Junge Kräfte führen lehren

Was ist das Besondere an der Entwicklung junger Führungskräfte? Was läuft bei deren Ausbildung anders ab als bei älteren Kollegen? Wie kommt man zu einem Gesamtkonzept? Wie lange dauern solche Programme? Was haben sie konkret zum Inhalt? Experten aus der Praxis beantworten diese und andere Fragen.

In diesem Artikel über Führungskräfte-Ausbildungen konzentrieren wir uns auf Programme für junge Führungskräfte. Dazu haben wir uns mit einigen Fragen an 4 Experten gewandt: Hubert Kohel (AVL-Institut, geschäftsführender Gesellschafter), Insa Meier (MDI, Training & Development Consultant), Brigitte Schaden (Projekt Management Austria, Vorstandsvorsitzende) und Clemens Widhalm (Dale Carnegie, Geschäftsführer).

Die gezielte Entwicklung von jungen Mitarbeitern zu Führungskräften ist ja etwas, das nicht einfach mit ein paar Seminaren erreicht werden kann. Ein Gesamtkonzept und ein gut geplanter Ablauf sind notwendig. Unsere erste Frage ist daher, wie man zu einem Gesamkonzept kommt: Wer erstellt diese Konzepte und Abläufe in der Praxis?

Brigitte Schaden: »Das ist abhängig von unterschiedlichen Faktoren – wie z. B. Größe, Internationalität, Unternehmenskultur, Finanzkraft. Ich bin der Meinung, dass eine Kombination aus internen und externen Fachkräften bei der Konzepterstellung und der Umsetzung wichtig ist. Die Unvoreingenommenheit, der zukunftsfokussierte Blick und die branchenübergreifende Expertise von außen sind enorm wichtig, um nicht immer im gleichen Fahrwasser zu bleiben.  Ohne internen Input geht es natürlich auch nicht. Aber auch hier gilt es, auf Diversität zu setzen und unterschiedliche Fachbereiche einzubinden. Ein Konzept zur Ausbildung von Führungskräften, das allein von der HR-Abteilung entwickelt und umgesetzt wird, wird ebenso am tatsächlichen Bedarf vorbei gehen wie ein Konzept, das nur von externen Anbietern erstellt wird.«

Über das Zusammenspiel der beiden sagt Hubert Kohel: »Die Konzepte sind, wie Entwicklungsleistungen in unserem Metier im Allgemeinen auch sein sollten, ein Kontraktgut zwischen Auftraggeber und externem Anbieter. Wie viel dabei wer einbringt, hängt von der Zielsetzung, der Zielgruppe und dem Know-how des Unternehmens ab. Bei der Entwicklung von jungen Mitarbeitern zu Führungskräften gibt es tendenziell weniger Vorgaben. Hier ist man als externer Anbieter aufgerufen, durch seine Erfahrung und seine Vorschläge zu punkten.«

Insa Meier ergänzt: »Es gibt auch Fälle, in denen die Konzepte komplett von den unternehmensinternen HR-Abteilungen aufgesetzt werden und erst dann ein Trainingsanbieter für die Umsetzung hinzugezogen wird. In anderen Fällen wird das Konzept gemeinsam mit dem externen Anbieter erarbeitet. Wichtig ist in jedem Fall, dass alle relevanten internen Stakeholder mit an Bord sind und die Initiative unterstützen.«

Clemens Widhalm differenziert nach Programmumfang: »Hier muss man unterscheiden: Werden einzelne Personen anlassbezogen entwickelt oder handelt es sich um ein strategisches Personalentwicklungs-Programm? In ersterem Fall wird der Anbieter das Maßnahmenpaket vor allem mit dem unmittelbar Vorgesetzten abstimmen. In zweiterem Fall spielt sicherlich HR eine zentrale Rolle, die unter Berücksichtigung der strategischen Prioritäten der Unternehmensführung das Programm gemeinsam mit einem oder auch mit mehreren Anbietern entwickelt.«

Brigitte Schaden bringt auch die Führungskräfteentwicklung im Projektmanagement ins Spiel, für die – was die Konzepterstellung betrifft – ein bisschen etwas anderes gilt, meist fehle es nämlich am Bewusstsein: »Leider ist in vielen Firmen und HR-Abteilungen das Wissen über die notwendigen Kompetenzen von Projektmanagern noch immer sehr rudimentär. Auch die Aufgabe von Projektmanagern ist vielen HR-Abteilungen noch nicht wirklich bewusst. Viele sehen Projektmanager noch immer als Verwalter von Projekten, statt als das was sie sind: Führungskräfte! Deshalb gibt es auch in vielen Unternehmen noch immer viel zu selten bewusst etablierte Karrierewege für Projektmanager und die dazu entsprechenden Entwicklungskonzepte. Unterstützung von externen Experten ist daher gerade im Bereich der Projektmanagement-Karrieren wichtig.«

Wie lange dauern Programme zur Entwicklung junger Führungskräfte?

Hubert Kohel: »Geht man von einer Mindestzahl von Modulen zur Vermeidung von Einmaleffekten aus, so kann man sagen: mindestens 6 Monate bis knapp 2 Jahre bei intensiven Akademiemodellen. Das hängt also von der Anzahl der Module und den Begleitmaßnahmen ab, für die man sich entscheidet.«

Clemens Widhalm sieht das ähnlich: »Für junge Führungskräfte geht es nicht nur darum, Management-Handwerkszeug zu erwerben, sondern auch ein neues Selbstverständnis für die Rolle und neue Gewohnheiten im Joballtag zu entwickeln. Das braucht seine Zeit – erfahrungsgemäß zwischen 3 und 9 Monaten.«

Insa Meier unterscheidet nach der Aufgabenstellung: »Die Dauer hängt von den Zielen ab, die das Unternehmen mit einem Programm verfolgt und davon, wie viel Zeit und Budget eine Organisation investieren will und kann, um ihre Mitarbeiter zu fördern. Es gibt Programme, für die Teilnehmer für mehr als ein Jahr von ihrer aktuellen Position freigestellt werden. Dazu können dann noch zwei Auslandsentsendungen und eine Projektarbeit kommen. Die Teilnehmer sind also wirklich sehr gefordert in dieser Zeit. Auf der anderen Seite gibt es auch eher kurze Inputs mit einem höheren Fokus auf »On-the-job-Learning« mit nur zwei Modulen im Abstand von wenigen Monaten.

Egal, ob intensives Jahresprogramm oder fallweise Inputs – die Maßnahmen müssen gut aufgesetzt sein und zur Organisation und ihren Zielen passen, damit sich die Investition lohnt. Hilfreich ist dabei in der Analyse beispielsweise die Evaluierung nach Kirkpatrick.«

Brigitte Schaden bezieht sich wieder auf das Projektmanagement: »Lebens- und Berufserfahrung sowie soziale Kompetenz sind für erfolgreiche Projektmanager neben dem theoretischen PM-Know-how das Um und Auf. Das bedeutet aber nicht, dass man erst ab einem bestimmten Alter oder einer bestimmten Anzahl an Berufsjahren mit dem Projektmanagement beginnen kann. Nur die Größe und Komplexität der Projekte, die Projektmanager leiten und umzusetzen haben, sollten der Erfahrung entsprechend sein.« Wie lange dauert es also, bis man Projekte der nächst größeren Komplexitätsstufe leiten kann? Brigitte Schaden: »Durchschnittlich vergehen 3 bis 5 Berufsjahre, um die nächste Stufe des Karrierepfades erreichen zu können.«

Zurück zu den jungen Führungskräften. Ganz wesentlich für ein Unternehmen ist ja auch die Auswahl derer, die die Entwicklungsprogramme durchlaufen sollen bzw. dürfen. Unsere nächste Frage lautet daher: Wie soll ein Unternehmen bestimmen, wer daran teilnimmt? Wer entscheidet das – nach welchen Kriterien?

Clemens Widhalm: »Die beiden Treiber sind der Bedarf und das Potenzial. Der Bedarf sollte im Rahmen einer Nachfolgeplanung bzw. einer Vertretungsregelung geklärt werden. Das Potenzial junger Talente kann einerseits durch Bewerbungen der Kandidaten selbst, durch einschlägige Assessments oder durch Nominierungen von Vorgesetzten ermittelt werden. Es müssen nicht unbedingt die besten Fachexperten sein.«

Insa Meier erklärt das ein bisschen ausführlicher: »Da gibt es verschiedene Optionen. Teilweise erfolgt die Auswahl auf Basis von Nominierung durch die Führungskraft oder durch HR. Manche Unternehmen setzen dann Development-Center oder Auswahlgespräche ein, um die nominierten Kandidaten besser kennenzulernen. Ich persönlich finde es immer gut, wenn die potenziellen Kandidaten sich selbst für ein Programm bewerben können. Damit ist ein gewisser Level von Commitment und Interesse von Anfang an sichergestellt. Oft ist die Teilnahme an einem Führungskräfteprogramm etwas, das zeitlich ›on top‹ zu den normalen Verantwortlichkeiten dazu kommt. Da hilft es, wenn die Teilnehmer das auch wirklich wollen und proaktiv angehen.«

Hubert Kohel hebt die Bedeutung der Selektion hervor: »Die Auswahl der Beteiligten ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Entwicklungsmaßnahme. Eine Nennung durch einen Vorgesetzten sollte Pflicht sein, wobei ein definiertes Anforderungsprofil vom Kandidaten zu erfüllen ist. Die Durchführung eines Development-Centers kann ebenfalls als Auswahlhilfe herangezogen werden. Dabei ist jedoch im Vorfeld zu definieren, welche Entwicklungsmaßnahmen mit denjenigen Kandidaten getroffen werden, die dann nicht zum Zug kommen. Die richtige Durchführung eines Development-Centers ermöglicht jedenfalls den Teilnehmern, gezielt persönliche Entwicklungspotenziale festzustellen, um diese dann durch die Entwicklungsmaßnahme zu fördern.«

Brigitte Schaden erklärt die Auswahl neuer Projektmanager: »Fix ist: Unternehmen brauchen für eine erfolgreiche Zukunft die nächste Generation an Projektleitern. Deshalb sollten sich sowohl die Geschäftsführung, aber v. a. auch HR verstärkt mit dem Thema Nachwuchsförderung von Projektmanagern auseinandersetzen. Dafür unbedingt notwendig ist, ihr eigenes Wissen über Projektmanagement zu erweitern! Denn leider ist der Wissensstand häufig noch immer zu gering, um gezielt Nachwuchsförderung für das eigene Unternehmen zu forcieren. Ein erster Schritt zur Wissenserweiterung wären die ICB (Individual Competence Baseline) der IPMA und die pm baseline durchzulesen – beide Publikationen stellen wir kostenlos zum Download auf unserer Website zur Verfügung. In beiden wird sehr genau auf die Aufgaben und erforderlichen Kompetenzen im Projektmanagement eingegangen.«

Im Vordergrund der Planung stehen natürlich auch die Fähigkeiten, die zukünftige Führungskräfte erlernen bzw. sich aneignen sollen. Daher lautet unsere nächste Frage: Welche Inhalte haben Entwicklungs-Programme für junge Führungskräfte?

Insa Meier: »Ein wichtiger Schritt ist immer der vom Kollegen zur Führungskraft, da sich dabei Rolle und Verantwortlichkeiten stark verändern. Besonders bei jungen Führungskräften, die oft einen eher lockeren Umgang haben und wenig hierarchieorientiert sind, ist es wichtig, dass die Teilnehmer auf diesen Schritt und die damit einhergehenden Veränderungen gut vorbereitet sind. Hier hat es natürlich einen großen Einfluss, ob die Teilnehmer sich in einem eher traditionellen oder agilen Umfeld bewegen. Auch das wird im Programm reflektiert, um sich der eigenen Rolle noch mehr bewusst zu werden. Gleichzeitig ist es auch wichtig, bei sich selbst zu beginnen. Nur wer sich selbst führen kann, kann schließlich auch andere führen. Daher ist das Thema Selbstmanagement in unseren Trainings für junge Führungskräfte häufig die Basis für alles weitere.«

Clemens Widhalm rückt die Kompetenzen in den Fokus: »Entscheidender als die Auflistung von Inhalten ist der tatsächliche Erwerb von Kompetenzen und damit eine erfahrungsorientierte Trainingsmethodik. Nur dann werden Führungskräfte bei Themen wie Mitarbeitergespräche, Coaching, Kritikgespräche, Moderation von Meetings, Delegation etc. tatsächlich im Joballtag einen Unterschied machen.«

Hubert Kohel bezieht sich wieder auf die Aufgabenstellung: »Auch die Inhalte hängen von der Zielsetzung ab. Generell sollte das Programm auf Führungs- und Leadershipgrundlagen, Kommunikation und bestimmte Arbeitstechniken abgestimmt werden. Übungen und Inhalte sind mit unternehmenseigenen Tools abzustimmen.«

Und als letzte Frage: Was konkret unterscheidet die Entwicklungsprogramme für junge Führungskräfte von jenen für ältere?

Clemens Widhalm: »Bei erfahreneren Führungskräften wird es andere Zielsetzungen geben, wie z. B. neue strategische Initiativen, Veränderung der Unternehmenskultur oder auch ganz spezifische Aspekte individuelle Personen betreffend. Entsprechend vielfältige Ausprägungen für Programme gibt es auch.«

Auch Brigitte Schaden konzentriert sich in ihrer Antwort auf die ältere Generation: »Bei älteren Führungskräften und Projektmanagern sind zweifelsohne das Ent-Lernen und das Loslassen von alten, überholten Anschauungen wichtige Aspekte. Erst durch das Befreien von altem Wissen kann sich neues Wissen entfalten, durchsetzen und wirksam werden.«

Insa Meier erläutert die Bedürfnisse der jungen Generation: »Lernen soll und darf auch Spaß machen. Diese Trainings sind häufig in schnellen Sequenzen getaktet. Lernen passiert viel im Alltag, ständig und nebenbei. Wir nutzen hier auch diverse zeitgemäße Lernzugänge wie eine Online-Lerntransferplattform, die ähnlich wie Facebook funktioniert und auf der zum Beispiel kurze Videoclips mit Inhalten gepostet werden. Die Teilnehmer können sich auf der Plattform vernetzen, Erfahrungen teilen und mit dem Trainer in Kontakt bleiben. Wer heute neue Führungskraft wird, ist oft schon ›Digital Native‹, was dazu führt, dass das Interesse an technischen Hilfsmitteln wie z. B. Apps zur Selbstorganisation oft noch viel höher ist als bei ›älteren‹ Führungskräften. Allgemein haben neue Führungskräfte oft weniger Berufserfahrung, gleichzeitiges Fordern und Fördern ist sehr wichtig.

Auch bei der Trainerauswahl gilt es Besonderheiten zu beachten. Die Teilnehmer wünschen sich einen jungen dynamischen Entwicklungspartner, dem sie auf Augenhöhe begegnen können.«

Hubert Kohel ergänzt zusammenfassend: »Die Programme für junge Mitarbeiter und Führungskräfte sind stärker auf das Lernen konzentriert und durch starke Unterstützung im Transfer gekennzeichnet. Bei Führungskräften mit mehr Erfahrung stehen die Reflexion und der Erfahrungsaustausch im Vordergrund. Ähnlichkeiten in der Konzeption ergeben sich dann, wenn es um gänzlich Neues geht – wie z. B. ›Agiles Management‹ – auch hier geht es dann darum, die Experten ins Tun zu bringen.«

Fazit

Ausbildungen und Programme für junge Führungskräfte sollten inhaltlich und didaktisch auf die Bedürfnisse der jungen Generation abgestimmt werden. Da gibt es schon in der Konzeptphase einiges zu berücksichtigen. Dieses Konzept kann je nach Unternehmensgröße und Programmumfang entweder von der HR-Abteilung oder von externen Anbietern erstellt werden. In den meisten Fällen wird eine Kombination aus diesen beiden den größten Erfolg bringen.

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