Konflikte am Arbeitsplatz gehören zu den unvermeidlichen Herausforderungen, mit denen Führungskräfte und HR-Manager konfrontiert sind. Ihre Bewältigung erfordert Verständnis, Fingerspitzengefühl und effektive Strategien.
Konflikte am Arbeitsplatz können vielfältige Ursachen haben. Oft liegen sie in Kommunikationsproblemen, Missverständnissen oder unterschiedlichen Erwartungen begründet. Dazu kommt, dass das Organisationsklima eine wesentliche Rolle spielt, sowohl bei der Entstehung als auch bei der Lösung von Konflikten. Um diese besser zu managen, ist es für Führungskräfte und HR-Manager wichtig, die häufigsten Ursachen zu kennen, Anzeichen frühzeitig zu erkennen und ein positives Umfeld zu schaffen, das Konflikte minimiert. Konfliktmanagement am Arbeitsplatz ist daher ein wichtiger Prozess, der darauf abzielt, Konflikte unter Mitarbeitern oder zwischen Mitarbeitern und Management auf eine Art und Weise zu lösen, die konstruktiv und positiv für das Arbeitsumfeld ist. Effektives Konfliktmanagement am Arbeitsplatz führt nicht nur zu einer besseren Arbeitsatmosphäre, sondern kann auch die Produktivität steigern, die Mitarbeiterbindung verbessern und das allgemeine Wohlbefinden der Belegschaft fördern.
Im Jahr 2009 führte die Beratungsgesellschaft KPMG eine detaillierte Untersuchung der Kosten, die durch Konflikte in Unternehmen entstehen, durch. Diese Studie identifizierte hauptsächlich drei Bereiche, in denen Konflikte finanzielle Auswirkungen haben:
- Personalbezogene Kosten: Mitarbeiterwechsel, Krankheitsfälle, kontraproduktives Verhalten sowie Fluktuation.
- Teambasierte Kosten: Probleme in Projekten und der Verlust von Aufträgen.
- Organisatorische Kosten: Kosten durch zu viel oder zu wenig Regulierung, Probleme mit Anreiz- und Motivationssystemen sowie Kosten, die durch arbeitsrechtliche Maßnahmen entstehen.
Einige der auffälligsten Ergebnisse waren:
- Unternehmen verwenden 10 bis 15 % der Arbeitszeit für die Bewältigung von Konflikten.
- Die Gesamtkosten, die durch Konflikte verursacht werden, belaufen sich regelmäßig auf 20 % der Personalkosten.
- Führungskräfte verbringen 30 % bis 50 % ihrer Arbeitszeit entweder direkt oder indirekt mit der Lösung von Konflikten oder deren Folgen.
- Betriebliche Konflikte führen zu Abwesenheit durch Krankheit, bedingt durch Arbeitsplatzängste und Mobbing, sowie zu Kosten durch Mitarbeiterwechsel, Abfindungen und Gesundheitsausgaben.
- Ein Viertel des Umsatzes hängt von der Qualität der internen Kommunikation ab.
Die häufigsten Ursachen
Die Identifizierung und das Verständnis der Ursachen von Konflikten am Arbeitsplatz sind entscheidende Schritte, um effektive Lösungsstrategien zu entwickeln. Durch proaktive Kommunikation, die Förderung von Verständnis und Respekt unter den Mitarbeitern sowie eine faire und transparente Handhabung von Veränderungen können Führungskräfte und HR-Manager ein unterstützendes und konfliktarmes Arbeitsumfeld schaffen. TRAiNiNG hat bei Experten nachgefragt, was Sie als häufigste Ursachen von Konflikten identifiziert haben.
Schien Ninan (geschäftsführender Gesellschafter von HPS): »Unzufriedenheit und Frust lange auszuhalten ist der Nummer 1 Grund für Konflikte am Arbeitsplatz. Wenn Feedback selten, zu spät und in einer nicht angemessenen Art kommuniziert wird, fördert das Konflikte. In einer solchen Kultur wird Feedback als Bedrohung gesehen und mit Ablehnung begegnet. Die Ursachen für Frust und Unzufriedenheit bleiben bestehen.«
Sabine Prohaska (Geschäftsführung seminarconsult Prohaska): »Eine der häufigsten Ursachen sind Kommunikationsprobleme. Oftmals entstehen Konflikte, weil Informationen unklar, unvollständig oder missverständlich kommuniziert werden. Aber auch das Thema Diversität ist eine häufige Konfliktursache. Sie ist in Arbeitsumgebungen enorm wertvoll, führt jedoch auch dazu, dass Menschen mit unterschiedlichen Werten, Glaubenssätzen und Arbeitsstilen aufeinandertreffen. Unklarheiten in den Arbeitsrollen und -verantwortlichkeiten können ebenso zu Konflikten führen, wenn Mitarbeiter nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird, oder wenn Überschneidungen in den Zuständigkeiten existieren. Das Empfinden von Ungerechtigkeit führt auch häufig zu Spannungen. Und gerade in den letzten Jahren habe ich mit Konflikten zu tun, die durch organisationale Veränderungen entstanden sind.«
Monika Herbstrith-Lappe (Trainer und Speaker) kann die Gründe und Ursachen von Konflikten auf Basis der Neurobiologie verständlich erklären: »Durch die Dynamik und den daraus resultierenden Zeitdruck sowie noch mehr durch die zunehmende Komplexität und Ungewissheit steht die Stressfalle weit offen. Stress reduziert einerseits in unserem Gehirn die Fähigkeit der Emotionsregulierung und Impulskontrolle. Dadurch wird die Kommunikation aggressiver. Andererseits dienen Hirnregionen, die sonst zur Vernunft genutzt werden, zunehmend einer verfeinerten Wahrnehmung. D. h. auf der einen Seite wird der Ton rauer und auf der anderen Seite die ›Haut dünner‹. Dinge, die wir normalerweise gelassen hinnehmen können, werden unter Stress zum Drama. Auch das hat etwas mit unseren archaischen Hirnstrukturen zu tun: Im Stress sinkt der Serotoninspiegel, der unsere Emotionen dämpft. Wenn wir uns nicht nur wenig fürchten, sondern wirklich Angst haben, fliehen wir entschlossener. Wenn wir nicht etwas verärgert sind, sondern richtig wütend, kämpfen wir mutiger.«
Anzeichen rechtzeitig erkennen
Die Fähigkeit, Konfliktsignale frühzeitig zu erkennen, ist ein wichtiger Faktor für die Verhinderung von Eskalationen und die Aufrechterhaltung eines positiven Arbeitsklimas. Früherkennung ermöglicht es Führungskräften und HR-Managern proaktiv zu handeln und Lösungen zu implementieren, bevor Konflikte tiefer gehende Auswirkungen haben.
Monika Herbstrith-Lappe: »Am meisten Zeit kosten die Gespräche, die man versäumt hat zu führen. Ich empfehle daher, das Gespräch zu suchen, bevor man vom Konflikt gefunden wird. Weit offen steht die ›Eh-klar‹-Falle der Kommunikation. Mir ist es so klar, dass ich fix davon ausgehe, dass es auch für die anderen so sein muss. Wir schaffen es tatsächlich immer wieder, zu vergessen, dass andere wirklich anders sind, weil sie andere Erfahrungen gesammelt haben, sie andere Ziele verfolgen und ihnen dabei andere Werte wichtig.«
Sabine Prohaska: »Um die Anzeichen frühzeitig zu erkennen, braucht es eine Kombination aus aufmerksamer Beobachtung, offener Kommunikation und einem Verständnis für die Dynamik innerhalb eines Teams oder einer Organisation. Hier sind einige Schlüsselindikatoren:
- Eine plötzliche Veränderung in der Art, wie Personen miteinander kommunizieren, oder eine Änderungen im Verhalten, wie erhöhte Reizbarkeit, sichtbare Frustration oder eine defensivere Haltung.
- Wenn ein Mitarbeiter beginnt, sich von Teammeetings oder gemeinschaftlichen Aktivitäten zurückzuziehen.
- Eine Zunahme von Beschwerden, sei es über Arbeitsbedingungen, Kollegen oder Managemententscheidungen.
- Ein unerklärlicher Rückgang in der Leistung eines Mitarbeiters oder Teams.
- Oft manifestieren sich Konflikte auch durch körperliche Anzeichen bei den Beteiligten, wie sichtbare Anspannung, Erschöpfung oder sogar eine Zunahme von Krankenständen.«
Sabine Prohaska erzählt von einem Beispiel aus ihrer Beratungspraxis: »Ich erinnere mich an eine Moderation zwischen einer Führungskraft und einer Angestellten. Die Angestellte brachte dabei den Wunsch vor, ein ›echtes‹ Lob zu erhalten, ein Wunsch, der bei dem Chef auf Unverständnis stieß. Er war der Überzeugung, sie regelmäßig zu loben. Bei ihr kam dieses Lob jedoch nicht in der gewünschten Form an. Er ärgerte sich über ihre Reaktion: ›Das ist dann dein Problem, wenn das Lob nicht ehrlich bei dir ankommt!‹ Während der Moderation arbeiteten wir heraus, was die Angestellte unter einem ›echten‹ Lob verstand und woran sie dieses erkennen könnte. Sie kam dabei zur Erkenntnis, dass die Lobesworte ihres Vorgesetzten stets per E-Mail übermittelt wurden, beginnend mit Anerkennung für vollbrachte Arbeit, jedoch unmittelbar gefolgt von der Zuweisung einer neuen Aufgabe. Dies führte bei ihr zum Eindruck, das Lob sei lediglich ein Mittel, um sie für weitere Aufgaben zu motivieren. Ihr Wunsch war es, Anerkennung zu erfahren, ohne dabei sofort mit neuen Erwartungen konfrontiert zu werden. Diese Einsicht ermöglichte es, die unterschiedlichen Auffassungen von ›echtem‹ Lob aufzuklären und zu einer gemeinsamen Verständnisgrundlage zu gelangen. Für die Führungskraft war es eine wertvolle Erkenntnis, dass echte Anerkennung nicht nur in der Übermittlung positiven Feedbacks besteht, sondern auch im Verständnis und in der Anerkennung der individuellen Bedürfnisse und Wahrnehmungen der Mitarbeiter.«
Auch Monika Herbstrith-Lappe hat ein anschauliches Beispiel: »In einem Unternehmen ist es immer wieder zu Konflikten bzgl. der Reisespesenabrechnung gekommen. Als diese wieder einmal eskaliert sind, hat man sich die Mühe gemacht, diesem Thema auf den Grund zu gehen. Die Vertriebstechniker hatte eine ganz klare Regelung, wie Reisespesen zu kalkulieren sind. Die Realisierungstechniker hatten ebenso eine ganz klare Regelung, wie Reisespesen abzurechnen sind. Das Blöde darin: Die beiden Regelungen haben einander widersprochen. Das zeigt, dass konstruktiv geregelte Konflikte, die dann zu Entscheidungen und gemeinsamen Vereinbarungen führen, die Organisation weiterbringen.«
Organisationsklima
Das Organisationsklima spielt eine zentrale Rolle sowohl bei der Entstehung als auch bei der Lösung von Konflikten am Arbeitsplatz.
Sabine Prohaska: »Es geht dabei um die Atmosphäre innerhalb einer Organisation, die durch die gemeinsamen Einstellungen, Werte, Verhaltensnormen und die Art der zwischenmenschlichen Beziehungen geprägt wird. Dieses Klima beeinflusst maßgeblich, wie Mitarbeiter und Führungskräfte, aber auch Mitarbeiter untereinander, interagieren, Konflikte wahrnehmen und auf diese reagieren. In einem offenen Klima, in dem Mitarbeiter ermutigt werden, ihre Meinungen und Bedenken frei auszudrücken, können Missverständnisse und Konflikte oft frühzeitig identifiziert und adressiert werden. Anderenfalls können Probleme unter der Oberfläche schwelen und eskalieren.«
Monika Herbstrith-Lappe: »Konstruktiv geregelte Konflikte vertiefen die Beziehung. Der Volksmund spricht vom ›Zusammenstreiten‹. Sturmerprobte Beziehungen beruhen auf der guten Erfahrung, auch wenn einmal Interessen aufeinanderprallen, finden wir einen guten Weg wieder zusammen zu finden. Teuflisch hingegen ist die Konfliktvermeidung, die in Wirklichkeit Lösungsvermeidung ist, weil ja der Konflikt bestehen bleibt. Auf Dauer führt das zur Depression, die das Gegenteil von Expression ist.«
Lösungsmöglichkeiten
Die Lösung von Konflikten erfordert ein systematisches Vorgehen, das auf Verständnis, Kommunikation und Kooperation basiert.
Schien Ninan: »Entscheidend ist, dass Ihre Führungskräfte eine positive Feedback-Kultur im Unternehmen vorleben. Nur wenn Ihre Führungspersönlichkeiten Feedback fair, regelmäßig und zeitnah kommunizieren, werden Mitarbeiter Kritik als Entwicklungschance sehen und wertschätzen. Leider erleben wir immer wieder, dass in genau diese Kompetenz zu wenig investiert wird. Dabei ist gerade die Fähigkeit, schwierige Gespräche zu einem positiven Ergebnis zu führen, besonders wichtig. Sie steigert die beidseitige Zufriedenheit und schafft Vertrauen.«
Monika Herbstrith-Lappe: »Gefragt ist ein Perspektivenwechsel für mehr Lösungsmöglichkeiten. Denn Konflikte haben zu Unrecht so ein negatives Image. Dass es Konflikte gibt, ist wertvoll. Das spricht für die Lebendigkeit der Organisation. Wie man mit Konflikten umgeht ist entscheidend. Wenn Interessen aufeinanderprallen, dann gilt es diese zu verhandeln. Das bringt die Handlung voran. Ähnlich appelliert auch der amerikanische Psychologe Robert Kegan: ›Betrachte Konflikte immer als Aufeinanderprallen von Ideen, nicht von Menschen.‹ Die wichtigste Konfliktmanagementkompetenz ist die Dialogfähigkeit, die auf der Bereitschaft beruht, sich mit den Sichtweisen und Interessen des Gegenübers zu befassen.«
Um Konflikte schneller und produktiver zu lösen, gibt es Seminare zum Thema Konfliktmanagement. Aber müssen wir das wirklich lernen? Ist das nicht eine Fähigkeit, die Menschen im täglichen Leben ohnehin entwickeln?
Sabine Prohaska: »Konfliktkompetenz ist in der Tat eine Fähigkeit, die Menschen in verschiedenen Lebensbereichen wie Familie, Schule oder Freizeitaktivitäten einsetzen und entwickeln. Diese alltäglichen Erfahrungen tragen zur Entwicklung grundlegender Konfliktlösungsfähigkeiten bei. Allerdings gibt es mehrere Gründe, warum eine vertiefte Auseinandersetzung mit Konfliktkompetenz in einem professionellen Rahmen, wertvoll und notwendig ist: Konflikte am Arbeitsplatz können besonders komplex sein, da sie eine Mischung aus interpersonalen, strukturellen und organisationalen Faktoren umfassen. Seminare können spezifische Strategien und Werkzeuge vermitteln, um mit der Komplexität beruflicher Konflikte effektiv umzugehen. Seminare bieten die Möglichkeit, Strategien aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und von den Erfahrungen anderer zu lernen. Dies kann helfen, eigene blinde Flecken zu erkennen und das Repertoire an Konfliktlösungskompetenz zu erweitern. Außerdem können die Teilnehmenden lernen, besser mit eigenen Emotionen umzugehen und ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern.«
Fazit
Konflikte haben vielschichtige Ursachen, darunter Kommunikationsprobleme, Missverständnisse, Diversitätsfragen und organisationale Veränderungen. Diese führen nicht nur zu persönlichen Belastungen, sondern haben auch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen, indem sie Zeit und Ressourcen binden, die Produktivität mindern und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen. Die Bewältigung von Konflikten am Arbeitsplatz erfordert eine kontinuierliche Anstrengung, die auf Verständnis, Respekt, offener Kommunikation und kooperativem Engagement basiert.