Mit dem Leben in Balance

Im Vergleich zu Bürgern anderer Länder fällt es Österreichern schwerer, den -Ausgleich zwischen Arbeits- und Freizeit zu schaffen. Nur etwas mehr als die Hälfte der Angestellten in Österreich sind mit dem Verhältnis zufrieden. Das -behauptet zumindest der »Regus Work:life Balance Index« von 2013. Die -glücklichsten Angestellten gibt es übrigens in Mexiko, Indien und Brasilien.

Work-Life-Balance ist ein Schlagwort der aktuellen Zeit, wobei es meistens heutzutage nur noch Life-Balance genannt wird, um damit zu unterstreichen, dass Arbeitszeit auch Lebenszeit ist. Junge Generationen unterscheiden weniger zwischen Arbeits- und Freizeit.

Monika Herbstrith-Lappe (Impuls & Wirkung – Herbstrith Management Consulting) sagt zu dieser Unterscheidung: »In klassischen Zeitmanagementtrainings wird empfohlen, Be-ruf-liches und Privates strikt zu trennen. Viel sinnvoller ist es, Privat- und Berufsleben miteinander zu verbinden. So lassen sich in der Freizeit erworbene Kompetenzen auch her-vorragend beruflich nutzen und umge-kehrt. In Management-Trainings werden syste-mische Fähigkeiten mühsam trainiert. Wer es versteht, die unterschiedlichen familiären Interessen immer wieder unter einen Hut zu bekommen, die vielen großen und kleinen Aufgaben zu koordinieren und mit den vielen Unberechenbarkeiten zu jonglieren, erwirbt umfassende Management-Fähigkeiten.«

Kampf der Generationen

Erstmalig wurden im Regus Work:life Balance Index 2013 Generationen getrennt voneinander betrachtet und es zeigen sich tatsächlich Unterschiede bei der Wahrnehmung der Life-Balance. Demnach verzeichnen die Generationen X und Y eine leicht höhere Zufriedenheit als die Babyboomer-Generation. Die Erklärung liefert die Studie gleich mit: Babyboomers sind tendenziell stolzer darauf, hart und viel zu arbeiten als Generation X und Y, die sich weniger mit dem Arbeitgeber »loyalisieren«. Sie haben auch weniger »Angst« vor dem Arbeitgeber und daher weniger Scheu, nach flexiblen Arbeitsbedingungen zu fragen. Für die Generation Babyboomer handelt es sich um einen Akt der Balance zwischen Beruf und Familie, während für die Generation X abwechselnde Phasen von Erwerbstätigkeit und Phasen der Kindererziehung oder außerberuflicher Tätigkeiten typisch sind. Angehörige der Generation Y legen weniger Wert auf die Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit und zielen vor allem darauf ab, die eigene Zeit sinnvoll und nützlich einzusetzen.

Veronika Aumaier (Geschäftsführerin AUMAIER COACHING|CONSULTING GMBH) erläutert ihre Erfahrungen mit den unterschiedlichen Generationen: »Die Generation Y hat viel besser gelernt, auf die eigenen Wünsche und Ansprüche zu achten. Dies ist vor allem ein Wertethema. Ist es für die Generation X sehr entscheidend gewesen, Karriere zu machen, so ist das Interesse der Generation Y auf Freizeit und Familie/Freunde gerichtet. Das ist ein Wertewandel, den diese Generation auf Basis eines existenzsichernden Wohlstandes besser vollzogen hat. Lediglich punkto Familienleben – gerade auch in der Generation Y – bringt das noch größtenteils vorherrschende traditionelle Wunschrollenbild des ›Geld verdienenden Vaters‹ und der ›Kinder erziehenden Mutter‹ Sand in das Getriebe der Life-Balance. Da würde ein großes Netzwerk an Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder der Doppelverdiener für den nötigen Ausgleich sorgen. Eine Veränderung an Werten und gegenseitigen Erwartungen, die selbst die Generation Y noch nicht ganz vollzogen hat.«

Die Unternehmensberatung Odgers Berndtson befragte zu den gesellschaftlichen Veränderungen die 500 größten deutschen Unternehmen. Mehr als 70 % der HR-Chefs sagen, dass der Führungsnachwuchs immer seltener bereit sei, berufliche über private Lebensziele zu stellen. In einer weiteren Studie stellten die Berater von Odgers Berndtson fest, dass für den Führungsnachwuchs die Lebenszeit, die sie bereit sind in den Job zu stecken, von gut 60 % (2013) auf maximal 52 % sinken müsste.

Ronny Hollenstein (Geschäftsführer ic2 concepts & trainings): »Ich glaube, dass sich die Menschen heute selbst wichtiger nehmen als früher. Persönliche Sinnerfüllung und der Wunsch, hinter dem stehen zu können, was sie tun und sind, haben an Bedeutung gewonnen. Natürlich muss die Arbeit ein finanzielles Auskommen sicherstellen, aber in Anbetracht der Komplexität der Umwelt ist die Handhabbarkeit des eigenen Lebensbereiches immer wichtiger geworden.«

Elisabeth Jelinek (Geschäftsführerin Jelinek Akademie) sieht das so: »Die Gesellschaft verliert immer mehr die Mittelschicht. Die Ausbeutung und Gier greift um sich. Für immer mehr Menschen wird es schwieriger, in eine Balance zu kommen, da der ›Lebenskampf‹ – die Sorge um die Existenz – zu dominieren beginnt.«

Persönliche Balance

Das Thema Life-Balance ist für jede Person je nach Lebensphase  in unterschiedlicher Ausprägung relevant und aktuell. Für einen Studienabsolventen, der gerade ein Traineeprogramm bei einer Bank absolviert, gelten andere Voraussetzungen als für eine frisch geschiedene, alleinerziehende Mutter mit einem Teilzeitjob. Ebenfalls gibt es unterschiedliche Ausgleichsmöglichkeiten für den Stress im Beruf. Für den einen ist es das Reisen, für den nächsten Sport und für den dritten die Zeit mit den eigenen Kindern. Es gibt viele Tipps, wie Menschen ihr Leben unter Kontrolle bringen können. Hier lesen Sie einige davon:

Ronny Hollenstein:

Versuche nichts zu ändern, was du nicht ändern kannst!

Gehe immer wieder auf Distanz zu den Problemen – sieh sie in einem längerfristigen Kontext oder grundsätzlicher, damit du den Blick aufs Wesentliche nicht verlierst!

Zügle deinen Perfektionismus, indem du dich fragst, worin du wirklich perfekt sein willst – und worin nicht!

Monika Herbstrith-Lappe:

Am Morgen mit der Frage in den Tag starten »Worauf freue ich mich – in allen Lebensbereichen?«

Werde Experte für die lebenswichtigen Fragen: »Was tut mir gut?« und »Wie kann ich entspannen und auftanken?«

Die Totenbettperspektive »Wie möchte ich dankbar auf ein erfülltes Leben zurückblicken?« hilft, die wahren Prioritäten im Leben zu erkennen.

Ursula Autengruber:

Lerne deine persönliche Biostruktur kennen (Stärken/Fähigkeiten/Risiken).

Such dir einen Job, der dir Spaß macht.

Gestalte dein Umfeld so, dass du gut arbeiten kannst.

Veronika Aumaier

Coaching wahrnehmen, wenn die Arbeitsfreude sinkt und die Energie für private Unternehmungen merklich abnimmt. Wenn dadurch Klarheit über die Situation und Lösungen er-arbeitet sind, kleine Ausbalancierungen vor-nehmen wie bspw: pünktlicher nach Hause gehen, »Handy-Auszeiten«, Aufgaben de-legieren, sich abgrenzen, Entspannungssport wie Yoga, langsames Laufen oder spazieren gehen statt Leistungssport, regelmäßig Kurz-urlaube einplanen, Familie und Freunde treffen etc.

Elisabeth Jelinek

Lerne und arbeite an deiner inneren Stabilität und – habe oder entwickle Vertrauen ins Leben.

Lerne im Jetzt zu leben.

Erkenntnisse alleine genügen nicht – Handeln ist wichtig und dabei ist die Politik der kleinen Schritte ein recht kluger Ansatz.

Balance im Unternehmen

Mittlerweile hat das Thema Life-Balance für die Personalarbeit in Unternehmen eine enorme Bedeutung. Mitarbeiter die unausgewogen sind, bringen häufig nicht die gewünschte Leistung, und damit wird das Thema für Unternehmen relevant. Außerdem steigt die Loyalität der Mitarbeiter und das Betriebsklima verbessert sich nachweislich, wenn sich das Unternehmen dem Thema annimmt. Die Fehlzeiten und die Fluktuation nehmen ab, woraus Kosteneinsparungen resultieren. Und auch das Arbeitgeber-Image verbessert sich, wodurch attraktive Mitarbeiter angelockt werden.

Monika Herbstrith-Lappe: »In erster Linie ist natürlich jeder einzelne Mitarbeiter gefragt, für die Ausgewogenheit seiner einzelnen Lebensbereiche zu sorgen. Eigenverantwortung und Eigenwirksamkeit zu fördern, stärkt die Stressresistenz und die Krisenfestigkeit. Gut gemeinte Rücksichtnahme wird leicht zur diskriminierenden Bevormundung. In der Medizin gibt es nicht nur den Placeboeffekt, dass etwas bereits zur Heilung führt, wenn man daran glaubt, sondern auch den gegenteiligen Noceboeffekt. Wohlwollendes Mitleid wie z. B. der Satz ›Kein Wunder, dass es Ihnen schlecht geht, bei der vielen Belastung, der Sie ausgesetzt sind‹ drückt zusätzlich auf die Schultern und verschlimmert die Symptome. Führungskräfte sind gefordert, flexible Rahmenbedingungen zu schaffen, um unterschiedlichen Lebensmodellen und -phasen gerecht zu werden. Ganz wesentlich ist gerade für gesunde Life-Balance die Vorbildwirkung der Führungskräfte. Ihr eigenes Handeln ist die größte Ermutigung und Bestärkung für die Mitarbeiter, achtsam ihr (Berufs-)Leben zu gestalten.«

Ronny Hollenstein über die Verantwortung im Unternehmen: »Ich bin ebenfalls der Meinung, dass grundsätzlich der Mitarbeiter selbst für seine Life-Balance verantwortlich ist. Als weiterer wichtiger Einflussfaktor auf die Life-Balance des Mitarbeiters ist sein Vorgesetzter zu nennen, der ihm Klarheit schuldet und ihn so führen sollte, dass demotivierende Faktoren möglichst gering gehalten und Motivatoren möglichst zahlreich vorhanden sind. Beispiele dafür sind: klares, wertschätzendes und konstruktives Feedback, Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, stimmige Aufgaben, fordernde aber nicht überfordernde Ansprüche usw.«

Veronika Aumaier weiß, welche Rolle das Unternehmen für die Life-Balance der Mitarbeiter einnimmt: »Wir sind mittlerweile in vielen Branchen ›Wissensarbeiter‹, das braucht andere Rahmenbedingungen, die das Unternehmen gestaltet muss, wie bspw. Vertrauensarbeitszeit, Home-Office-Tage, mobiles Equipment wie Handy, Laptop, Tablet etc. Die Verantwortung ist aus meiner Sicht dreigeteilt:

HR-Abteilungen, die im Rahmen der noch herrschenden gesetzlichen Regelungen die Rahmenbedingungen schaffen.

Führungskräfte, die eine solide Vertrauensbasis mit ihren Mitarbeitern haben, um diese Rahmenbedingungen im Alltag erfolgsversprechend leben zu können.

Und es braucht Mitarbeiter mit erhöhter Eigen-verantwortung, unternehmerischen Den-ken, und Selbstständigkeit, die mit Freiraum verantwortungsvoll für sich selbst und für das Unternehmen umgehen können.

Nehmen wir als Beispiel die Vertrauens-arbeitszeitregelungen: Das bedeutet, dass der Mitarbeiter im Rahmen der gesetzlichen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit seine Arbeitszeitaufzeichnungen eigenständig führt und somit die Erledigungen seiner  Aufgaben frei einteilen kann. Das Risiko, ›Tag und Nacht‹ zu arbeiten und für Familie, Freunde und eigene Hobbies nicht mehr genügend Zeit zu haben, ist dabei nicht weg zu leugnen. Es braucht daher den richtigen Job, die richtigen Rahmenbedingungen und den richtigen Mitar-beiter.«

Die Rolle eines Trainers

Es obliegt also sowohl dem Mitarbeiter als auch dem Unternehmen, für die Life-Balance der Mitarbeiter zu sorgen. Was kann daher ein externer oder auch ein interner Trainer für das Thema beitragen?

Ronny Hollenstein: »Trainer können den Teilnehmern innere Haltungen vermitteln, die die Work-Life-Balance fördern. Beispielsweise eine Stärkung der Realitätsakzeptanz, Faktoren zur Steigerung der Frustrationstoleranz, eine lösungs- und zukunftsorientierte Grundhaltung, Umgang mit destruktiven Emotionen, Visionsarbeit und Prioritätensetzung, ›nein‹ sagen können und Grenzen ziehen lernen, Rollenbewusstsein, Umgang mit Zeitdieben, Umgang mit verletzenden Aussagen und destruktivem Verhalten, Selbstbewusstseins- und -vertrauensarbeit usw. Wichtig dabei ist aber, immer zu betonen, dass schlussendlich die Person selbst Verantwortung für ihr Wohl trägt.«

Monika Herbstrith-Lappe: »Ein Externer kann sich weiter aus dem Fenster lehnen und hat mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um beschränkende Glaubenssätze zu hinterfragen und einen Perspektivenwechsel zu erzielen.«

Elisabeth Jelinek: »Als Trainerin zum Thema Lebensbalance arbeite ich mit meinen Seminarteilnehmern in erster Linie am Bewusstsein, an der Selbstliebe – nicht zu verwechseln mit Egoismus. Wir begeben uns auf die Suche nach unseren Bedürfnissen und Ressourcen, wir filtern heraus, wo ein Teilnehmer Unterstützung braucht oder Lernbedarf besteht. Dort kann ich ganz gezielt mit unterschiedlichsten Methoden ansetzen.«

Ursula Autengruber (Geschäftsführerin Structogram Österreich): »Ein Trainer kann dem Unternehmen nach einer Analyse Möglichkeiten und ›Missstände‹ aufzeigen. In Seminaren kann der Trainer den Teilnehmern Möglichkeiten bieten, ihre persönlichen Stärken und Fähigkeiten zu erkennen, aber auch die Schwierigkeiten und Risiken aufzeigen, die sich durch ihre persönliche Biostruktur ergeben. Damit verstehen die Teilnehmer gut, für welche Aufgaben sie sich eignen und welche Tätigkeiten sie eher vermeiden sollten, weil diese ihnen viel Kraft, Konzentration und Überwindung kosten (Burn-out-Gefahr). Zusätzlich zur Analyse und Reflexion kann der Trainer auch Werkzeuge und Methoden anbieten, die Entspannung und Erholung bringen, um nach einer anstrengenden Phase wieder in Balance zu kommen.«

Maßnahmen

Wie sollen nun Geschäftsführer, HR oder Führungskräfte damit beginnen, für eine höhere Balance der Mitarbeiter zu sorgen? Grundsätzlich kann gesagt werden: Egal wie, Hauptsache die Unternehmen tun etwas! Einige mögliche Punkte sind:

Schulungen

flexiblere Arbeitszeiten fördern

betriebliche Gesundheitsförderung

betriebsinterne Kinderbetreuung/Kindergarten

Home-Office fördern

Gesunde Ernährung/Obstkorb

Sport/Verträge mit Fitness-Studios

Sabbaticals ermöglichen

etc.

Elisabeth Jelinek: »Ich würde bei den Führungskräften selbst anfangen, sie gut schulen, damit sie selbst eine Ahnung bekommen, was gesundes Führen überhaupt bedeutet. Aktionen wie ›zuerst quetschen wir unsere Mitarbeiter aus und dann dürfen sie ins firmeninterne Fitnesscenter gehen‹ sind einfach nur Symptombehandlung. Bei der Auseinandersetzung mit Lebensbalance kommt man in sehr tiefe Gefilde – oft wird die Sinnfrage sehr den Mittelpunkt einnehmen. Vorbildwirkung ist wertvoll und ein guter Anfang.«

Ursula Autengruber: »Generelle Rezepte, wie und womit ein Unternehmen beginnen kann, gibt es keine, man muss sich hier die einzelnen Situationen ansehen. Zuerst sollte man sich die Aufgaben und Anforderungen überlegen sowie die Rahmenbedingungen dafür (Reklamationsannahme im Großraumbüro wird nicht ideal sein). Danach folgt die Überlegung, welche Mitarbeiter man für welchen Aufgabenbereich haben möchte. Nur dann, wenn die Fähigkeiten und die Anforderungen sich weitgehend decken, werden das Unternehmen und der Mitarbeiter zufrieden sein. Ist die Kombination Aufgabe/Mitarbeiter/Arbeitsplatz gut abgestimmt, braucht es keine weiteren Maßnahmen mehr!«

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