Charismatiker fallen nicht vom Himmel

»core telling®« heißt die von Georg Wawschinek entwickelte Kommunikationsmethode. TRAiNiNG hat mit ihm über dieses Instrument gesprochen. 

Was genau verstehen Sie unter core telling?

Es geht um den Kern: einerseits der Botschaft, der Geschichte. Andererseits – für die, die weiter gehen wollen – um den Kern der eigenen Persönlichkeit und Überzeugung. Das ist meine Überzeugung: Gute Auftritte beginnen im Inneren des Redners. Denn letztlich ist alles, was ich außen sehe, das, was innen entsteht. Und hier haben wir das Dilemma des »klassischen Trainings«: Solange die Wirkung passt, ist alles kein Thema. Wenn aber etwas verändert werden soll, wird es von außen »auftrainiert« und dadurch unauthentisch. Wenn eine Maßnahme nicht tief verankert ist, funktioniert sie nicht. Wie soll jemand, der nicht empathisch ist, empathisch wirken? Und ja: Ich halte Inhalt für enorm wichtig. Wenn jemand von seinem Inhalt überzeugt ist und spürt, wofür er brennt, dann wird er nahezu automatisch seine Wirkung entfalten. Vorausgesetzt, es sind auch der Mut dazu da, das Selbstbewusstsein und natürlich das Wissen um die wichtigsten Regeln. Es geht also bei core telling letztlich darum, die gute Geschichte mit der gewünschten Wirkung in Einklang zu bringen. »Charismatische Authentizität« nenne ich das.

Wofür ist core telling einsetzbar?

Das Beeindruckende an core telling ist, dass es in sämtlichen Kommunikationsformen funktioniert. Es handelt sich dabei um eine Grundeinstellung. Wenn man die einmal gelernt bzw. erarbeitet hat, geht es recht einfach. Es bedarf nur 6 Fragen, um ein Thema vorzubereiten. Ob ich es für eine Präsentation vor Publikum, ein Interview, eine Roadshow, einen Pitch, eine Präsentation vor der Kamera oder ein Krisengespräch vorbereite, ist unwesentlich.

Warum haben Sie core telling entwickelt?

Wenn Sie heute auf Amazon nachschauen, finden Sie 4 545 (Stand August 2014) Bücher zum Thema Präsentation. Das Wissen über die Techniken ist also durchaus vorhanden. Mich hat interessiert, warum Menschen das Wissen zwar besitzen, aber es trotzdem nicht anwenden. Meine Erfahrung hat dann gezeigt, dass es in guten Präsentationen immer darauf hinausläuft, eine gute Geschichte zu haben und diese mit der gesamten äußeren Wirkmöglichkeit in Einklang zu bringen.

Können Sie mir bitte ein Beispiel nennen?

Gerne. Ich hatte einmal einen jungen Professor aus dem Bereich der Krebsforschung im Coaching. Er war der festen Überzeugung, dass er keine Interviews geben und nicht gut präsentieren kann. Ein Teil des Trainings waren Kriseninterviews und dort hat sich seine Überzeugung durchaus bewahrheitet. Am Nachmittag ging es dann um sein persönliches Thema, nämlich neue Entwicklungen in der Krebsforschung. Da war der Mann plötzlich einmalig, wie ausgewechselt. Er war empathisch, hat mit guten Beispielen veranschaulicht und mit Begeisterung gesprochen. Einfach super! Ich habe ihm daraufhin natürlich gesagt, dass das brillant war. Darauf meinte er salopp: »Ja klar, das ist mein Leben.« Letztlich funktioniert das dann auch in den Kriseninterviews. Hier sind die tiefen Überzeugungen gerade deshalb so wichtig, weil sie in Frage gestellt werden. Darum tun diese Interviews so weh. Wer weiß, wozu er steht und wer er ist, wird so schnell durch nichts erschüttert.

Was ist aber, wenn jemand über etwas sprechen muss, von dem er nicht überzeugt ist?

Ganz einfach: Das machen diese Menschen nicht sehr lang. Wenn jemand etwas sagen muss, das seiner inneren Überzeugung widerspricht, geht das auf Dauer nicht gut. Es gibt natürlich auch Grenzen, die man verschieben kann. Ich hatte einmal eine Dame eines großen Konzerns im Coaching, die musste vor 2 000 Mitarbeitern eine Entscheidung präsentieren, hinter der sie nicht stand. Gemeinsam haben wir Worte gefunden, die für sie gepasst haben: »Wir haben lange über dieses Problem diskutiert, und hatten verschiedene Optionen. Heute möchte ich euch das Ergebnis vorstellen, wofür sich die Geschäftsleitung entschieden hat.«

Sie haben gesagt, dass es 6 Fragen braucht, um zur persönlichen Geschichte zu kommen. Welche Fragen?

Ich beginne sehr gerne mit der Gegenthese – sie hilft, den Kern zu verdichten. Zum Beispiel: »Angenommen Sie sind ein Journalist und würden mit sich selbst ein kritisches Interview über Ihr Unternehmen führen. Was wäre am nächsten Tag die negative Schlagzeile in der Zeitung?«

Die zweite Frage könnte dann darauf aufbauend lauten: »Angenommen Sie sehen den Geschäftsführer Ihres Unternehmens im Fernsehen mit genau dieser Negativschlagzeile. Welche kritischen und gemeinen Fragen würden Sie ihm stellen?« Danach frage ich gerne, was wäre, wenn Sie nun dieser Geschäftsführer sind und Sie haben die Möglichkeit, sich in nur einem Satz zu all den bösen Anschuldigungen zu äußern? Das, was jetzt genannt wird, ist dann der Kern, die Botschaft, um die es wirklich geht. Die Kunst ist es, meinen Kunden beim Finden der Antworten zu helfen. Sie zu motivieren, herauszufordern und furchtbar lästig zu sein. Das ist Arbeit, aber der Effekt ist unvergleichlich.

Wie lange braucht es, bis jemand das Modell verinnerlicht hat?

Für ein bis zwei Teilnehmer brauche ich nicht mehr als einen Tag. Wir erarbeiten zuerst die Kernbotschaft und üben dann in unterschiedlichen Settings, bis es passt. Damit hat jeder eine sehr gute Basis.

Wie kann es danach weitergehen?

Danach geht es darum, Charisma aufzubauen, Selbstvertrauen zu stärken und Praxiserfahrungen zu sammeln. Da sind wir schon ganz tief in der Persönlichkeitsentwicklung drinnen. Und – um nochmals auf die letzte Frage Bezug zu nehmen – das dauert natürlich so seine Zeit.

Ist für Sie Charisma das Gleiche wie Authentizität?

Charisma hat sicherlich Authentizität als Grundlage. Aber ich denke, es geht nochmals einen Schritt weiter. Um charismatisch zu sein, muss jemand mit sich ziemlich im Reinen sein. Charismatische Menschen reflektieren sich selbst häufig und arbeiten viel an ihrer Persönlichkeit. Authentisch kann auch ein unguter Grobian sein, oder auch ein Langweiler. Dennoch werden die trotz Authentizität nicht auf der Bühne oder vor der Kamera punkten können. Auf den Punkt gebracht: Alle charismatischen Menschen sind authentisch. Aber nicht alle authentischen Menschen sind charismatisch.

Welche Persönlichkeiten verbinden Sie mit Charisma?

Als erstes fällt mir Barack Obama ein. Auch wenn manche kritisch behaupten, dass er alle Reden von einem Teleprompter abliest, finde ich ihn charismatisch. Und wenn er gut ablesen kann, warum nicht?

Die zweite Person ist Richard Branson. Seine Visionen bringen ihn zum Strahlen, das ist pures Charisma. Und als Dritten nenne ich gerne Steve Jobs. Viele meinen, dass er nur so gut war, weil er einfach Talent hatte. Und das mag schon stimmen, dennoch hat jeder dieser drei Personen ganz hart an sich gearbeitet, um so erfolgreich zu sein. Gerade bei Steve Jobs sieht man den Unterschied zwischen Präsentationen in seinen Anfängen und in seinen Blütezeiten ganz stark. Talent alleine wäre dafür zu wenig. Charismatiker fallen nicht vom Himmel!

Was ist Ihre persönliche Kernbotschaft?

»Bring das Beste in dir zum Vorschein!« Ich glaube, dass Kommunikation eine der wichtigsten und ursprünglichsten Möglichkeiten ist, sich zu zeigen. In jeder Person steckt etwas Außergewöhnliches, eben eine Kernpersönlichkeit. Und dieses Außergewöhnliche möchte ich gerne aus den Personen herausholen, damit sie strahlend nach außen wirken.

Danke für das Gespräch.  

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wawschinek

Georg Wawschinek

ist Experte für -begeisternde Kommunikation. Sein Credo: Nur wer begeistern kann, kann bewegen.

www.wawschinek.at