Distance Learning mit System

Wer bereits in der Planung einer Weiterbildung die Lernziele, Lehr- und Lernmethode und Prüfungsform aufeinander abstimmt, schafft Transparenz und Orientierung.

Distance Learning oder auch Distance Education ist eine Form des Lehrens und Lernens, deren Betreuung durch Lehrende regelmäßig über Distanzen erfolgt. Im deutschen Sprachraum kommt auch der Begriff Fernlehre zum Einsatz. Durch die pandemiebedingten Schließungen erfolgt auch im betrieblichen Weiterbildungsbereich ein Wechsel auf Distance Lear­ning. Was für das Lernen und Entwickeln in Präsenz gilt, ist auch, wenn nicht sogar noch mehr, über Distanz von Bedeutung. Damit Lehrende und Lernende dasselbe Ziel verfolgen können, ist Orientierung wichtig. Das gilt für den hochschulischen und für den betrieblichen Bereich gleichermaßen.

Das didaktische Konzept des »Constructive Alignments« von John Biggs, dem australischen Professor für pädagogische Psychologie, kann hier helfen.

Constructive Alignments

Das Konzept des »Constructive Alignments«, zu Deutsch »konstruktive Abstimmung«, findet im Hochschulbereich bereits seit Längerem Einzug. Es unterstützt Lehrende dabei, bei der Planung einer Veranstaltung die Lernziele, die Lehr- und Lernmethoden und auch die Prüfungsform(en) aufeinander abzustimmen. Dabei erfolgt die Abstimmung in drei Schritten:

In den Lernzielen (learning outcomes) wird dargelegt, was Lernende am Ende einer Einheit bzw. am Ende der Veranstaltung wissen und können müssen. Hier wird festgelegt, welche Kompetenzen Lernende erreichen sollen. Die Lernziele müssen zunächst konkret formuliert werden. Eine Begründung, warum diese Lernziele wichtig sind, hilft den Lernenden im Verständnis.
Sind die Lernziele formuliert, erfolgt in einem nächsten Schritt die Auseinandersetzung mit den geeigneten Prüfungsformen (assessment). Hier wird überlegt, wie die Prüfungen gestaltet werden müssen, um festzustellen, ob die zu erwarteten Kompetenzen auch erworben wurden.
In einem dritten Schritt werden die Lehr-/Lernmethoden und -aktivitäten (teaching/learning activities), die zum Erwerb der angestrebten Kompetenzen führen sollen, festgesetzt. Je konkreter im Vorfeld die Lernziele definiert werden, desto einfacher können die passenden Lehr-/Lernmethoden und passenden Prüfungsformen gewählt werden.

Der Ausgangspunkt soll also immer das Lernziel sein. Davon ausgehend werden die Lernaktivität und Prüfungsform geplant. Wichtig ist, dass es für Lernende einen klar erkennbaren Zusammenhang zwischen diesen drei Komponenten gibt. Anpassungen im Laufe einer Veranstaltung sind möglich, wenn sich beispielsweise herausstellt, dass bereits mehr Vorwissen als angenommen besteht. Für die Anwendung kann etwa eine einfach gehaltene Tabelle, in der die einzelnen Inhalte zu den Lernzielen, Prüfungsformen und Lehr-/Lernmethoden nach und nach eingefügt werden, dienen.

Biggs und Tang (2007) weisen auch darauf hin, dass das Constructive Alignment nicht nur eine Methode oder ein Modell ist, das umgesetzt werden soll. Es bietet auch einen konzeptionellen Rahmen, um über die Fragen nachzudenken, die in entscheidenden Phasen des Unterrichts im Allgemeinen beantwortet werden müssen, nämlich:
Was möchte ich, dass die Teilnehmer lernen?
Was ist unter meinen Umständen und mit den verfügbaren Ressourcen der beste Weg, um sie dazu zu bringen, es zu lernen?
Wie kann ich wissen, wann und wie gut sie gelernt haben?

Das Modell des Constructive Alignments lädt hier dazu ein, systematisch und zielorientiert darüber nachzudenken, was Lehrende tun und welche Methoden sie anwenden. Eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist zweifelsohne zeitaufwändig, wird aber die Qualität der Lehre erhöhen.

Fachunabhängig anwendbar

Ein weiterer Vorteil in der Anwendung der Constructive-Alignment-Theorie ist, dass es sich um eine Lehr-Lerntheorie handelt, die zur Konzeption von Lehrveranstaltungen fachunabhängig genutzt werden kann und die wenig Vorerfahrung in der Konzeption voraussetzt. Wenn Lehrende ihren Lernenden gleich zu Beginn kommunizieren, welche Lernziele erreicht werden sollen, welche Methoden zur Kompetenzerreichung angewandt werden und welche Prüfungsformen gewählt werden, verfolgen alle dasselbe Ziel und es kommt zu weniger Missverständnissen. Durch die Abstimmung aller drei Elemente wird auch eine kompetenzorientierte Gestaltung von Lehre und Trainings gefördert.

Methodenmix anbieten

Ob nun im Lernen in Präsenz oder im Lernen auf Distanz, ein Mix an Methoden fördert die Aufmerksamkeit und Aktivität der Lernenden. Dabei kann zwischen darbietenden und aktivierenden Lehrformen unterschieden werden. Bei darbietenden Lehrformen werden Sachverhalte, Probleme, Modelle von Lehrenden didaktisch aufbereitet und entweder selbst, etwa durch einen Vortrag, oder auch mit Hilfe eines Mediums, beispielsweise einem Videofilm, dargeboten. Lernende versuchen das Dargebotene nachzuvollziehen. Aktivierende Lehrformen initiieren didaktisch vorbereitete Lern- und Entdeckungsprozesse, die von Lernenden bzw. Teilnehmern selbstständig durchgeführt werden sollen. Beispiele hierfür sind Fallbearbeitungen, Diskussionsmethoden, Visualisierungen erstellen, eine Mind-Map anfertigen etc. Sowohl darbietende als auch aktivierende Lehrformen sind dank der heutzutage zur Verfügung stehenden Technik und Tools auch gut im Distance Learning einsetzbar und können bereits bei der Lehrveranstaltungsplanung mit Hilfe des Constructive Alignments mitüberlegt werden.

Fazit
Das Konzept des Constructive Alignments hilft sowohl Lehrenden als auch Lernenden, den Fokus zu bewahren und über den gesamten Verlauf Orientierung zu geben. Eine Anwendung auch in anderen Weiterbildungsveranstaltungen, abseits des Hochschulbereichs, ist möglich und insbesondere für größere Weiterbildungsreihen sinnvoll. Das Modell ist leicht anwendbar für Veranstaltungen in Präsenz, in Distanz und auch in Mischformen.

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Hampel_ Brigitte

Gastautor
Brigitte Hampel
Academic ­Coordinator Human Resources Management/Human Resources & Organization Study Programs/FHWien der WKW.
brigitte.hampel@fh-wien.ac.at

 

Dieser Text nutzt für die sprachliche Gleichbehandlung aller Menschen geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen auf Basis des generischen Neutrums (siehe www.generisches-neutrum.com).