Das Lernen ändert sich

Die Rahmenbedingungen des Lernens ändern sich – das Lernen selbst ändert sich.
Die Ansprüche an Trainer sind völlig andere als noch vor einigen Jahren.

War es lange Zeit ausreichend, ein klares Lernziel und einen guten Trainer zu haben, so müssen heute veränderte Kundenansprüche, neue Erkenntnisse der Lernforschung, die methodisch-didaktische Konzeption und letztlich der gesamte Lernkontext berücksichtigt werden.

Die Rahmenbedingungen ändern sich

Bisher konnte man davon ausgehen, dass Lernende in Unternehmen um die 30 sind, sich noch gut an das Lernen in der Ausbildung erinnern können und hohe Motivation für Neues aufweisen. Heute nehmen weit vielfältigere Gruppen am Lernen teil. Sie sind älter, lernferner, bringen mehr praktische als systematische Erfahrungen ein und erwarten, bei ihrem Status abgeholt zu werden. Lebenslanges Lernen, verstärkt durch den demografischen Wandel, ist nur einer der Trends, die in diesem Zusammenhang beobachtet werden. Internationalisierung erfordert Lernen in Fremdsprachen und führt dadurch weitere Differenzierungsebenen ein.

Das Lernen ändert sich

Dass der Frontalunterricht nicht die einzige Lehrmethode ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Folglich werden eine Vielzahl an didaktischen Konzepten und Lernsystemen entwickelt, die ein besonders intensives Lernerlebnis versprechen. Lernen muss Spaß machen, von Gamification bis zum Lernen mit Tieren. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, zugleich besteht die Gefahr, dass die Form über der Funktion steht. Der Nutzen entsteht nicht während des Lernens, sondern während der Anwendung des Gelernten, und dieser Tatsache müssen sich innovative Lehrmethoden unterordnen. Für die Personalentwicklung wird es entscheidend sein, Form, Inhalt und Ergebnis differenziert zu betrachten und wirksam zu kombinieren.

Von Wissen zu Kompetenzen

Die Auseinandersetzung mit den Lerntrends erfordert zunächst die Beantwortung einer einfachen, aber wesentlichen Frage: »Was soll durch das Lernen eigentlich vermittelt werden?« Die Antwort ist auf den ersten Blick einfach und naheliegend: Lernen soll Sach- und Fachwissen vermitteln, Fertigkeiten und Qualifikationen schulen. Leider greift diese Antwort – vor allem im Kontext der neuen Entwicklungen – zu kurz. Sie ist in dem Sinne Input-orientiert, als sie das Lernergebnis mit dem Lerninput gleichsetzt, vereinfacht gesagt: »Lerne dieses Buch – danach musst du es wiedergeben können.« Das Ergebnis ist eine Nacherzählung des Inputs, Abweichungen werden sanktioniert. Natürlich versprechen viele Methoden einen direkten Bezug zur Praxis, nur in seltenen Fällen wird dieser aber konkret ausgearbeitet. Dazu ist es nämlich notwendig, über die Ergebnisse des Lernens neu nachzudenken. Das Ziel ist letztlich die Fähigkeit der Mitarbeiter, konkrete und relevante Problemstellungen in der Praxis selbst organisiert zu lösen, also ihre Kompetenz.

Kompetenzen können nur angeeignet werden, wenn Regeln, Werte und Normen zu eigenen Emotionen und Motivationen verinnerlicht werden. Kompetenzen können daher nicht im klassischen Sinn vermittelt werden. Mitarbeiter können sie nur selbst erwerben, indem sie in realen Entscheidungssituationen, am Arbeitsplatz, beim Kunden oder in Projekten, Widersprüche, Konflikte oder Verunsicherungen verarbeiten und auf diesem Weg zu neuen Emotionen und Motivationen gelangen. Wir brauchen daher neue Lernkonzepte, die diese Verknüpfung von Lernen und Arbeiten erlauben, fördern und es Mitarbeitern und Führungskräften ermöglichen, ihre individuellen Lernprozesse selbst organisiert zu gestalten.

Lernen für Kompetenzen

Unsere Erfahrung zeigt, dass eine klare Kompetenzbeschreibung die Kreativität der Lernmethoden nicht einschränkt, sondern im Gegenteil erst ermöglicht. Durch das für alle vorstellbare und akzeptierte Lernziel, nämlich ganz konkrete Kompetenzen zu erlangen, wird die Beurteilung der Methoden einfacher und transparenter. Vor allem erkennt man, dass man den Lernraum ausdehnen muss und vielfältige Instrumente über einen längeren Zeitraum einsetzen muss, um zum Erfolg zu kommen. Unternehmen können nicht mehr alle Aspekte des Lernens delegieren, sondern müssen durch eigene Maßnahmen (Mentoring, Job Rotation, …) Impulse im Lernprozess setzen.

Effektive Lernprozesse sollten selbst organisiert erfolgen, weil Selbstorganisation die Lernenden aktiviert, eigene Beiträge zu leisten und eigenes Lernen selbst zu steuern. Dies unterstützt das Erleben von Selbstwirksamkeit und ist auch die Basis für echtes Lernengagement. Lernprozesse sollten zudem auch Kooperation als Lernprinzip ermöglichen, wo gemeinsames Arbeiten und Lernen umgesetzt werden und damit nicht zuletzt eine Anforderung aus dem täglichen Arbeitsumfeld bereits in der Lernpraxis umgesetzt wird.

Beispiele aus unserer Praxis

Ein großes Telekomunternehmen möchte rund 200 Mitarbeiter des Finanzbereichs in Social Skills schulen. Anstelle dazu sofort Trainingsangebote einzuholen, empfehlen wir, ein klares Bild der nötigen Kompetenzen zu entwickeln. In verschiedenen Workshops werden für 5 unterschiedliche Funktionsgruppen Kompetenzprofile entwickelt. In einem 180-Grad-Feedback werden die Mitarbeiter gebeten, ihr gegenwärtiges Kompetenzniveau auf Basis konkreter Situationen festzuhalten. Die Unterschiede zwischen gewünschtem und realem Kompetenzniveau ist die Basis für Lernziele und Methoden. Es stellt sich heraus, dass ein Mix zwischen einem stark maßgeschneiderten Training, einem intensiven gegenseitigen Austausch und einem Mentoring-Programm durch das Unternehmen den besten Erfolg liefern wird. Die Trainings setzen dabei direkt an den Handlungsankern an und spielen die konkreten praktischen Situationen durch. Im Training werden Feedbackgruppen gebildet und geschult, die über mehrere Monate Bestand haben und regelmäßig gezieltes Feedback zur Entwicklung ihrer Kollegen geben. Im Mentoring-Programm schließlich verpflichten sich die Führungskräfte, ihre Mitarbeiter bewusst Kommunikationssituationen auszusetzen und zum Fortschritt laufend Feedback zu geben.

Ein größeres Maschinenbau-Unternehmen möchte die Führungskräfte des Konzerns auf das neue Performance-Management System schulen. Es geht um ein gemeinsames Verständnis des Geschäftsmodells, der wesentlichen Kennzahlen und der betriebswirtschaftlichen Führung des eigenen Bereichs. Wir vermitteln, dass diese Ziele zwar umfassend, aber zu -abstrakt sind, und brechen sie gemeinsam mit der Unternehmensleitung in konkrete Handlungsanker herunter. »Welches konkrete Verhalten sollen die Führungskräfte in bestimmten Situationen aufweisen?« ist die Leitfrage. Durch die Präzisierung wird klar, dass die Verantwortung für das Gesamtergebnis gestärkt werden muss. Der Methodenmix umfasst daraufhin u. a. zwei Planspiele und übergreifende Projektarbeiten. Im ersten Planspiel (Brettspiel) wird die persönliche Haltung zum Unternehmenserfolg thematisiert, das zweite Planspiel (Computersimulation) wird über mehrere Monate mit weltweit vernetzen Teams gespielt und vermittelt die geschäftlichen Grundlogiken. Durch den laufenden Austausch entstehen Social–Learning-Schleifen, die der erste Schritt für eine offene Kommunikation zwischen den Bereichen sind. Die Projektarbeiten sind so gestaltet, dass sie die konkreten Handlungsanker und Kompetenzen adressieren. Sie werden dem Vorstand präsentiert.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

rita-niedermayr

Gastautorin

Rita Niedermayr

ist Geschäftsführerin des Controller Instituts sowie Partnerin und Geschäftsführerin bei Contrast Management-Consulting GmbH.

kreuzer_christian

Gastautor

Christian Kreuzer

ist Geschäftsführer des Controller Instituts
sowie Partner und Geschäftsführer bei Contrast Management-Consulting GmbH.

www.controller-institut.at