Digitale Vorreiter erkennen

Um in der Digitalisierung wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Unternehmen schneller weiterentwickeln. Welche Kriterien zeichnen digitale Vorreiter aus?

Unternehmen, die in Sachen Digitalisierung als Vorreiter gelten, stellen sich hierzulande kaum in die Auslage. Die Mentalität ist, Dinge zuerst abzuschließen und zu perfektionieren und dann erst an die Öffentlichkeit zu gehen. Die LIMAK Austrian Business School hat es sich in ihrer Digital Economy Studie 2017 deshalb zur Aufgabe gemacht, genauer hinzuschauen, mit über 50 Unternehmen im B2B- und B2C-Bereich ins Gespräch zu kommen und jene Eigenschaften und Beispiele herauszuarbeiten, die beschreiben, was Vorreiterunternehmen im New Business Development ausmacht. Infolge von 21 Einzelinterviews, 7 Experteninterviews und einer Onlinebefragung mit 180 Teilnehmern kristallisierten sich schließlich sechs Kriterien für Vorreiter-Unternehmen der Digitalisierung heraus.
Sie sind fast forward: Digitalisierungsvorreiter haben sich innerhalb der eigenen Branche möglichst früh mit dem Thema beschäftigt, haben Investitionen getätigt und sind zügig mit Produkten auf den Markt gegangen. Sie zeichnet eine proaktive »Start-up«-Mentalität aus, die nicht zu sehr auf Fehlervermeidung fokussiert und sich um die Wirkung nach außen sorgt, sondern Neues ausprobiert und aus den eigenen Fehlern und Erkenntnissen schnell lernt. Vorreiter sind in der Lage, schneller auf Veränderungen am Markt zu reagieren und eigene Wege zu gehen.

Sie bleiben connected: Vorreiter-Unternehmen schaffen es, das Etablierte mit dem Neuen zu verbinden und parallel mit beidem erfolgreich am Markt zu sein. Sie ergänzen ihr Kerngeschäft konsequent mit digitalen Möglichkeiten in Form neuer Services und Produkte. Die große Kunst ist es, neue Möglichkeiten und Kundenbedürfnisse konsequent aufzuspüren und zu erheben und die Kernkompetenz des Unternehmens mit dem Neuen in Beziehung setzen zu können.

Sie denken out of the box: Vorreiter-Unternehmen ermöglichen bewusst kreative, innovative Prozesse und Arbeitsformen und unterstützen ihre Teams beispielsweise dabei, temporär aus dem täglichen Geschäft auszusteigen und losgelöst von den Strukturen des Unternehmens zu arbeiten. Um dynamisches Know-how integrieren zu können, setzen die Unternehmen auch auf Kooperationen mit Fachhochschulen, Universitäten, Inkubatoren, Start-ups oder Accelera­toren und schaffen Branchen-übergreifende Netzwerke.

Sie planen smart: Vorreiter-Unternehmen verfolgen in der Geschäftsmodellentwicklung ein gesamtheitliches Konzept. Konkrete Geschäftsmodelle werden durchdacht, im Gesamtkontext des Unternehmens betrachtet und sind in der Unternehmensstrategie verankert. Dabei arbeitet die Top-Management-Ebene mit (oftmals IT-)Experten aus dem Unternehmen zusammen und reflektiert, welche Veränderungen in der Unternehmensstruktur neue oder adaptierte Geschäftsmodelle mit sich bringen müssen. Insgesamt muss die Digitalisierung als konsequent geführter Change-Prozess betrachtet werden.

Sie führen agil: Vorreiter-Unternehmen gestalten bewusst ihre Unternehmenskultur in Richtung Internationalität, Diversität und Offenheit. In der täglichen Arbeit setzt man beispielsweise auf Stand-up Meetings, interdisziplinäre Projektteams, Projektmanagementformate wie SCRUM und führt mit OKR (Objectives & Key Results, die quartalsweise adaptiert werden). Neue Operationsmodi wie zum Beispiel kurzfristige Zielvorgaben und das Forcieren fachbereichsübergreifender und häufig wechselnder Konstellationen tragen zur Generierung kreativer Ideen bei. Die Führung ist gefragt, als Vorbild zu agieren und Rahmenbedingungen für Agilität zu schaffen.

Sie agieren customer centered: Der Fokus von Vorreiter-Unternehmen verlagert sich zunehmend stärker in Richtung Endkunde. Während früher vor allem Leistungsaspekte des Produkts im Vordergrund standen, steht heute ein intensiver Austausch mit dem Kunden im Mittelpunkt. Die Digitalisierung ermöglicht es, relevante Kundendaten zu generieren, das Verständnis für die Bedürfnisse des Kunden zu erhöhen und mit ihm über soziale Medien in einen Austausch zu gehen und individualisierte Lösungen anzubieten.

Digitale Transformation

Die Interviews mit Vorreiterunternehmen haben gezeigt, dass die Kunst in der digitalen Transformation darin besteht, die Weiterentwicklung des Unternehmens gleichwertig entlang der Dimensionen »Strategie«, »Kultur« und »Struktur« zu betreiben. Darüber hinaus gilt es, in den Bereichen IT, Recht ebenso wie in der Investitions- und Finanzierungsplanung gut aufgestellt zu sein, um insgesamt hochwertige Prozesse gewährleisten zu können. Im Mittelpunkt der Digitalisierung sind und bleiben allerdings der Mensch und soziale Prozesse in der Organisation. Im Rahmen der »Strukturentwicklung« geht es darum, diese den aktuellen Erfordernissen entsprechend anzupassen. Das heißt: klassische Unternehmenssilos aufbrechen, nötigenfalls Unternehmensbereiche auslagern und dem Thema Digitalisierung ausreichend Ressourcen widmen. Im Kontext Personal gilt es, einen optimalen Modus für die Integration von Digitalisierungsteams und -verantwortlichen und die Installierung interdisziplinärer Teams bzw. bei der Umsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen eine gute Balance zwischen den Bereichen Technologie, Management und Leadership zu finden.
Die »Kultur« ist am schwierigsten zu adressieren. Eine offene Haltung der Digitalisierung gegenüber – oft beschrieben als »digitales Mindset« – ist nicht mit einem Fingerschnippen herzustellen, sondern muss von der Unternehmensspitze abwärts (vor)gelebt werden. Kulturwandel bedarf Offenheit, Flexibilität, Agilität und vor allem Überzeugung und Ernsthaftigkeit. Hilfreich ist es sich damit auseinanderzusetzen, was unter Digitalisierung im Unternehmen überhaupt verstanden werden soll und welche Auswirkungen dieses Verständnis auf die Zusammenarbeit und Arbeitsumgebung hat.
Schließlich geht es darum, das Thema Digitalisierung in der Unternehmensstrategie zu verankern. Neben einer verstärkten Ausrichtung am Kundenservice und -nutzen gilt es, das Unternehmen in alle Richtungen und Branchen zu vernetzen und Partnerschaften aktiv zu nutzen. Um eine Strategie in die Umsetzung zu bringen, benötigt es einerseits ein klares Kommunikationskonzept und andererseits starke Führung, die das Commitment aller Führungskräfte und Mitarbeiter sicherstellt.

Fazit: In der Digitalisierung wird für etablierte Unternehmen mit traditionellen Geschäftsmodellen die Entwicklung der eigenen Unternehmenskultur zum zentralen Erfolgsfaktor. Die Führung ist auf allen Ebenen gefragt: Sie muss sich mit der Digitalisierung beschäftigen, sich für die neuen Wege begeistern und das Thema treiben und vorleben. Zusätzlich spielt Agilität eine Rolle: Nur wenn man in der Lage ist, als Organisation schnell und flexibel zu agieren, kann man die identifizierten Chancen nützen.

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Gastautorin
Susanne Summereder
ist Leiterin des
Geschäftsfeldes LIMAK IN.SPIRE.
www.limak.at