Bullshit auf der Bühne

Warum wir uns vor inhaltsleeren Rednern fürchten sollten,  und welche Verantwortung professionelle Redner mit ihren Worten haben.

 

Bullshit ist überall, und er breitet sich schneller aus als ein Lauffeuer im Trockenwald. Heute ist Bullshit der König der Kommunikation, und inhaltsleere Redner sind seine tapferen Vasallen. Moderne Redner haben eine beeindruckende Fähigkeit entwickelt – die Fähigkeit, jeden Gedanken so zu drehen, dass er zu ihrem eigenen Weltbild passt. Fakten sind nur noch Schall und Rauch, und Wahrheit oder Verantwortung für das Publikum ist nur eine vage Erinnerung. Es spielt keine Rolle, ob 53 Zimmer in einem Hotel gezählt werden, aber voller Überzeugung behauptet wird, es seien 54, solange es dem Zweck dient, einen guten Eindruck zu hinterlassen und mit toller Rhetorik brilliert zu haben. Das ist aber kein Irrtum, das ist Bullshit in seiner reinsten Form und endet bei vielen Rednern in missionarischem Eifer, ihr Publikum vom eigenen Bullshit zu überzeugen. Und wenn Bullshit vor der Entlarvung steht, beginnt die Fantasie ihren vollen Lauf zu nehmen.

Lüge vs. Bullshit

Es gibt auch einen Unterschied zwischen einer Lüge und Bullshit. Lügner wissen, dass sie lügen, während Bullshitter einfach drauflosplappern, ohne über Moral oder Verantwortung nachzudenken.
Und deren Anhänger? Sie schlucken es und folgen ihnen ohne kritische Gedanken. Bullshit verbreitet sich wie ein Virus, und diejenigen, die immun dagegen sind, werden als Außenseiter angesehen. Die Folgen sind verheerend.

Die Konsequenzen von Bullshit

Bullshit schadet nicht nur der Wahrheit, sondern auch unserer Gesellschaft. Menschen, die mit Bullshit durchkommen, haben keinen Anreiz zum Lernen oder zur Weiterbildung. Sie regen andere damit nicht an, eigenständig zu denken. Die Verantwortung eines Redners beginnt aber bei sorgsamer Recherche – und zwar jeder einzelnen Quelle, jedes Satzes und jedes Zitats.

Worte tragen Verantwortung

Warum sollen Menschen auf eine Person hören, wenn diese beispielsweise über »die neue Arbeitswelt« spricht aber auf sorgsame Recherche pfeift? Welches gesellschaftliche Vorbild gibt diese Person? Es ist, als ob Ignoranz und Gleichgültigkeit die Kommunikation verderben. Theodor Adorno brachte es auf den Punkt: »In einem Kreis halbgebildeter Sprücheklopfer aus Politik, Wirtschaft und Medien, ist echtes Wissen so viel wert wie Latein in den Discos von Pisa.« Aber das ist noch nicht alles. Bullshit hat Ausmaße angenommen, die selbst die kühnsten Vorstellungen übertreffen. In Zeiten von Social Media und Künstlicher Intelligenz ist es einfacher denn je, Bullshit zu verbreiten. Geschichten werden verzerrt, Zitate missbraucht und Anekdoten von mehr oder weniger bekannten Menschen werden in völlig falschem Kontext wiedergegeben.

Verantwortung als Redner? Fehlanzeige! Warum sollte man sich die Mühe machen, sorgfältig zu recherchieren, wenn man auch einfach drauflosquatschen kann?

Der US-amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt hat in seinem Buch »Bullshit« diese Gefahr des Bullshits erkannt, und das, obwohl seine ersten Gedanken zum Thema schon fast 40 Jahre alt sind. Frankfurt definiert Bullshit als inhaltsloses Gerede von Möchtegern-Experten, die sich herzlich wenig um das kümmern, was sie sagen, oder welche Auswirkungen ihre Aussagen haben. Wenn wir nicht aufpassen, wird Bullshit die Kommunikation weiterhin vergiften und unsere Gesellschaft in ein Meer aus Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber dem selbstständigen Denken stürzen. Es liegt an uns, dem Bullshit Einhalt zu gebieten und an die Verantwortung der Redner zu appellieren.

In der Welt der Weiterbildung und des lebenslangen Lernens ist für die Leere des Bullshits kein Platz.

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Gastautor
Jürgen Eisserer
ist Keynote Speaker, Kommunikations­trainer und Autor.
www.eisserer.com