Wechsel vom Lehr- ins Dienstverhältnis

Die Arbeitsrechtsexpertin Maria Schedle zeigt im nachstehenden Beitrag auf, worauf Arbeitgeber beim Wechsel vom Lehr- ins Dienstverhältnis zu achten haben.

Lehrlinge sind Arbeitnehmer im arbeitsvertraglichen Sinn, die für die Dauer ihrer Lehrzeit in einem gesetzlich geregelten Ausbildungsverhältnis zum lehrberechtigten Arbeitgeber stehen. Während des Lehrverhältnisses bezieht der Lehrling eine meist kollektivvertraglich geregelte Lehrlingsentschädigung, die als Entgelt im arbeitsrechtlichen Sinn zu qualifizieren ist.

Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung

Nach dem Ende der Lehrzeit hat der lehrberechtigte Arbeitgeber dem ausgelernten Dienstnehmer einen Arbeitsvertrag (zumindest) für die Dauer der gesetzlichen bzw. der kollektivvertraglichen Behaltezeit anzubieten. Der ausgelernte Arbeitnehmer kann das Angebot auf Weiterbeschäftigung – ohne Begründung – ablehnen und ist nach Ende der Lehrzeit nicht zum Dienstantritt verpflichtet.

Das Berufsausbildungsgesetz sieht die insofern nur für den Arbeitgeber verpflichtende Weiterverwendung des ausgelernten Lehrlings für die Dauer von drei Monaten vor. Hat der Lehrling bei einem Lehrberechtigten die für den Lehrberuf erforderliche Lehrzeit nur bis zur Hälfte absolviert, so reduziert sich die Verpflichtung des Lehrberechtigten zur Weiterbeschäftigung auf das halbe Ausmaß. Es handelt sich dabei um einen gesetzlichen Mindestanspruch des Lehrlings nach Beendigung der Lehrzeit. Einige Branchenkollektivverträge verlängern die gesetzlich geregelte Mindestdauer der Behaltepflicht. So sehen beispielsweise der KV für Arbeitnehmer im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe, der KV für Angestellte der Papierindustrie, der KV für Arbeitnehmer in der Elektro- und Elektronikindustrie oder der KV für Arbeitnehmer in der Mineralölindustrie eine längere Behaltefrist von sechs Monaten vor. Der KV für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben regelt eine fünfmonatige Weiterverwendung.
Während der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Behaltefrist ist der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers im erlernten Beruf im Vollzeitausmaß tatsächlich zu beschäftigen. Zweck der Behaltefrist ist es, dem ausgelernten Lehrling den Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern.

Befristung der Behaltefrist?

Die Behaltefrist bewirkt weder eine Verlängerung des Lehrvertrages noch führt sie zu einem automatischen Vertragsabschluss zwischen Arbeitgeber und dem ausgelernten Arbeitnehmer. Sie begründet aber einen Abschlusszwang des Lehrberechtigten zur Erfüllung der Mindestdauer der gesetzlich oder kollektivvertraglich geregelten Weiterbeschäftigung.

Der ausgelernte Lehrling hat – sofern der anzuwendende Kollektivvertrag keine gegenteilige Regelung vorsieht – keinen Anspruch auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Der Abschluss eines befristeten Vertrages für die Dauer der Behaltepflicht hat den Vorteil, dass die weitere Zusammenarbeit bis zum Fristablauf erprobt werden kann und die Entscheidung, ob eine weitere Beschäftigung angestrebt werden soll, bis zum Fristablauf getroffen werden kann.

Soll das unbefristete Dienstverhältnis mit dem Ende der Behaltefrist beendet werden, muss es unter Berücksichtigung der maßgebenden Kündigungsfristen und -termine rechtzeitig aufgekündigt werden. Allfällige Kündigungsschutzbestimmungen etwa nach dem Mutterschutzgesetz, Väterkarenzgesetz, Arbeitsplatzsicherungsgesetz oder dem Behinderteneinstellungsgesetz sind zu berücksichtigen. Wird eine Arbeitnehmerin während der Beschäftigung im Rahmen der Behaltefrist im unbefristeten Dienstverhältnis schwanger, endet zwar die Behaltefrist ungeachtet der Schwangerschaft gemäß den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen, die Arbeitnehmerin steht aber unter dem Kündigungsschutz des Mutterschutzgesetzes. Für den Fall, dass das Dienstverhältnis für die Dauer der Behaltefrist befristet abgeschlossen wurde, ist das Auslaufen der Befristung von der Meldung der Schwangerschaft bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes gehemmt, es sei denn, der Arbeitgeber kann nachweisen, dass das Dienstverhältnis aus sachlichen Gründen iSd § 10a Abs 2 MSchG befristet wurde (etwa weil aufgrund der besonderen Konstellation des Dienstverhältnisses eine längere Erprobung erforderlich war).

Praxistipp für die Vertragsgestaltung und Beendigung des Dienstverhältnisses:
Das dem Lehrling (spätestens) mit Beendigung seines Lehrvertrages vorzulegende Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages könnte wie folgt lauten: »Sehr geehrte Frau/sehr geehrter Herr, da Ihr Lehrvertrag demnächst ausläuft, bieten wir Ihnen eine Weiterverwendung in unserem Betrieb zu folgenden Bedingungen an: Zur Erfüllung der Verpflichtung zur Weiterverwendung gemäß § 18 BAG bzw. gemäß der anzuwendenden kollektivvertraglichen Bestimmungen wird für die Dauer der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Behaltefrist ein befristetes Dienstverhältnis abgeschlossen. Dieses beginnt am Tag nach dem Ende der Lehrzeit, also am xxx und endet mit Ende der gesetzlichen/kollektivvertraglichen Behaltefrist am xxx, ohne dass es einer Aufkündigung bedarf.«

Zu Beweiszwecken sollte das Angebot an den Arbeitnehmer zur Weiterbeschäftigung entweder nachweislich persönlich übergeben oder mit eingeschriebener Postsendung übermittelt werden. Eine ausdrückliche Ablehnung des Angebots durch den Arbeitnehmer sollte schriftlich dokumentiert werden.

Das befristete Dienstverhältnis endet also mit Fristablauf. Es bedarf keiner Kündigung. Wird das Dienstverhältnis dennoch nach Ablauf der Befristung faktisch fortgesetzt, geht das zunächst befristete Dienstverhältnis in ein unbefristetes Dienstverhältnis über. Um einer derart konkludenten Fortsetzung des Dienstverhältnisses vorzubeugen, empfiehlt sich eine schriftliche Auslaufmitteilung, die wie folgt lauten könnte: »Sehr geehrte Frau/sehr geehrter Herr, der guten Ordnung halber halten wir fest, dass das befristete Dienstverhältnis mit Ende der gesetzlichen/kollektivvertraglichen Behaltefrist am xxx endet und nicht verlängert wird.«

Arbeitsvertragliche Rechte und Pflichten während der Weiterverwendung

Der in ein Arbeitsverhältnis übernommene ausgelernte Lehrling hat – wie jeder Arbeitnehmer – einen Anspruch auf einen Dienstzettel, der die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis gemäß § 2 AVRAG schriftlich auflistet. Das Ende des Lehrverhältnisses und der Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ist der zuständigen Gebietskrankenkasse zu melden.

Entgelt bei Weiterverwendung

Während der Weiterverwendungszeit nach § 18 Abs 1 BAG bestimmt sich die Höhe des Entgelts nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Nach einer OGH-Entscheidung aus 2012 ist bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit im Sinne eines Lohnwuchers nach § 879 Abs 1 ABGB die getroffene Entgeltvereinbarung maßgebend, außer es wird ein in einer normativ anwendbaren lohngestaltenden Vorschrift festgelegtes Mindestentgelt unterschritten. Das bisher im Rahmen des Lehrverhältnisses in Form der Lehrlingsentschädigung bezahlte Gehalt kann nur dann beibehalten werden, wenn es die nach Abschluss der Lehre maßgebende kollektivvertragliche Mindestentlohnung nicht unterschreitet.

Kollektivvertragseinstufung

Der (ausgelernte) Arbeitnehmer muss nach Maßgabe der tatsächlichen Verwendung in das Lohn-/Gehaltsschema eines anzuwendenden Kollektivvertrages eingestuft werden. Es gibt Kollektivverträge, die die Einstufung während der Behaltefrist explizit regeln und eine geringere Entlohnung für diesen Zeitraum vorsehen. Enthält der anzuwendende Kollektivvertrag keine Sonderregelung für die Entlohnung ausgelernter Lehrlinge während der Behaltefrist, hat die Einstufung nach den allgemeinen Einstufungskriterien des Kollektivvertrages zu erfolgen, die in der Regel auf die Tätigkeitsmerkmale, auf den Inhalt der Arbeit und auf die tatsächlich vorwiegend ausgeübte Tätigkeit abstellen.
In der Praxis wird häufig die Frage gestellt, ob ein Arbeiter, der nach Absolvierung der gesamten Lehrzeit die für seinen Beruf vorgeschriebene Lehrabschlussprüfung (noch) nicht absolviert hat, nach Maßgabe der tatsächlich verrichteten Tätigkeit als »Facharbeiter« oder – mangels erfolgreicher Absolvierung der Lehrabschlussprüfung – als »Hilfsarbeiter« einzustufen ist.

Manche Kollektivverträge knüpfen explizit an formale Voraussetzungen, wie den Abschluss einer Lehrabschlussprüfung an und differenzieren beispielsweise zwischen Facharbeitern mit Lehrabschlussprüfung und Facharbeitern ohne Lehrabschlussprüfung.
Nach der Rechtsprechung gilt der Grundsatz, dass sich die Einstufung in eine bestimmte Verwendungsgruppe eines Kollektivvertrages nach den tatsächlich geleisteten Diensten richtet, nicht, wenn der Kollektivvertrag auch formale Voraussetzungen für die Einstufung ausdrücklich festlegt. Verwendet ein Kollektivvertrag den Begriff »Facharbeiter« ohne gleichzeitig zwischen Facharbeitern mit und Facharbeitern ohne Lehrabschlussprüfung zu differenzieren, sind laut einer Entscheidung des VwGH aus 2011 entsprechend der gesetzlichen Definition des Begriffs »Facharbeiters« nur jene Arbeitnehmer, die auch die Lehrabschlussprüfung erfolgreich bestanden haben, in die »Facharbeitern« vorbehaltene Beschäftigungsgruppe des Kollektivvertrages einzustufen.
In einer Entscheidung aus 2013 greift der VwGH eine zu niedrige Einstufung eines Arbeiters ohne Lehrabschlussprüfung nach Maßgabe des Kollektivvertrags für Bauindustrie und Baugewerbe auf und verweist auf eine Regelung in diesem Kollektivvertrag, wonach Arbeitnehmer, die zu Arbeiten herangezogen werden, die einem erlernten Beruf entsprechen, für die Dauer dieser Beschäftigung einen Anspruch auf den Lohn eines Facharbeiters haben, wenn ihre Arbeit, der eines Facharbeiters gleichkommt. Der VwGH stellt in dieser Entscheidung nur auf die Art der ausgeübten Tätigkeit, nicht aber darauf ab, ob die von den Arbeitern ohne Lehrabschlussprüfung erbrachte Arbeitsleistung in qualitativer Hinsicht der Arbeitsleistung der vergleichbaren Facharbeiter entspricht.
Aufgrund der hohen Strafen des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes, die bei einer falschen Einstufung drohen, sollte bei der Interpretation der oft auslegungsbedürftigen Kollektivvertragsbestimmung besonders umsichtig vorgegangen und die richtige Einstufung ein­gehend geprüft werden.

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Gastautorin
Maria Schedle
ist Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Arbeitsrecht und Partnerin der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
maria.schedle@sms.law
www.sms.at