Lebensglück erreichen

Ende Februar hatten Top-Führungskräfte die Gelegenheit, Reinhard Sprenger in Wien live zu erleben. TRAiNiNG war dabei – und restlos begeistert.

Reinhard Sprenger kennt im deutschsprachigen Raum nahezu jeder, der im Business steht. Der Managementexperte, Berater und Trainer ist bekannt für seine pointierten und provozierenden Aussagen. Das zeigte er wieder einmal in einem Seminar, das Ende Februar, von Business Circle organisiert, in Wien stattfand. Mit dem Thema »Berufliches Lebensglück im digitalen Zeitalter« trifft Sprenger ein brisantes Thema unserer Zeit. In seinen einführenden Worten erklärte er, was er unter Digitalisierung versteht, nämlich »die grenzenlose Vernetzung riesiger Datenmengen«. Er geht auf die damit verbundenen Herausforderungen im Detail ein. Sofort kommt er in medias res, Sprenger kennt in seinen Vorträgen keine Zeitverschwendung und kein Phrasendreschen.
Er spricht über das Problem der virtuellen Zusammenarbeit. Er erklärt, dass die Auswirkungen von Home-Office viel größer sind, als angenommen. »Virtuelles Führen ist schwer bis kaum möglich, daher sind regelmäßige Treffen ein Muss.« Wenn sich Mitarbeiter und Führungskraft selten sehen, wird gemeinsames Feiern noch wichtiger, damit die menschlichen Werte nicht verschwinden. Sprenger: »Feiern sind Liebeserklärungen an das Leben!«

Auch der persönliche Kommunikationsbedarf steigt dadurch gewaltig an. So sind für Sprenger virtuelle Gespräche nicht optimal. Er rät, alle Themen im Unternehmen, die konfrontativ sein könnten, zumindest am Telefon zu klären, und nicht, wie heute üblich, per E-Mail. »E-Mail tötet Kommunikation.«
Durch das immer schneller werdende Tempo ändert sich für Unternehmen alles. Gemeinsamkeiten des Teams können nicht mehr aus der Vergangenheit erklärt werden, denn häufig gibt es keine gemeinsame Vergangenheit.
Unternehmen müssen sich auf die Zukunft ausrichten und brauchen daher klare Visionen. Personalentwicklung wird schwerer, wenn nicht sogar unmöglich, denn die Verweildauer der Mitarbeiter im Unternehmen wird immer kürzer. »Da ist nicht viel Zeit, um Mitarbeiter sinnvoll zu entwickeln. Führungskräfte müssen den Mitarbeitern klar machen, dass alle gemeinsam an einem zukünftigen Ziel arbeiten, nicht nur jeder an seinem individuellen Ziel«, weiß Sprenger.
Beim Thema Frauen in der Führung gehen die Emotionen im Seminarraum hoch. Sprenger: »Frauenförderungen und Frauenquote ist Würdelosigkeit ersten Grades. Ich verstehe nicht, warum Frauen sich das gefallen lassen.« Und weiter: »Wenn es um mein Unternehmen ginge, würde ich nur Mütter ab 45 Jahren als Führungskräfte einstellen. Doch dazu müssten schnellstens Standardmodelle wie Arbeitszeit, -ort etc. geändert werden.«
Als eine der größten Herausforderungen der Zukunft sieht Reinhard Sprenger den Umgang mit Widersprüchen und das Treffen von Entscheidungen. Es gibt keine falschen oder richtigen Entscheidungen, die in die Zukunft gerichtet sind. Daher macht sich jede Führungskraft, die eine Entscheidung trifft, in gewisser Weise schuldig. 50 % der Belegschaft wird immer anderer Meinung sein. Wer mit diesem Dilemma nicht umgehen kann, sollte nicht Führungskraft werden. Er macht das Beispiel deutlich am bekannten Film »Terror – Ihr Urteil«. Ein Flugzeug mit 164 Menschen an Bord wird entführt. Die Entführer drohen, in ein Fußballstadion mit 70 000 Menschen zu fliegen. »Wer trifft die Entscheidung, das Flugzeug abschießen zu lassen?« 164 Menschenleben gegen 70.000? Es gibt kein richtig oder falsch.
Lebensglück
Wie können wir berufliches und privates Lebensglück erreichen? Sprenger unterscheidet die institutionelle und die individuelle Ebene und zählt 5 Punkte auf, die lebensglücksfördernd am Arbeitsplatz wirken:

1. Steigern der Wahlmöglichkeiten: Führungskräfte sollten dafür sorgen, dass die Wahlmöglichkeiten von Arbeitszeit, -ort, -mittel etc. des Mitarbeiters erhöht werden.
2. Funktionslust: Darunter versteht Sprenger die Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Viele Menschen meinen, das Leben nicht in ihrer Hand zu haben und unterschätzen ihr eigenes Wirken. Menschen wollen aber die Wirkung ihres eigenen Handelns sehen. Planen – Machen – Ergebnis müssen eng aneinander liegen. Sprenger: »Mitarbeiter müssen physisch erleben können, wie sich die Kunden über das Produkt freuen. Besonders in digitalen Welten muss der Kunde physisch wieder ›angelegt‹ werden.«
3. Neugieraktivität: Die Arbeit muss für Menschen ein persönlichkeitsentwickelndes Element haben, um Lebensglück langfristig zu erreichen und zu halten.
4. Sinngebung: Wertelisten von Unternehmen engen die individuelle Sinngebung ein. Ziele erzeugen sogar Sinnlosigkeit. Dadurch wird nur die Zielerreichung zum Sinn und der wahre Sinn des Handelns geht verloren.
5. Romantik: Mitarbeiter wollen nicht nur auf ihre Funktion reduziert werden, sie wollen gebraucht werden. Private, informelle Gespräche sind daher extrem wichtig und von Führungskräften zu fördern.

Auf der individuellen Ebene bietet der Managementexperte im Seminar 3 Punkte an:
1. »Tue, was du magst, an einem Ort, den du magst mit Menschen, die du magst«. Der Satz ist bekannt. Sprenger rät dazu, jeden Punkt auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten und kritisch zu hinterfragen, an welchen Schrauben gedreht und nachgebessert werden muss.
2. Die Beziehung zum direkten Vorgesetzten: Mitarbeiter verlassen das Unternehmen meist wegen Unstimmigkeiten mit Vorgesetzten. Employer Branding ist daher in vielen Unternehmen verbranntes Geld, wenn die Führungskräfte vorher nicht entsprechend geschult und gecoacht werden.
3. Geld: Ist wichtig, aber nicht der entscheidende Faktor. Wenn andere Punkte stimmen, sind die meisten Mitarbeiter bereit, finanzielle Einbußen hinzunehmen.

Abschließend spricht Sprenger über Gründe, warum Menschen häufig nichts verändern und lieber im bekannten Unglück leben als im (vielleicht) noch unbekanntem Glück. Er erzählt von einem Test, in dem 200 Studenten ein Kaffeebecher in die Hand gegeben wurde. Sie konnten aber auch den Becher gegen ein Stück Schokolade tauschen. Rund 70 % behielten den Becher. Umgekehrt gab man 200 Studenten ein Stück Schokolade, auch sie konnten gegen einen Kaffeebecher tauschen. Auch hier: 70 % behielten die Schokolade. Sprenger: »Wir überschätzen, was wir haben und unterschätzen, was wir bekommen könnten.«
Daher sind die allermeisten Menschen lieber unglücklich im eigenen Job oder der eigenen Ehe, bevor sie Veränderung anstreben oder gar zulassen. Geben dann aber gerne anderen die Schuld am eigenen Unglück, ohne zu erkennen, was ihre eigene Entscheidung bewirkt hat.

Fazit
Reinhard Sprenger ist ein Meister darin, komplexe Themen klar auf den Punkt zu bringen. Er denkt um einen oder zwei Schritte weiter als die meisten Menschen und bringt Argumente, die zeitgleich einfach und komplex sind. Sprengers Gedanken, unabhängig vom Seminarthema, passen zu allen Führungsthemen und haben auch für das Privatleben mehr Bedeutung, als es auf den ersten Blick erscheint.

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sprenger

Reinhard K. Sprenger
ist einer der bekanntesten Führungs­experten Deutschlands. Seine Bücher »Mythos Motivation«, »Das Prinzip Selbstverantwor­tung« und andere haben das Führungsver­ständnis vieler Manager nachhaltig verändert.
www.sprenger.com