Dienstplangestaltung in Krankenanstalten

In diesem Artikel werden wichtige Fragen zum Thema »verlängerte Dienste« behandelt, die sich mit der Anpassung der Arbeitszeitregelungen für Ärzte ergeben.

In den letzten Monaten vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Sprecher einer Krankenanstalt oder ein Ärztevertreter bzw. die Ärzte selbst etwa in Form eines Streiks ihren Ärger über die Änderungen im Krankenanstalts-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) kundtun. Die neuen Bestimmungen wurden am 11. November 2014 beschlossen und traten bereits mit 1. Jänner 2015 in Kraft. Bislang wurde aber in vielen Krankenanstalten weder eine neue Dienstplangestaltung getroffen, die der neuen Rechtslage entspricht, noch die aus Ärztesicht drängende Frage höherer Grundgehälter oder anderer »Ausgleichsmaßnahmen« gelöst. Auch wenn im Wiener Landtag zu Redaktionsschluss ein neues Gehaltsschema für die bei der Gemeinde Wien beschäftigten Ärzte beschlossen wurde, sind die betrieblichen Fragen in den einzelnen Krankenanstalten noch lange nicht gelöst.

Voraussetzungen für
»verlängerte Dienste«

Wie bisher lässt das KA-AZG eine maximale Tagesarbeitszeit von 13 Stunden sowie eine Wochenarbeitszeit mit durchschnittlich 48 Stunden in 17 Wochen zu. Gleich geblieben ist auch die grundsätzliche Zulassung sogenannter »verlängerter Dienste«. Denn nur durch diese kann die Tagesarbeitszeit (bzw. die zusammenhängende Arbeitszeit eines Dienstes) von Ärzten nunmehr auf maximal 25 Stunden (mit Übergangsfristen zunächst 32 und ab 1. Jänner 2018 29 Stunden) ausgedehnt werden. Wie bisher ist die Zulassung der verlängerten Dienste an 3 Voraus-setzungen geknüpft:

Sie müssen organisatorisch notwendig sein,

die Dienstnehmer dürfen während der Ar-beits-zeit nicht durchgehend in Anspruch genommen werden und

es muss eine Betriebsvereinbarung darüber abgeschlossen werden.

Was passiert mit bereits bestehenden Betriebsvereinbarungen?

Wegfall der Ermächtigung
für verlängerte Dienste

Die Mehrzahl der Krankenanstalten hat bereits nach der alten Rechtslage eine Betriebsvereinbarung über verlängerte Dienste abgeschlossen. Ist in der Betriebsvereinbarung ein konkretes zeitliches Ausmaß benannt, das den nach der alten Rechtslage größeren Spielraum ausnutzt und der Dienstplaneinteilung zugrunde liegt, kann die Betriebsvereinbarung meines Erachtens nicht so umgedeutet werden, dass sie auf das gesetzlich zulässige nunmehr niedrigere Ausmaß schrumpft. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird also eine Betriebsvereinbarung über verlängerte Dienste, die auf der Rechtslage vor 1. Jänner 2015 beruht, ersatz- und nachwirkungslos entfallen.

Wegfall von Lagevereinbarungen

Auch im Bereich des KA-AZG kann eine Lagevereinbarung entweder durch Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag getroffen werden. Aufgrund des Betriebsvereinbarungs-Erfordernisses für die verlängerten Dienste wird in der Regel eine Lagevereinbarung direkt in der Betriebsvereinbarung getroffen oder die Betriebsvereinbarung legt Rahmenbedingungen für die Dienstplanerstellung fest. Durch den Wegfall einer Betriebsvereinbarung nach der neuen Gesetzeslage, kommt es auch zum Wegfall der bislang gültigen Lagevereinbarung.

Wegfall von Entgeltregelungen

Neben den verlängerten Diensten und konkreten Lagevereinbarungen sind in der Betriebsvereinbarung häufig auch in Zusammenhang mit verlängerten Diensten bzw. Überstunden stehende Entgeltfragen geregelt. Die Entgeltregeln gelten aber meines Erachtens dann nicht weiter, wenn sie in untrennbarem Zusammenhang mit den verlängerten Diensten stehen. So z. B. wenn für Arbeitszeit im Rahmen verlängerter Dienste eine Mehrarbeitspauschale für 15 Stunden/Woche vereinbart ist (das wohl einzelvertraglich wirkt), Mehrarbeit aber in diesem Ausmaß nach der neuen Rechtslage gar nicht mehr geleistet werden darf.

Neue Betriebsvereinbarung

In den meisten Fällen wird also die bestehende Betriebsvereinbarung ersatzlos wegfallen. Das bedeutet, dass Krankenanstalten seit 1. Jänner 2015 eine neue Betriebsvereinbarung brauchen, die den veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen entspricht, wenn Tagesarbeitszeit über 13 Stunden geleistet werden soll. Nicht alle Krankenanstalten haben den Abschluss bis 1. Jänner 2015 unter Dach und Fach bekommen. Fraglich ist, was seitens der Krankenanstalt unternommen werden kann, wenn sich der Betriebsrat weigert, eine neue Betriebsvereinbarung abzuschließen.

Ist die Betriebsvereinbarung erzwingbar?

Nach offenbar herrschender Ansicht ist eine Betriebsvereinbarung über verlängerte Dienste zwar notwendig, aber nicht vor der Schlichtungsstelle erzwingbar und soll damit den Betriebsvereinbarungs-Tatbeständen des § 96 ArbVG zugeordnet werden. Diese Ansicht wird im Wesentlichen damit begründet, dass eine Verlängerung der Dienste nur bei Konsens zwischen Dienstnehmervertretern und dem Dienstgeber zugelassen werden soll. Ein hierfür notwendiges Verhandeln auf »Augenhöhe« würde aber relativiert, wenn sie erzwingbar wäre. Letztlich geht es bei der Verhandlung solcher Betriebsvereinbarungen aber um die konkrete Dienstplangestaltung inklusive verlängerter Dienste. Es kann daher argumentiert werden, dass diese Betriebsvereinbarung § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG zuzuordnen und damit erzwingbar ist.

Was gilt, wenn keine gültige
Lagevereinbarung besteht?

Mit dem Wegfall einer Betriebsvereinbarung, die auch eine Lagevereinbarung enthält, entsteht auch auf Ebene der Einzeldienstverträge ein Vakuum. Ein völliges Fehlen einer Lagevereinbarung hat der Gesetzgeber nicht antizipiert, weswegen hierfür auch keine Regelung existiert. Da Lagevereinbarungen keinem Schriftformerfordernis unterliegen, können sie auch konkludent vereinbart werden. Aus praktischer Sicht wird der Dienstgeber einen entsprechenden Dienstplanvorschlag (ohne verlängerte Dienste, zumindest solange darüber keine BV existiert) machen müssen, der sich möglichst an der früheren Lage vor Wegfall der Betriebsvereinbarung orientiert. Eine Nichtannahme dieses Vorschlags durch den Dienstnehmer ohne sachlichen Grund wäre dann wohl rechtsmissbräuchlich und würde zu einer gültigen Lagevereinbarung im Sinne des Dienstgebervorschlags führen.

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Koerber-Risak

Gastautorin Katharina
Körber-Risak

ist Arbeitsrechts-expertin und Rechtsanwältin bei der Kunz Schima Wallentin Rechts-anwälte OG (KSW).

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www.ksw.at