Make Workshops great (again)!

Vergiss Kontrolle, Show und Selbstinszenierung – in diesen 7 Thesen steckt der Schlüssel zu wirklich wirkungsvollen Workshops.

In einer zunehmend polarisierten Welt stellt sich uns immer wieder die Frage: »Wie können wir als Verantwortliche für Lernen, Training oder Entwicklung zu echtem Wachstum, offenem Diskurs und wirklicher Verbundenheit beitragen?« Denn autoritäres Gehabe, Demonstrationen von Dominanz und Überlegenheit oder Inszenierungen, die den Fokus auf den »Showmaster« richten, gibt es wahrlich genug.

Wie können wir daraus handlungsleitende und konstruktive Prinzipien für Lernkontexte ableiten? Prinzipien, die die Beziehung zur Gruppe und unter den Teilnehmern in den Vordergrund stellen und so ein Lernen untereinander und ein Wachstum miteinander möglich machen?
In 7 Thesen versuchen wir Anregungen zu geben, die hoffentlich zu besseren Workshops und definitiv zu angeregten Diskussionen beitragen können.

1. »Das mit den objektiven Wahrheiten ist ein rührender Irrtum.«
Zitieren wir Gunther Schmidt und nun könnte man meinen, wir wollten uns den Propheten des Postfaktischen anschließen. Im Gegenteil: Natürlich gibt es Dinge, die objektiv um uns herum geschehen. Aber wie wir diese Dinge erleben, passiert in uns drinnen und ist damit hochindividuell. Wenn die Kaffeetasse auf dem Boden zerschellt, ist sie kaputt. Doch während einer Person weiter die Ohren klingeln, trauert eine andere um ein lieb gewonnenes Geschenk und noch jemand sucht den Lappen. Einer plant schon die Neuanschaffung und die fünfte Person durchlebt sehr empathisch den Koffeinmangel. Wenn wir anerkennen können, dass diese Wahrnehmungsunterschiede Wirklichkeit sind, ebnen wir damit den Weg zu echtem und konstruktivem Austausch.

2. Reden reicht nicht – Erlebnisse sind der Schlüssel
Wenn nun alle Teilnehmer von ihren Erfahrungen mit zerbrochenem Porzellan reden, dann ist das gemeinsam Erlebte ein entscheidender Bezugspunkt. Beziehe ich mich auf abstrakte Begriffe und unterschiedliche Assoziationen oder auf ein konkretes Ereignis? Die Kunst besteht darin, solche Ereignisse und gemeinsame Erlebnisse zu schaffen und damit die Kommunikation gleichsam zu »kalibrieren«. Das kann durch spielerische Interventionen gelingen, durch gemeinsame Exkursionen zum Ort des Geschehens oder auch das Anschauen eines Videos.

Doch wer zusammen aus einem Escape-Raum entkommen ist, eine Brücke gebaut oder ein Puzzle gelöst hat, hat damit auch Bezugspunkte für Kommunikation geschaffen. Idealerweise haben Trainer das Geschehen aufmerksam beobachtet und können ebenso wie die Gruppe auf die Erlebnisse Bezug nehmen und ihre Perspektive beisteuern. Und während unter anderen Umständen noch an der Definition von »Brücken bauen« gefeilt würde, hat man nach dem Bau-Projekt schon etwas Handfestes und der Begriff versteht sich im wahrsten Sinne des Wortes von selbst.

3. Wer »aufgleist« wird Entgleisungen ernten! 
…denn »Worte kreieren Welten«.
Sprache ist ein mächtiges Werkzeug. Und die Worte, die wir wählen, verbinden sich mit den Netzwerken unserer Erinnerung zu neuen Erlebnissen. Wenn wir in sprachlichen »Grabenkämpfen« von »Deadline« zu »Deadline« hecheln, nebenbei im Vertrieb noch »eine Front aufmachen«, »zwei Lieferanten aufgleisen« und »Märkte penetrieren« bis »die Hütte brennt«, dann grenzt es schon an ein Wunder, wenn niemand zu Schaden kommt.

Den Menschen, die vor der Gruppe stehen, kommt eine besondere Verantwortung zu, den Ton zu setzen, verbal und non-verbal zu deeskalieren und einen friedlichen und inspirierenden Raum zu schaffen.
Und dabei geht es nicht um Sprechverbote oder gegenseitige Korrekturen, sondern einzig und allein darum, welche Wirkung unsere eigenen Worte entfalten und – welche Welt sie kreieren.

4. Control what you can, let go what you can’t. 
Dass Vorbereitung »alles« sei, haben die meisten vermutlich schon einmal gehört. Aber es bleibt die Frage, was da eigentlich vorbereitet werden soll. Die Beschäftigung mit friedvoller Sprache (vgl. 3.) lädt beispielsweise dazu ein, den Worten, mit denen man die Veranstaltung einleitet, vorab besondere Beachtung zu schenken und damit einen ersten Rahmen zu bieten. Gleiches gilt für den Raum, für gutes Licht, Luft, Wasser und Heißgetränke zur rechten Zeit.

Dagegen ist davon abzuraten, die Agenda bis ins kleineste Detail zu polieren: Nichts gegen Zeitfenster, methodische Optionen und vorausschauende Planung. Aber sobald Menschen den Raum betreten, sind die meisten Pläne hinfällig und manisches Pochen auf den Zeitplan erzeugt hauptsächlich Widerstände.
Investieren wir einen guten Teil der Vorbereitungsenergie doch lieber darein, den Teilnehmern beste Voraussetzungen zu bieten, und vertrauen den Menschen und dem Prozess (der auch mit dem anderen Teil des Energieeinsatzes gut vorbereitet sein kann).

5. Die Quadratur des Kreises ist die Quadratur des Kreises.
Will heißen: Das, was im Kreis gelingt, gelingt so gut in keiner anderen Form. Denn eines der mächtigsten Mittel der Beziehungsgestaltung im Raum ist die Sitzordnung. Spricht einer von der Bühne »von oben herab« zu den anderen? Vielleicht auch, wenn die Bühne »nur« von einen »U« aus Stühlen gebildet wird? Schaffe ich Distanz und echte Barrieren durch Tische? Das kann gewollt und berechtigt sein.

Doch wenn ich Offenheit und Vertrauen schaffen will, wirkt kein Raum-Set-up so verbindend wie ein bewusst gestalteter Kreis. Wenn in der Mitte kein Lagerfeuer möglich ist – und das ist in Konferenzräumen nicht unwahrscheinlich – helfen andere Symbole, die als Zentrum wirken. Eine Kerze, ein Blumenstrauß oder ein Symbol, das die Intention der Gruppe zum Ausdruck bringt.

In einem solchen Kreis begegnen wir uns als Gleiche und die viel zitierte Augenhöhe wird greifbar. Und als Gleiche können wir uns Verantwortung teilen – für die gemeinsame Zeit und damit für das Ergebnis.

6. Die Bedürfnisse von Trainern sind nicht relevant.
Um dem Aufschrei zuvorzukommen: Diese These bezieht sich nicht auf menschliche Grundbedürfnisse wie einen achtungsvollen Umgang, Zeit fürs Mittagessen und die gelegentliche Bio-Pause.

Gemeint ist die Bedürfnislosigkeit gegenüber der Gruppe und deren Prozess: »Ich brauche nichts von Euch, um meinen Selbstwert zu konstruieren«. Wenn ich mit dieser Haltung arbeite, kann ich mich zum Diener des Lern- oder Entwicklungsprozesses machen, ohne Selbstinszenierung und Pathos. Und damit die Dienerschaft nicht überhandnimmt, lohnt es sich Vereinbarungen für die Zusammenarbeit zu treffen, wie zum Beispiel über die geteilte Verantwortung (vgl. 5.).

7. Das Kreieren von Motivation ist eine Illusion.
Die Abhandlung zur Motivationspsychologie überlassen wir anderen und nehmen es als Fakt, dass die Gruppe nicht motiviert werden kann, »irgendetwas« auf Anweisung zu tun. Denn Menschen schützen ihre Autonomie, auch wenn das auf Kosten von Beziehungen geht.
»Wenn Du mir sagst, was ich zu tun habe, dann sieh mal zu wie das gelingt!«

Als Trainer dürfen wir uns gerade deshalb durchaus entspannen. Denn auch nach stundenlanger und akribischer Vorbereitung können wir nur eines tun: Ein attraktives und ehrlich einladendes Angebot machen. Dem wohnt inne, das Teilnehmer dieses Angebot auch ausschlagen können, wenn es an ihren Bedürfnissen vorbeigeht. Darauf mit Demut und Offenheit zu reagieren und in den Dialog zu gehen, mag sich wie Stillstand anfühlen, ist aber in Wirklichkeit die Chance zum Wachstum in eine neue und vielleicht unerwartete Richtung.

Wenig überraschend ist diese Liste weder abschließend noch als »detailliertes Rezept« zu verstehen. Doch hoffentlich bietet sie einige Denkanstöße, Inspirationen oder Erinnerungen, die Menschen in Workshop-, Lern- und Entwicklungssettings zugutekommen.

Zusammenfassend wollen wir unterstreichen, dass die GREATNESS nicht darin liegt, sich vor der Gruppe groß zu machen, sondern vielmehr, anderen den Raum zu geben und auf die Ausgewogenheit der unterschiedlichen Stimmen zu achten – für großartige Workshops.

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Gastautor
Bastian Karrasch
ist Trainer, Führungskraft, Facilitator und seit 2022 Geschäftsführer von METALOG training tools. Er sitzt wirklich gerne zu Gesprächen am offenen Feuer, besonders wenn vorher auch das Essen darauf gekocht wurde.
www.metalog.de

 

Gastautor
Tobias Voß 
hat METALOG training tools 2002 gegründet und ist seit jeher der kreative Kopf hinter den Lernprojekten und Workshops. Seine Bergtouren haben idealerweise ein kulinarisch attraktives Ziel.
www.metalog.de