Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz

Welche rechtlichen Konsequenzen Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz mit sich bringen können, beschreibt die Rechtsanwältin Natalie Hahn.

Wenn Amor zugeschlagen hat und zwei Mitarbeiter miteinander eine intime Beziehung eingegangen sind, stellt sich aus Arbeitgebersicht die Frage nach einer Beeinträchtigung von Arbeitgeber-Interessen dahingehend, dass einer der beiden Mitarbeiter das Interesse des jeweils anderen vor jenes des Arbeitgebers stellen oder die Objektivität beeinträchtigt sein könnte.
Daher sehen interne Unternehmens-Richtlinien, die üblicherweise Titel wie »Code of Conduct« oder »Conflicts of Interest Policy« tragen, vor allem in internationalen Konzernen mitunter eine Meldepflicht vor, wenn Mitarbeiter, die zueinander in einer direkten oder indirekten Berichtsebene stehen, eine Liebesbeziehung miteinander eingehen. Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Zulässigkeit von einschlägigen Meldepflichten und geht der Frage nach, welche Maßnahmen Arbeitgeber in einschlägigen Konstellationen setzen können und sollten.

Rechtliche Aspekte bei Liebes­beziehungen am Arbeitsplatz

Während in amerikanischen Unternehmen »Liebes- und Flirtverbote« und sogenannte »Liebesverträge«, wonach Mitarbeiter vertraglich festhalten, dass sie eine Beziehung eingehen wollen und keine Belästigung vorliegt, nicht unüblich sind, entsprechen derartige Gepflogenheiten nicht den Usancen am österreichischen Arbeitsmarkt.

Der Grund hierfür liegt vor allem im allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß § 16 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), das insbesondere das Recht umfasst, Beziehungen zu Mitmenschen nach eigenem Willensentschluss bestimmen zu können. Hierzulande werden von der Rechtsprechung bei Eingriffen in Persönlichkeitsrechte strenge Maßstäbe angelegt.
Eine Meldepflicht im Hinblick auf das bzw. vor Eingehen einer Liebesbeziehung am Arbeitsplatz ist nicht grundsätzlich unzulässig, wobei eine Meldepflicht aber kein unzulässiges Verbot (beispielsweise ein Flirt- oder Liebesverbot an sich) bewirken darf. Je größer der Verantwortungsbereich und/oder höher der Job-Level des jeweiligen Mitarbeiters ist, desto eher sind Interessenkonflikte denkbar und damit Meldepflichten zulässig. Die aus dem Arbeitsvertrag herrührende, den Mitarbeiter treffende Treuepflicht reicht umso weiter, umso höher die Position des Mitarbeiters ist. Die Treuepflicht eines Managers wird daher weiter in private Bereiche hinein reichen als jene einer einfachen Assistentin. Für den Arbeitgeber sind die Gestaltungs- und Einflussnahmemöglichkeiten – aufgrund des gesetzlich verankerten Persönlichkeitsrechts – jedoch sehr eingeschränkt.

Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz sind in Österreich grundsätzlich erlaubt, solange das Verhalten der Mitarbeiter das Betriebsklima nicht gröblich benachteiligt und Arbeitgeberinteressen gefährdet sind. Der Austausch von Zärtlichkeiten – wie das Küssen in der Kaffeeküche oder sexuelle Kontakte – während der Arbeitszeit sind ein »No-Go«. Vom Mitarbeiter kann aber unter Berufung auf seine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber nicht verlangt werden, überhaupt keine Liebesbeziehung mit einem Arbeitskollegen oder Vorgesetzten einzugehen. Dies würde das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters verletzen. Aufgrund der den Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern treffenden Fürsorgepflicht ist dieser jedoch angehalten, Maßnahmen – wie eine Versetzung (siehe dazu unten) – zu ergreifen, wenn das Verhalten der Mitarbeiter geeignet ist, das Betriebsklima nachteilig zu berühren oder Liebesbeziehungen zwischen Mitarbeitern Potenzial haben, sich negativ auf die Belegschaft auszuwirken oder potenzielle Interessenkonflikte bei den beiden, die Beziehung unterhaltenden Mitarbeitern aufkommen zu lassen, ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht und die Objektivität potenziell beeinträchtigt ist.

Gefährdung von Arbeitgeberinteressen

In einem ersten Schritt sind Arbeitgeber somit gut beraten abzuklären, ob ihre Interessen durch das Eingehen einer Liebesbeziehung zwischen Kollegen gefährdet und/oder die Objektivität der involvierten Mitarbeiter beeinträchtigt sein könnte. Dabei ist es wichtig, klarzustellen, dass das Eingehen einer Beziehung zwischen Mitarbeitern an sich freilich Privatsache und nicht zu beanstanden ist, sondern nur das Nicht-Melden und allfällige Abstreiten in einschlägigen Konstellationen.
Meldepflichten, einschlägige Liebesbeziehungen anzuzeigen, sind an sich als zulässig zu qualifizieren. Denn dem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei zu entscheiden, wie er sein Unternehmen organisiert und ob er einen der beiden Mitarbeiter zur Vermeidung von Interessenkonflikten – freilich unter Beachtung der vertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen – an einen anderen Arbeitsplatz versetzt oder Berichtslinien umgestaltet etc.

Allfällige Folgen

Aus Arbeitgebersicht stellt sich in einschlägigen Konstellationen die Frage, ob die Liebesbeziehung zu einem Kollegen bzw. einer Kollegin, ein allfälliges Nichtmelden einer solchen Beziehung oder ein anschließendes Leugnen Anlass für den Ausspruch einer Verwarnung, einer Kündigung oder allenfalls sogar einer Entlassung sein könnte.
Nach österreichischem Recht bedarf eine Kündigung bekanntlich grundsätzlich keines Grundes. Sollte der Mitarbeiter die Kündigung jedoch wegen Sozialwidrigkeit anfechten, muss der Arbeitgeber diese entweder durch betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers gelegene Gründe rechtfertigen. Die Chancen des Arbeitnehmers mit der Anfechtung der Kündigung erfolgreich durchzudringen, hängen vom Alter des Arbeitnehmers, der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Ausbildungs- und Erfahrungsstand, allfälligen Sorgepflichten, sonstigen Dienstpflichtverletzungen etc. ab, die vom Gericht im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Arbeitgeber können eine ausgesprochene Kündigung nur dann erfolgreich rechtfertigen, wenn das Interesse des Unternehmens das Arbeitsverhältnis zu beenden als größer als jenes des Mitarbeiters an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bewertet wird. Dringt der Arbeitnehmer durch, ist die Kündigung unwirksam und ist er weiter zu beschäftigen.

Gehen zwei Mitarbeiter eine nach unternehmensinternen Regelwerken an sich zulässigerweise zu meldende Liebesbeziehung miteinander ein, kann damit eine die Kündigung rechtfertigende Vertrauensunwürdigkeit einhergehen. Das Nichtmelden der Liebesbeziehung und eine allfällige Uneinsichtigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit der Meldung zum Schutz der Interessen des Arbeitgebers zwecks Vermeidung potenzieller Interessenkonflikte verstößt nämlich mitunter nicht nur gegen interne Compliance Richtlinien, sondern es kann aus Arbeitgeber-Sicht auch die Vertrauensbasis zerstört sein. Ob dies der Fall ist, hängt u. a. von der Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers und auch von der Stellung des Mitarbeiters ab.

§ 27 Z 1 AngG berechtigt den Arbeitgeber sogar zur Entlassung, wenn sich der Arbeitnehmer einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig macht. Das ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn infolge des Verhaltens des Arbeitnehmers vom Standpunkt eines vernünftigen Arbeitgebers die objektive Befürchtung besteht, dass seine Interessen durch den Arbeitnehmer gefährdet sind. Ob eine Vertrauensunwürdigkeit vorliegt, hängt entscheidend von der Stellung des Arbeitnehmers und dessen Gesamtverhalten ab. An das Verhalten von Arbeitnehmers in höherer Position wird daher ein strenger Maßstab angelegt und reichen die Einflussnahmemöglichkeiten des Arbeitgebers hier weit in private Bereiche hinein. Eine Rolle spielen kann auch, wenn sich Mitarbeiter regelmäßig auf Auslandseinsätzen befinden. Das führt nämlich dazu, dass Mitarbeiter einer weniger starken Kontrolle unterliegen. Arbeitgeber sind dann stärker darauf angewiesen, dass sich Mitarbeiter strikt an Compliance Vorschriften halten und sich mit diesen auch tatsächlich identifizieren. Ein Arbeitnehmer in höherer Position ist an einem anderen Maßstab zu messen, als etwa eine einfache Assistentin einer beliebigen Abteilung, die an einem bestimmten Standort stationiert ist. Der Verstoß gegen Compliance Vorschriften und eine allfällige Uneinsichtigkeit anlässlich eines Hinweises auf einen Verstoß gegen vorgesehene Meldepflichten können dann im Einzelfall die Vertrauensbasis des Arbeitgebers in den Mitarbeiter zerstören. Eine Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters kann im Einzelfall den betrieblichen Arbeitgeber-Interessen abträglich sein.

Fazit
Der Umgang des Arbeitgebers mit Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz und auch allfällige von ihm zulässiger Weise zu ergreifende Maßnahmen hängen vom Einzelfall und von den mit dem Eingehen der Beziehung einhergehenden potenziellen Folgen ab.

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Hahn

Gastautorin
Natalie Hahn
verfügt über mehr als elf Jahre Berufserfahrung als Rechtsanwältin und ist seit Oktober 2017 Partnerin der
Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
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