Fragetechniken fürs Selbstcoaching

Fragen regen dazu an, sich selbst zu reflektieren, neue Lösungen zu entwickeln sowie andere Perspektiven einzunehmen. In diesem Sinne: ein Text mit vielen Fragen.

Mehr und mehr Ratgeber-Bücher, Podcasts, Apps und digitale Tools zum Thema (Selbst-)Coaching drängen auf den Markt. Manche gleichen dem Konzept von Trainingsplänen, nicht für Bizeps und Ausdauer, sondern für die eigene Persönlichkeit. Andere verfolgen einen Gamification-Ansatz, arbeiten mit positiven Verstärkern, wie z. B. dem Freischalten eines nächsten Levels, oder tracken und analysieren das tägliche Befinden.
Nicht alles, was in diesem Zusammenhang mit »Coaching« betitelt wird, ist im engeren Sinne als Coaching zu verstehen. So definieren Backhausen & Thommen (2009) Coaching als professionelle Form individueller Beratung im beruflichen Kontext. Radatz (2010) beschreibt Coaching als Maßnahme, bei der maßgeschneidert an konkret anstehenden Problemen gearbeitet wird, um diese in möglichst effizienter Zeit zu lösen.
Doch gelingt das auch ohne Coach? Der Begriff »Selbstcoaching« zielt laut Fischer-Epe & Epe darauf ab, die eigene Entwicklung an einem Punkt gezielt und systematisch in die Hand zu nehmen und bewusst zu steuern. Im Idealfall führt dies zur Klarheit eigener Ziele und Handlungsweisen, einem Erkennen von Ressourcen und Potenzialen. Das eigene Verhalten bzw. Verhalten anderer kann überdacht werden, um Schlüsse für das weitere Vorgehen abzuleiten.

Fragen als zentrales Werkzeug

Als eine zentrale Interventionstechnik in Coachings werden Fragetechniken betrachtet. Diese Fragen folgen u. a. oft einem systemisch-lösungsorientierten Ansatz, geprägt von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg und dem Ansatz lösungsorientierter Kurztherapie. Die nachfolgend aufgezeigten Fragetechniken können individuelle Selbstcoachingprozesse unterstützen.

Klarheit der eigenen Ziele erlangen
Zielorientierte Fragen lenken die Aufmerksamkeit auf eine gewünschte Zukunft und beschreiben den erwünschten Zustand. Mitunter decken sie auch die Folgen für die eigene Person und das Umfeld auf. Es kann somit gelingen, Hindernisse aufzuspüren:
Angenommen, es sind sechs Monate vergangen und alles ist so, wie ich es mir wünsche: Wie ist die Situation dann konkret? Was ist konkret anders? Woran würde das mein Umfeld bemerken? Wie fühlt sich diese Situation an? Was kann ich konkret tun, um diesem Ziel einen ersten Schritt näher zu kommen? Wer oder was kann mich dabei unterstützen?
Weitere zielorientierte Fragen könnten lauten: Was sind meine besten Wünsche für diese Situation? Was genau möchte ich gerne erreichen? Was wird sich durch das Erreichen des Ziels verändern? Wer außer mir wird die Veränderungen bemerken? Bis wann möchte ich mein Ziel erreicht haben? Was ist das Beste daran, wenn ich dieses Ziel erreicht habe?

Ressourcen und Potenziale erkennen
Ressourcenorientierte Fragen richten sich auf die eigenen Fähigkeiten, Stärken, Potenziale und/oder vergangene Erfolge. Sie beziehen mitunter auch das Umfeld ein, um nachzugehen, wer oder was Unterstützung bewirkt:
Was ist mir (im vergangenen Jahr/im vergangenen Monat) besonders gut gelungen? Was hat in der Vergangenheit gut funktioniert? Wer oder was hat mich dabei unterstützt? Was möchte ich unbedingt so beibehalten? Wovon möchte ich zukünftig mehr machen? Wie würde das konkret aussehen? Was habe ich bisher erfolgreich unternommen, sodass ein Problem nicht größer wurde? Wie habe ich es geschafft, diese schwierige Situation zu bewältigen? Welche Stärken habe ich, um dieser Herausforderung zu begegnen?

Perspektivenwechsel einnehmen
In manchen Fällen sind alternative Wege oder Möglichkeiten nicht erkennbar, weil eigene Sichtweisen verfestigt sind. In diesem Fall können Fragen unterstützen, die neue oder andere Perspektiven zu einem Sachverhalt ermöglichen. Dazu werden gerne so genannte zirkuläre Fragen herangezogen:
Angenommen, eine Ameise/ein Adler/ein Stier … würde meine Situation betrachten: Wie würde dieses Tier den Sachverhalt beschreiben? Was würde Person XY zu dieser Situation sagen? Wenn ich mich in die Position von XY versetze: Wie ist der Sachverhalt dann?

Eigenes Verhalten überdenken
Die Reflexionsspirale ist ein Modell, das auf einen Ansatz von Terry Borton zurückgeht. Dabei erfolgt ein Reflektieren durch Fragen in drei Stufen und kann nach jeder Runde wiederholt werden. Die Erkenntnisse aus der Vorrunde werden somit, gleich einer Spirale, weiter vertieft: Der erste Schritt befasst sich mit dem Zurückschauen und der Frage »Was ist passiert?«. Im zweiten Schritt folgt die Analyse und Interpretation dessen: »Welche Vor- und Nachteile ergaben sich daraus?« Der dritte Schritt gilt dem Blick in die Zukunft: »Welche Maßnahmen und Planungsschritte nehme ich daraus mit?«, »Welches konkrete Ziel nehme ich mir als Nächstes vor?« Wichtig dabei ist, nicht regelmäßig dasselbe Thema aufzugreifen oder eine zu starke Defizitorientierung einzunehmen.

Gut zu wissen

Selbstcoaching ist nicht immer nur förderlich. Ein ständiges Grübeln und/oder zu wenig Zielgerichtetheit erschweren möglicherweise den Weg zu mehr Klarheit. Wichtig ist also, krankhafte Übertreibungen einer ständigen Selbstreflexion zu vermeiden und nicht Defizit-orientiert vorzugehen bzw. sich auf die eigenen Fehler zu konzentrieren. Bei Nebenwirkungen und in stürmischen Zeiten kann es hilfreich sein, sich mit einer Fachperson in Verbindung zu setzen.

Literatur
Backhausen, W., Thommen, J. (2009). Coaching: Durch systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung. Gabler
Fischer-Epe, M., Epe, C. (2024). Selbstcoaching: Hintergrundwissen, Anregungen und Übungen zur persönlichen Entwicklung. Rowolth Verlag
Friebe, J. (2012). Reflexion im Training. Aspekte und Methoden der modernen Reflexionsarbeit. managerSeminare Verlag
Greif, S. (2008). Coaching und ergebnisorientierte Selbstreflexion, Hogrefe Verlag, Göttingen
Radatz, S. (2010). Einführung in das systemische Coaching. Carl-Auer

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Schweiger_Christin0222

Gastautor
Christina Schweiger
Head of Study Programs
Human Resources & Organization
www.fh-wien.ac.at

 

Maxl-Studler0220

Gastautor
Sigrid Maxl-Studler
Academic Expert &
Lecturer
www.fh-wien.ac.at