjob, nichts, was man nebenbei laufen lässt. Wer seine Arbeitgebermarke erfolgreich und effektiv in sozialen Netzwerken vermarkten möchte, muss sich auch überlegen, in welchen Formaten er seine Inhalte am besten transportiert: Sagt ein Bild mehr als tausend Worte? Poste ich doch lieber ein Video? Oder lasse ich einen Mitarbeiter aus seinem Alltag erzählen und einen Blog schreiben? Aus diesen Überlegungen heraus erstellt bei uns ein fixes Redaktionsteam dann einen Redaktionsplan mit festgelegten Publikationszeiten, die auch eingehalten werden sollten. Nicht umsonst halten sich erfolgreiche Influencer heutzutage nahezu sklavisch an einen Zeitplan, der zwei bis drei Postings vorsieht – und zwar pro Tag.«

Ziele

Die angestrebten Ziele, die durch eine So­cial-Media-Kampagne erreicht werden können, sind vielseitig: von der Steigerung der Markenbekanntheit (sowohl der Produktmarke, als auch der Arbeitgebermarke) über Image bis hin zur ganz konkreten Ansprache von Kandidaten, z. B. über Xing oder LinkedIn. Das am häufigst genannte Ziel ist jedoch das Aufbessern des Arbeitgeberimages.

Rudi Bauer weiß, wie das konkret aussehen kann: »Auf Social Media können Arbeitgeber ideal ihre Soft Facts transportieren, also jene Wohlfühlfaktoren, die die Arbeit in einem Unternehmen ausmachen. Die harten Fakten kennt jeder aus den Stellenanzeigen, im Sozialen Netzwerk kommt es darauf an, sich von der menschlichen Seite zu zeigen und damit das Bild von sich als Arbeitgeber zu vervollständigen: Bilder vom letzten Betriebsausflug, dem Bürohund oder dem ›casual Friday‹ gewähren Kandidaten einen Blick hinter die Kulissen und machen aus gesichtslosen Unternehmen Arbeitgeber zum Angreifen. Zum anderen kann sich ein Arbeitgeber auf Social Media eine ›Fanbase‹ aufbauen, die laufend mit hochwertigem Content beliefert wird – und so zur Talent-Pipeline wird. Weniger sinnvoll ist es meiner Ansicht nach, bloße Jobpostings ohne Kontext einfach auf Social Media zu spiegeln. Dafür gibt es Jobportale, auf denen Kandidaten gezielt nach Stellen suchen.«

Social Media haben jedoch auch Grenzen, wie Thomas Olbrich erklärt: »Was Soziale Medien nicht ersetzen können, ist der persönliche Kontakt. Für den eigentlichen Bewerbungsprozess braucht es sowohl aus Gründen der Professionalität als auch der Wertschätzung – und natürlich aufgrund des Datenschutzes – E-Mail und in weiterer Folge das Telefon. Plattformen wie Facebook oder Instagram sind in erster Linie Medien, die uns mit Freunden verbinden und inhaltlich eher ins Freizeitumfeld passen. Es hat sich auch in Studien herausgestellt, dass Bewerber auf diesen Plattformen eher weniger von Arbeitgebern hinsichtlich Jobthemen angesprochen werden wollen, dafür gibt es andere, thematisch besser geeignete Medien. Und: Schlussendlich ist ein Face-to-Face-Jobinterview nach wie vor das Um und Auf.«

Zielgruppe

Egal, wie viel Geld und Zeit Sie in Ihren So­cial-Media-Auftritt investieren, wenn Sie die falsche Zielgruppe definiert haben und Sie nicht deren Interessen treffen, ist alle Mühe umsonst. Die einzelnen Plattformen müssen daher unterschiedlich bespielt werden. Um zu wissen wie, müssen Sie die Zielgruppe und die Erwartungen der Nutzer der jeweiligen Plattform genau kennen.

Thomas Olbrich erzählt, wie es bei karriere.at abläuft: »Für uns ist Instagram ein wichtiges Tool für Employer Branding: Wir zeigen dort authentische Einblicke in unseren Arbeitsalltag – egal ob beim Kochen mit Kollegen, bei kniffligen Projekten oder beim Afterwork-Sport. Das hat den positiven Effekt, dass Menschen uns als Arbeitgeber, als Marke, aber auch auf einer persönlichen Ebene als Kollegen kennenlernen. Damit kann man seine Unternehmenskultur viel besser veranschaulichen als mit ein, zwei trockenen Sätzen auf der firmeneigenen Website. Und wir bekommen von unseren Recruitern tatsächlich regelmäßig das Feedback, dass Kandidaten sich auch aufgrund dessen für uns als Arbeitgeber entschieden haben. Mit Facebook, YouTube, Twitter, Pinterest und LinkedIn erreichen wir die unterschiedlichsten Ziel- und daher die verschiedensten Bevölkerungs- und Altersgruppen und versorgen sie u. a. mit aktuellen Berichten über neueste Trends und Entwicklungen aus dem gesamten Spektrum des Karrierelebens.«

Rudi Bauer: »Jeder Kanal hat seine eigenen Anforderungen und Möglichkeiten, die leider derzeit oft nicht ausgenutzt werden. Wer etwa junge Nachwuchstalente erreichen möchte, hat mit einer Insta-Story oder einem Video auf YouTube oft bessere Chancen als auf Xing oder LinkedIn, wo sich eher erfahrene Fach- und Führungskräfte beruflich vernetzen wollen. Auf Facebook wiederum kann ich eine breite Fangemeinde aufbauen und mit gezieltem Targeting eine genau definierte Zielgruppe erreichen. Die Entscheidung für eine Plattform ist aber nur die eine Sache. Viel wichtiger ist es, sich in der Kommunikation gezielt auf eine oder zwei Kanäle einzustimmen und diese dann professionell und zielgruppenspezifisch zu bespielen. Denn nichts schreckt Kandidaten mehr ab als schlecht gemachte Kommunikations- und Recruiting-Kampagnen.«

Fazit
Erst wenn Sie die 4 Grundsäulen im Social-Media-Recruiting (Ziel, Zielgruppe, Kanal und Team) für sich und Ihr Unternehmen im Detail erarbeitet haben, ergibt es Sinn, in das Thema einzusteigen. Der Aufwand für ein professionelles Social-Media-Recruiting ist nicht zu unterschätzen und bedarf klar definierter Ressourcen.

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