Wie das »gewisse Etwas« oder das sichtbare Charisma durch Bühnenarbeit und spezielle Trainings erlernt werden kann.
Ja, das hätten alle gerne, das gewisse Etwas. Aber was ist das eigentlich? Wir kennen das gewisse Etwas als eine Zuordnung – aber nicht als ausdefinierten Begriff. Menschen, die wir als charismatisch empfinden, bekommen das gewisse Etwas zugeordnet. Menschen, die zusätzlich zu einer bereits bemerkenswerten Eigenschaft oder Fähigkeit noch ein bisserl mehr mitbringen, jedoch mehr auf der Ebene der Wirkung als auf der Ebene des Seins. Menschen mit dem gewissen Etwas bekommen die Blicke der anderen. Und die Verhaltensbiologie konnte gut zeigen, dass die Häufigkeit und die Dauer des Angesehenwerdens tatsächlich mit einer höheren Statuszuordnung einhergehen. Grund genug, sich ein hohes Ansehen zu erarbeiten, werden doch Status und Kompetenz verschränkt wahrgenommen. Aber wie kann man sich das gewisse Etwas, das sichtbare Charisma, erarbeiten? Wo kann man sich das kaufen?
Eine mögliche Antwort ist Bühnenarbeit. Menschen, die auf Bühnen stehen, müssen strahlen, wirken, weit über die sprichwörtlich erste Reihe hinaus ihr Charisma senden. Schauspieler können das, das haben sie gelernt. Warum sollen dann nicht auch andere Berufsgruppen diese Fähigkeiten lernen können? Ich bin gemeinsam mit Monika Herbstrith-Lappe vor zwei Jahren angetreten, um Menschen unabhängig ihrer Berufe die Kunst des Strahlen, Wirkens, eben das gewisse Etwas, beizubringen. Wir machen das nicht selbst, auch wenn wir hier schon einiges zu sagen haben, sondern wir lassen dies die Besten ihres Fachs machen. In Österreich sind das Lehrende und Absolventen des Max Reinhardt Seminars.
Der Weg zum gewissen Etwas ist steinig. Es scheint sich um etwas Metaphysisches zu handeln, um etwas, das zwischen Absicht und Nicht-Tun pendelt. Als Beispiel eine der schwierigsten Übungen: Sie kommen aus der Tiefe des Raums, gehen auf das Publikum zu, bleiben stehen, sehen sich die Menschen an und begrüßen diese in Folge. Danach drehen Sie sich um und gehen wieder. Um das gut hinzubekommen, braucht es ein Gespür für den schmalen Grat des Spielens und Nicht-Spielens. Wer, wie ich, das »auf authentisch« ausprobiert, bekommt gleich ein »zu beiläufig, desinteressiert« als Feedback. Wer versucht, die Blicke gut zu setzen, die Stille zu dehnen und besonders gut zu wirken, bekommt das ebenso gleich um die Ohren gehaut: »viel zu inszeniert, viel zu sehr gewollt« hieß es dann zu mir von den anderen Teilnehmern. Herrschaftszeiten! Es ist wirklich schwer, etwas sein zu wollen, ohne es jedoch zu spielen. Sondern zu sein. Das erfordert ein anderes Körperbewusstsein. Das erfordert ein anderes Denken und ein anderes Spüren. Das erfordert die Auseinandersetzung mit dem Raum und das erfordert die Technik des richtigen Timings. Schwierig? Ja, aber erfahrbar. Letztendlich dreht es sich um Begriffe wie Wahrhaftigkeit (Schauspiel), Authentizität (Trainings), um mehr Sein und um weniger Seinwollen.
Im Wunsch nach Perfektion ist das Scheitern bereites inkludiert – das sehe ich als Trainer in allen Trainings. Und dennoch wollen die Trainingsteilnehmer besser werden in ihrem Tun, zu Recht, wollen nach Perfektion streben. Hier geht es dann um loslassen können. Hier geht es um die Zumutbarkeit des Selbst gegenüber seinen Mitmenschen. Vom Kennen hin zum Können sind es da viele Schritte. Die Masterclass im Max Reinhardt Seminar kann hier ein guter Wegbegleiter sein: Die Einmaligkeit des Palais, die magische Atmosphäre und die Kompetenz der Lehrenden führen einen ein gutes Stück hin zum gewissen Etwas.