Fachwissen digital verteilen

Videos haben in der Erwachsenenbildung eine wichtige Rolle eingenommen. Worauf Firmen bei ihrem Einsatz achten müssen, lesen Sie in diesem Interview.

Für welche Themen eignen sich Videos zur Wissensvermittlung?

Videos eignen sich gut für alle Formen der Qualifikationen, egal ob Sprachen oder für verschiedene Fachbereiche wie z. B. Rechnungswesen. Ein aktuelles Beispiel, wofür sie sich gut eignen, sind rechtliche Änderungen wie z. B. derzeit die Datenschutzgrundverordnung oder andere Änderungen, z. B. in der Personalverrechnung. Schwieriger ist ihr Einsatz im Bereich der Soft Skills. Hier müssen sich Unternehmen genau ansehen, ob Videos begleitend zu Präsenzseminaren Sinn ergeben können. Reine Soft-Skills-Videokurse würde ich jedenfalls sehr vorsichtig betrachten.

Was ist der Unterschied zwischen Erklärvideos und Video Based Learning?

Erklärvideos dienen primär der Informationsweitergabe, für Personen, die lieber Videos schauen, als etwas zu lesen. Das könnte z. B. eine Bedienungsanleitung für ein technisches Gerät sein, das eben per Video erklärt wird. Es wird Wissen über das Medium Video weitergegeben, ohne darauf zu achten, dass es nachhaltig verankert wird. Das Wissen wird natürlich auch nicht abgeprüft. Diese Form von Videos ergibt dann Sinn, wenn jemand in kurzer Zeit neues Wissen holen möchte und selbst stark motiviert ist zu lernen.
Wenn ein Unternehmen jedoch überprüfen möchte, ob ein Mitarbeiter ein Video angesehen und den Inhalt auch verstanden hat, braucht es mehr. In diesem Fall sollten die Videos in Lernplattformen eingebettet sein. Nur so kann das Unternehmen dokumentieren, wann das Video gesehen wurde. Bei Bedarf kann es auch kontrol­lieren, wann die Prüfungsfragen zum Video erfolgreich absolviert wurden. Das hat noch einen weiteren Vorteil. Wenn z. B. bei einem Themenblock die Mehrheit der Teilnehmer die Prüfungsfragen falsch beantwortet hat, liegt das sehr wahrscheinlich an der Aufbereitung der Inhalte im Video. Das Unternehmen kann das Video anpassen, und die entsprechenden Inhalte besser erklären.

Wie müssen Lernvideos gestaltet sein, damit das Wissen auch wirklich ankommt?

Was derzeit viele am Markt machen – da es scheinbar leicht verdientes Geld ist – ist schlichtweg ein Präsenzseminar auf Video aufzunehmen und dann zu verkaufen. So was hat mit Lernvideos gar nichts zu tun.
Bei Lernvideos wird auf die jeweilige Zielgruppe eingegangen, so wird z. B. auf Lehrlinge anders eingegangen als auf Führungskräfte.
Lernvideos sollten das Wissen in kleine Wissenseinheiten portionieren, die maximal 4 bis 5 Minuten dauern. Lange Videos zu einem Thema ergeben gar keinen Sinn, das geht schon eher in Richtung Dokumentationsfilm. Genauso wie in Präsenzseminaren ist die Aufmerksamkeitsspanne gering.
Die Gliederung in kleine Einheiten mit vielen Wiederholungen und anschließenden Prüfungsfragen, um ein Kapitel abzuschließen, hat sich als erfolgreich herauskristallisiert. Als Prüfungsfragen eignen sich sowohl Mul­tiple-Choice-Fragen als auch Verständnisfragen oder Lückentexte etc. So kann die Methodik der Überprüfung gewechselt werden, um das Format für die Zuseher interessant zu halten.
Bei gewissen Themen kann es schon sinnvoll sein, längere Videos zu gestalten. Dabei muss aber Wert darauf gelegt werden, die Aufbereitung bewusst abwechslungsreich zu gestalten. Sonst wird es für den Teilnehmer noch schneller langweilig als ein monotones Präsenzseminar.

Wie wichtig ist Humor in Lernvideos?

Aus meiner Erfahrung muss der Spaßfaktor nicht immer dabei sein. Auch in Präsenzveranstaltungen ist nicht jedes Seminar mit viel Humor gespickt, und das muss es auch nicht sein. Warum also sollten alle Lernvideos lustig sein? Besonders, wenn es um ernste Themen geht, wie z. B. Brandschutz, müssen humoristische Elemente sehr vorsichtig gewählt werden, denn es geht um lebensrettende Maßnahmen. Uns geht es vor allem um den messbaren Output und weniger um den Gaming- und Unterhaltungsfaktor.

Was sind die Vor- und Nachteile von Lernvideos im Vergleich zu Präsenzseminaren?

Die Vorteile von Videos liegen auf der Hand. Der Teilnehmer kann den Inhalt so oft wiederholen, bis er das Gefühl hat, es wirklich verstanden zu haben. Es ist außerdem für das Unternehmen bzw. den Teilnehmer günstiger und so wie alle Formen von elektronischem Lernen zeit- und ortsunabhängig. So können natürlich auch Reisekosten eingespart werden. Manche Fachseminare in abgelegenen Regionen werden häufig abgesagt, weil sich einfach zu wenige Teilnehmer finden. Auch hier bieten sich Lernvideos gut an, um den interessierten Personen das Wissen zukommen zu lassen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass einige Teilnehmer, z. B. bei Sprachtrainings, sich in Gruppen unwohl fühlen, wenn sie noch geringe Kenntnisse der Sprache haben. Hier sind Videokurse ebenfalls geeignet, um die Basics zu lernen, um danach in einen Kurs zu gehen. Diese Anonymität gefällt vielen Teilnehmern. Ein offensichtlicher Nachteil ist die fehlende Interaktion mit dem Trainer und der Gruppe. Dem kann man zumindest ein bisschen entgegenwirken, indem man »live sessions« veranstaltet und hier Foren schafft, in denen sich Teilnehmer untereinander und mit den Trainern austauschen können.

Wie kommen Lernvideos bei den Nutzern an?

Das hängt von zwei Faktoren ab. Einerseits davon, wie gewohnt es die Nutzer sind, mit digitalen Produkten zu arbeiten und andererseits, wie lernaffin jemand generell ist. Wenn ein Teilnehmer Weiterbildung per se ablehnt, wird er in Videokursen genauso wenig lernen, wie in Präsenzseminaren. Bei Personen, die Selbstdisziplin haben und wirklich lernen möchten, kommen Lernvideos aufgrund der zeitlichen Flexibilität und der Möglichkeit der unbegrenzten Wiederholungen gut an.

Wie wird die Nachhaltigkeit des Lernens sichergestellt?

Hier können alle bekannten Formen des Bildungscontrollings eingesetzt werden, genauso wie bei Präsenzseminaren. Was sich bei Online-Video-Kursen zusätzlich gut eignet, sind die bereits angesprochenen Kontrollfragen nach jeder Lerneinheit. Die Fragen dienen nicht nur zur Überprüfung, ob der Inhalt verstanden wurde, sondern sind gleichzeitig noch einmal eine Wiederholung des Inhalts.
Natürlich kann auch klassisch der Output in den Abteilungen gemessen werden, so wie bei anderen Lernformen auch.

Bieten sich Videos auch als Ergänzung zu Präsenzseminaren an? In welcher Art?

Das könnte man zu Recht vermuten, kommt aber eher seltener vor. Für klassische Vorbereitungen oder Follow-ups zu Präsenzseminaren werden primär Kommunikationsplattformen zum Kennenlernen genutzt, auf denen vielleicht ein paar Dokumente hochgeladen werden und Fragen gestellt werden können. Dass ein Unternehmen bzw. ein Trainer ein Lernvideo nach einem Präsenzseminar »schaltet«, kommt so gut wie nie vor.

Für welche Unternehmen eignen sich Lernplattformen mit Lernvideos?

Viele glauben, sie eignen sich nur für Großkonzerne, weil Lernplattformen in der Erstellung zu teuer sind. Das stimmt einfach nicht. Es gibt mittlerweile sehr kostengünstige Möglichkeiten, auch für KMU. Durch eine Plattform kann sehr effizient geschult werden – und das spart Geld. Lernen mithilfe gut aufbereiteter Videos wird immer besser von Menschen angenommen – diesen Trend sehen wir ganz eindeutig. Viele wollen sich nicht zwei Tage Zeit nehmen, um auf ein Seminar zu fahren. Stattdessen holen sie sich das Wissen, wann immer sie es brauchen.

Welche Kurse bieten Sie mittels Lernvideos an?

Wir bieten einerseits Erklärvideos für z. B. Brandschutz oder die Datenschutzgrundverordnung an. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Elemente – einerseits um die Sensibilisierung für das Thema, andererseits um das Vermitteln von Grundkenntnissen. Diese Kurse können je nach Berechtigungsstufen im Unternehmen gestaltet werden, sodass z. B. Führungskräfte andere oder mehr Videos sehen als Mitarbeiter. Ein großer Vorteil ist, gerade bei diesen Themen, dass das Unternehmen jederzeit beweisen kann, dass die Schulung wirklich durchgeführt wurde, und Workflows können aufgrund der Ergebnisse adaptiert werden.
Außerdem bieten wir Qualifikationsvideos an, z. B. zur Verbesserung von Sprachkenntnissen oder zur Vorbereitung auf Prüfungen in diversen Fachgebieten. Je nachdem, was für das Unternehmen sinnvoll ist. Häufig kommt der Content vom Unternehmen, und wir gestalten daraus ein didaktisch aufbereitetes Lernvideo und stellen eine Lernplattform zur Verfügung.

Wie lange dauert es, bis ein Video erstellt ist, und was kostet es?

Wenn wir den Content bekommen, dauert die Erstellung eines 4- bis 5-minütigen Lernvideos ca. 2 bis 3 Wochen. Ein Nachteil von Videos ist der fehlende Trainer. Das bedeutet, dass Teilnehmer nicht einfach nachfragen können, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Daher müssen Videos didaktisch optimal aufbereitet und alle möglichen Fragen schon vorweggenommen werden. Die Kosten sind stark davon abhängig, was das Unternehmen wünscht. Bei fertigen Videos kann das Unternehmen eine unterschiedliche Anzahl an Zugängen kaufen, je nach Menge variieren die Kosten. Sie liegen unter 100,– € inkl. Prüfungsmodulen.
Unternehmen wählen oftmals eine in ihrem »look & feel« zugeschnittene Lernplattform mit einem Kostenrahmen von 3.000,– bis 6.000,– € und lassen sowohl Standardmodule wie auch individuelle Lernmodule von uns implementieren. Beliebt sind auch vorgeschaltete Videos von Führungskräften für ihre Mitarbeiter.

Danke für das Gespräch.

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Röhsner

Martin Röhsner
ist Geschäftsführer von die Berater©, sowie stv. Sprecher der Plattform für berufsbezogene Erwachsenenbildung (PbEB).
www.dieberater.com
www.pbeb.at