Bildung: Starthilfe und Mutmacher

Wie Fachkräftemangel in Kindergärten und ukrainische Vertriebene durch Weiterbildung zusammentreffen und neue Perspektiven schaffen.

In Österreich herrscht ein drastischer Mangel an qualifiziertem Kindergartenpersonal. Die steigende Beschäftigungsquote bringt das System weiter unter Druck. Gleichzeitig erreichen, dem Krieg geschuldet, Pädagogen aus der Ukraine mit viel Erfahrung unser Land. Sie sind mehr als willig, hier auch Fuß zu fassen und zu arbeiten.

Hier treffen Angebot und Nachfrage passend zusammen: Vertriebene oder geflüchtete Frauen aus der Ukraine mit Elementarpädagogik-Hintergrund sollen in Wiener Kindergärten Fuß fassen, wo zunehmender Mangel an qualifizierten Fachkräften besteht. Dafür notwendig ist der Erwerb von guten Deutschkenntnissen und Praxisluft, um die Abläufe im Kindergarten kennenzulernen.

Diese beiden Zutaten kann ipcenter hinzufügen: Seit 20 Jahren trägt das Bildungsunternehmen täglich zur Verbesserung der Sprachkenntnisse von über 1 000 Kursteilnehmern bei und führt sie zur entsprechenden Zertifizierungsprüfung (ÖSD bzw. ÖIF). Außerdem kooperiert ipcenter mit Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien, bietet Berufsorientierung im Berufsfeld Elementarpädagogik an und bereitet geeignete Kandidaten auf die jeweiligen Aufnahmeverfahren vor.

Es musste rasch gehandelt werden: Zwei Monate nach der Anfrage startete Anfang Juli ein neues Projekt, das von der MA17 (Magistratsabteilung für Integration und Diversität) koordiniert wird. Im Auftrag vom AMS Wien führt ipcenter den Kurs durch: Deutsch für aus der Ukraine vertriebene Elementarpädagogen. Wie ist das Projekt aufgebaut, welchen Herausforderungen und Chancen begegnen Mitarbeiter bei der Umsetzung?

Wie Weiterbildung sowohl Starthilfe als auch Mutmacher im neuen Leben wird, erzählt Irina Janka, Trainer und Sozialpädagoge bei ­ipcenter, die den Kurs nicht nur administrativ begleitet, sondern auch aktiv mit den Teilnehmern arbeitet.

In einer neuen Heimat Fuß fassen: eine bekannte Situation

Irina Janka ist selbst aus Lettland 2006 nach Österreich gezogen, wo sie auch ihre beiden Söhne zur Welt gebracht hat. Ihren ersten Job in Österreich nimmt sie 2016 bei ipcenter an und arbeitet seitdem im Themenfeld Sprachkompetenz Deutsch mit. Beim Elementarpädagogik-Kurs für vertriebene Ukrainer kümmert sich Irina in erster Linie um die Administration. Aber auch in die Rollen als Arbeitscoach und sozialpädagogische Betreuer1 schlüpft sie bei diesem Projekt. Sie unterstützt die Teilnehmer in Privatangelegenheiten und hat stets ein offenes Ohr für ihre Bedürfnisse. Irinas persönlicher Background macht dieses Projekt zum Herzensprojekt: »Generell ist es für mich schön, mit Menschen zu arbeiten: Man bekommt sofort Rückmeldungen, und auch die Dankbarkeit zu erleben, finde ich sehr aufbauend.«

In einer neuen Heimat Fuß zu fassen, bedeutet auch, sich auf neue Gegebenheiten anpassen zu können. »Dabei können wir als Bildungsunternehmen helfen: Weiterbildung ist eine Notwendigkeit für uns und unser Leben. Es ändert sich ständig etwas, es kommt immer etwas Neues. Und Weiterbildung gibt uns auch die Möglichkeit, das, was wir machen, besser zu machen«, erzählt Irina Janka.

Kursinhalte als Starthilfe im »neuen« Leben

Der Bedarf an Elementarpädagogen in Österreich ist groß. Zusätzlich befinden sich seit der Ukraine-Krise auch vermehrt Kinder mit ukrainischen Wurzeln in Kindergärten, die sich über Betreuer aus der Heimat freuen: »Die Ukrainer können die Kinder bedarfsgerecht unterstützen, auch kommunikativ«, erklärt Irina. »Der Elementarpädagogikkurs ist so aufgebaut, dass die Ukrainer an drei Tagen pro Woche einen Deutschkurs besuchen, bei dem sie sich, mit thematischem Fokus auf ihren Beruf, Deutschkenntnisse aneignen. An den anderen beiden Tagen absolvieren die Kursteilnehmer ein Praktikum in den Kindergärten der Stadt Wien, der St. Nikolausstiftung, der Kinder in Wien, der Diakonie oder der Kinderfreunde«, erzählt Irina und weiter: »Durch die Praktikumstage können sie ihre Kenntnisse gleich umsetzen.« So können Theorie und Praxis gut vereint werden.

»Die Teilnehmer sind sehr motiviert und ehrgeizig, sie haben ein Ziel vor Augen«, freut sich Irina Janka. Ziel des Kurses ist, »dass die Kursteilnehmer einen Job finden oder zumindest eine Beschäftigung im Bereich Elementarpädagogik«, ergänzt sie. Aber auch das österreichische Elementarpädagogik-Modell kennenzulernen, das sich in einigen Punkten vom ukrainischen unterscheidet, und mit der österreichischen Mentalität und dem System hierzulande vertraut zu werden, sind Ziele dieses Kurses.

Herausforderungen, die in keinem Kurs-Curriculum vorkommen

Manche Herausforderung, denen die Kursteilnehmer gegenüberstehen müssen, stammen nicht aus dem Kurs: »Denn sie sind ja sehr motiviert und fleißig, manchen fällt das Sprachenlernen leichter, anderen weniger. Aber die eigentlichen Probleme haben sie im Privatleben«, erzählt Irina bedrückt. Sie erinnert sich dabei an eine Kursteilnehmer, die mit ihren drei Söhnen nach Österreich gekommen ist – ihr Mann durfte das Heimatland nicht verlassen – und nun nicht nur finanziellen Problemen gegenübersteht, sondern auch Schwierigkeiten hatte, eine geeignete Wohnmöglichkeit sowie Betreuungs- und Schulplätze für ihre Kinder zu finden. Irina wirkt mitgenommen: »Das ist für uns auch sehr schwierig, denn ihre Herausforderungen werden zu unseren Herausforderungen, denn unser Ziel ist es, dass sie den Kurs besuchen kann.« Umso schöner ist es dann aber auch, wenn Probleme gemeinsam gelöst und neue Wege gefunden werden können. Und der Elementarpädagogik-Kurs bietet schon einmal in zwei Bereichen im neuen Leben der Ukrainer eine Perspektive und gewisse Sicherheit: Job und Sprache. Beide sind für einen Neuanfang wesentlich. Und machen Mut für alle Herausforderungen, die noch kommen mögen.
Wir bedanken uns für die Einblicke und für das Gespräch.

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