Fragen interner Untersuchungen

Dieser Artikel befasst sich mit arbeits- und datenschutzrechtlichen Aspekten von internen Untersuchungen.

Im Rahmen von internen Untersuchungen, die von Unternehmen u. a. aufgrund der neuen »Whistleblowing-Bestimmungen« vermehrt initiiert werden, sind zahlreiche arbeits- sowie datenschutzrechtliche Aspekte und Grenzen zu beachten. In der Praxis stellt sich dabei etwa die Frage, ob Arbeitnehmer im Rahmen interner Ermittlungen zur Auskunftserteilung bzw. zur Teilnahme an Befragungen verpflichtet sind. Der folgende Artikel befasst sich mit der möglichen Durchführung von internen Untersuchungen, deren rechtlichen Grenzen sowie weiteren Praxistipps.

Untersuchungspflicht

Arbeitgeber haben das Recht und in manchen Fällen auch die Pflicht (z. B. im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht bei Mobbing, sexueller Belästigung, i.Z.m Compliance-Verstößen oder kartellrechtlichen Prüfungen etc.), interne Untersuchungen zur Aufklärung und Beseitigung von Missständen durchzuführen. Der Zweck von internen Untersuchungen besteht insbesondere darin, den Verantwortlichen ausreichende Informationen über mögliches Fehlverhalten zur Verfügung zu stellen, damit diese einerseits für dessen rasche Beendigung und künftige Vermeidung sorgen und andererseits – soweit geboten – arbeitsrechtliche Sanktionen verhängen können. Werden im Rahmen der Untersuchung z.B. »personenbezogene Daten« im Sinne der DSGVO (z. B. durch das Screenen von E-Mails) erhoben, so dürfen diese Daten nur für festgelegte und rechtmäßige Zwecke und nur in dem für die Untersuchung erforderlichen Umfang verarbeitet werden. Darüber hinaus muss eine Verarbeitung personenbezogener Daten immer auf einer entsprechenden Grundlage beruhen und darf das Ergebnis nicht länger aufbewahrt werden, als es für die Erreichung des konkreten Zwecks erforderlich ist. Im Falle interner Untersuchungen ist die Rechtsgrundlage für die zulässige Verarbeitung von Daten i.d.R. die Erfüllung vertraglicher und vorvertraglicher Rechte und Pflichten. Als weitere Grundlage werden laut DSGVO »berechtigte Interessen« des Arbeitgebers an der Verarbeitung genannt (wie z. B. bei einem im Raum stehenden strafrechtlich relevanten Sachverhalt oder zwecks Ausübung oder Verteidigung von Ansprüchen), wenn die Grundfreiheiten des Arbeitnehmers diese Interessen im konkreten Fall nicht überwiegen.

Treuepflicht des Arbeitnehmers

Arbeitnehmer sind aufgrund ihrer Treuepflichten grundsätzlich verpflichtet, an internen Untersuchungen mitzuwirken, wenn sie vom Arbeitgeber dazu (im Rahmen von dessen Weisungsrecht) aufgefordert werden. Betrifft die Untersuchung Informationen, die sich auf die Arbeit beziehen, hat der Arbeitgeber ohnehin ein umfassendes Recht auf deren Kenntnis, weil es sich um »Arbeitgeberinformationen« handelt. Arbeitnehmer müssen zur Erfüllung der rechtlichen Vorgaben ihre Kollegen im Betrieb nicht »bespitzeln«. Wenn Arbeitnehmern jedoch Fehlverhalten im Rahmen ihres eigenen Arbeitsablaufs auffällt oder wenn sie Positionen im Unternehmen innehaben, zu deren dienstlichen Pflichten die Leitung und damit auch Kontrolle ihres Teams und der entsprechenden Informationen gehört, sind sie grundsätzlich verpflichtet, diese zu melden. Wenn Arbeitnehmer nicht an der Untersuchung mitwirken, obwohl keine berechtigten Interessen bedroht sind, können sie für den daraus entstehenden Schaden haftbar gemacht werden. Abhängig von den Umständen kann dies auch als Vertrauensbruch bzw. als Verweigerung der Erfüllung berechtigter Anweisungen des Arbeitgebers qualifiziert werden und sohin einen Entlassungsgrund verwirklichen. Der Oberste Gerichtshof hat dazu entschieden, dass ein Arbeitnehmer zwar aufgrund eines bestimmten Fehlverhaltens entlassen werden kann; das Verschweigen des eigenen Fehlverhaltens gilt jedoch nicht als Vertrauensunwürdigkeit. Aufgrund des in Österreich geltenden Selbstbezichtigungsverbots sind Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, Fragen zu beantworten, mit denen sie sich selbst belasten könnten, so dass im Verschweigen solcher Tatsachen auch keine Verletzung von Treuepflichten gesehen wird.

Beweisaufnahme

Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht und zwecks Umsetzung der Compliance-Vorgaben muss der Arbeitgeber i.d.R. so schnell wie möglich Maßnahmen ergreifen, um das Fehlverhalten abzustellen, die notwendigen Beweise zu sammeln und mögliche (bereits eingetretene) finanzielle Schäden durch den Vorfall zu mindern oder zu verhindern. Ergeben Beweisaufnahmen oder Zwischenberichte Hinweise auf ein Fehlverhalten der Arbeitnehmer, das eine Entlassung begründen kann, ist eine abschließende Entscheidung aber noch nicht möglich, muss der Arbeitgeber unverzüglich handeln, weil sonst eine Verfristung der Beendigung aus wichtigem Grund droht. Es empfiehlt sich daher, abhängig von der Schwere der im Raum stehenden Vorwürfe, die Arbeitnehmer für die Dauer der Ermittlungen unter Fortzahlung des Entgelts und unter Vorbehalt weiterer arbeitsrechtlicher Schritte vom Dienst freizustellen. Bei Mobbing- oder Diskriminierungsvorwürfen kann sich die Pflicht des Arbeitgebers zu raschem Handeln auch daraus ergeben, um nicht gegenüber den involvierten Arbeitnehmern schadenersatzpflichtig zu werden.

Ermittlungsmaßnahmen

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Arbeitgeber in der Wahl der Mittel der Untersuchung grundsätzlich frei. Persönliche Befragungen durch Vertreter des Arbeitgebers (mit oder ohne Beiziehung von externen Experten) sind eines der effektivsten Instrumente zur Aufklärung möglichen Fehlverhaltens innerhalb eines Unternehmens und können dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit der betroffenen Mitarbeiter einzuschätzen und ein umfassendes Bild über den Sachverhalt zu gewinnen. Arbeitgeber lassen im Falle einer internen Untersuchung zudem häufig die Internet- und E-Mail-Accounts ihrer Arbeitnehmer überprüfen, um weitere Informationen zum Geschehen zu erlangen. Bei einem generellen Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts (bzw. des Internets) kann aus datenschutzrechtlicher Sicht i.d.R. auf die Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer verzichtet werden. Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmer aber – von den nachstehenden Ausnahmen abgesehen – darüber informieren, dass im Rahmen einer internen Untersuchung eine umfassende Überprüfung bzw. Auswertung ihrer dienstlichen E-Mail-Accounts stattfinden wird. Ist die private Nutzung des beruflichen E-Mail-Accounts erlaubt oder gibt es keine konkreten Anweisungen, ist zwischen geschäftlichen und privaten Daten zu differenzieren. Der Arbeitgeber muss anhand bestimmter Kriterien wie Empfänger und Betreff usw. unterscheiden, ob die untersuchten E-Mails dienstlich sind oder nicht; private Inhalte dürfen nicht durchsucht werden. Die sorgfältige Trennung der Daten sollte möglichst in Anwesenheit des Datenschutzbeauftragten und/oder eines Betriebsratsmitglieds erfolgen. Bei Vorliegen des Anfangsverdachts eines strafrechtlich relevanten Verhaltens ist die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der Untersuchung erlaubt, falls bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen und soweit die konkreten Ermittlungshandlungen nicht außer Verhältnis zur vermuteten Tat stehen.
Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmern während der internen Untersuchung nicht alle von ihm gesammelten Beweise zur Verfügung stellen. Die Arbeitnehmer haben jedoch das Recht, Einsicht in ihren Personalakt zu nehmen, sofern der Arbeitgeber einen solchen führt und haben zudem aus datenschutzrechtlichen Gründen Anspruch auf eine sachliche Information über das konkret vorgeworfene Fehlverhalten. Es gibt keine gesetzliche Regelung, die Arbeitnehmern ein Recht darauf einräumt, Dritte, die nicht zum Unternehmen gehören, an der Untersuchung des Arbeitgebers zu beteiligen. Im Sinne des Grundsatzes der Waffengleichheit ist es Arbeitnehmern aber gestattet, einen der beruflichen Verschwiegenheit unterliegenden Rechtsanwalt hinzuzuziehen, wenn der Arbeitgeber selbst juristische Unterstützung in Anspruch nimmt. Die Arbeitnehmer haben dagegen keinen Anspruch auf Beiziehung von Betriebsratsmitgliedern. Dies wird in der Praxis aufgrund der eingeschränkten Verschwiegenheits- bzw. Entschlagungsrechte in einem späteren Gerichtsverfahren zum Untersuchungsgegenstand vom Arbeitgeber meist abgelehnt.

Umsetzung von Sanktionen

Wenn aufgrund des Verhaltens der verdächtigen Arbeitnehmer eine Entlassung in Betracht gezogen wird, ist es wichtig, diese unverzüglich nach Kenntnis des Arbeitgebers vom Entlassungsgrund auszusprechen. Dies ist der Fall, sobald er Kenntnis über die für eine Beurteilung wesentlichen Einzelheiten des Sachverhalts erlangt hat, so dass er auf deren Basis seine Entscheidung treffen kann. Bei der Beurteilung der Unverzüglichkeit ist neben der rechtlichen Prüfung der Fakten (samt Einholung notwendiger externer Expertise) auch die innerbetriebliche Entscheidungsbildung und die Komplexität der Struktur und der einzubindenden Personen zu berücksichtigen. Wenn diese Umstände eine Verzögerung des Ausspruchs der Entlassung rechtfertigen, geht das Recht zur Entlassung nicht verloren; der Arbeitgeber sollte aber – ohne Freistellung und entsprechendem Vorbehalt weiterer arbeitsrechtlicher Schritte – nicht zu lange warten bzw. den betroffenen Arbeitnehmern durch sein Vorgehen nicht vermitteln, er habe das in Frage stehende Fehlverhalten bereits verziehen.

Fazit und Empfehlung
Interne Untersuchungen spielen in vielen Unternehmen eine wichtige Rolle, weil sie dazu dienen, mögliche Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben, betriebliche Richtlinien etc. aufzudecken und mögliche Haftungen des Arbeitgebers i.Z.m Pflichtverletzungen zu vermeiden. Durch die Untersuchungen kann Fehlverhalten frühzeitig erkannt und können geeignete Maßnahmen zur Compliance und zum Schutz der Rechte und des Wohlergehens der Arbeitnehmer ergriffen werden. Zudem tragen sie und als deren Ergebnis gesetzte Maßnahmen und Verbesserungen wesentlich dazu bei, das Vertrauen der Arbeitnehmer in das Unternehmen und dessen Ruf in der Öffentlichkeit zu wahren. Umso wichtiger ist es daher, bei der praktischen Umsetzung die erwähnten Vorgaben zu prüfen und genau einzuhalten.

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Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
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