Neue Zeit – neue Trainings

Durch die neuen Anforderungen an Führungskräfte haben sich in den letzten Jahren auch die Trainings und Lehrgänge für Führungskräfte entsprechend weiterentwickelt. TRAiNiNG hat bei Experten für Führungskräftetrainings nachgefragt.

Endlich am Ziel! Ab morgen bin ich Chef! Ein größeres Büro, mehr Gehalt, wichtigere Aufgaben. Viele Mitarbeiter träumen davon, Führungskraft zu werden, ohne wirklich zu wissen, was sie erwartet. Obwohl selbst hier aktuelle Umfragen zeigen, dass weniger junge Mitarbeiter danach streben, Führungsrollen einzunehmen. Die Gefahr bei neuen Führungskräften liegt häufig darin, dass sie die fachlichen Aufgaben sofort an sich ziehen und in dem, was sie ja von früher gut können, verharren, anstatt Führungsaufgaben zu übernehmen, die eben neu sind. Vor 10 bis 15 Jahren haben wir im TRAiNiNG viel über erlebnisorientierte Methoden bei Führungskräftetrainings geschrieben. »Führungskräftetraining in Kenia«, »Führungstrainings mit Pferden« und Ähnliches haben damals geboomt. Das gibt es zwar immer noch, doch wesentlich weniger als früher.

Entwicklung und Erwartungen

Wie haben sich nun die Seminare entwickelt? Wie schaut ein zeitgemäßes Training für Führungskräfte aus? Und welche Erwartungen haben die Teilnehmer? Monika Herbstrith-Lappe (Geschäftsführerin bei Impuls & Wirkung): »Aus meiner Sicht wird mehr Wert auf Effektivität und Nachhaltigkeit der Trainings gelegt. Gefragt sind integrierte Lernprozesse mit einem unterstützten Transfer in den Führungsalltag. Zwischen den Trainingseinheiten werden Vertiefungs- und Reflexionsmöglichkeiten erwartet, die dann wieder in Folge aufgegriffen werden. Inhaltlich wird neben den traditionellen hierarchischen Führungsansätzen zunehmend zumindest ein Überblick partizipativer Führungsansätze aus den Konzepten Purpose Driven Company, Holocracy, Scrum, etc. erwartet. Trainings für laterale Führung ohne disziplinarische Befugnisse boomen.«

Birgit Fischer-Sitzwohl (Geschäftsführerin von Coverdale Österreich): »Für uns schaut eine zeitgemäße Führungskräfteausbildung ganz anders aus, als noch vor einigen Jahren. Die einzelnen Module müssen sowohl im Präsenzformat als auch im Blended-Learning-Format verfügbar sein. Das macht es auch möglich, die Teilnehmer punktgenau, runtergebrochen auf einzelne Kompetenzen und die dazugehörigen Verhaltensanker, zu trainieren. Die gesamte Ausbildung basiert auf einem Kompetenzraster. Das heißt, der erste Schritt einer Führungskräfteausbildung ist immer, ein Sollprofil zu erstellen, und dann gilt es mit Hilfe einer GAP-Analyse samt Coaching herauszufinden, welche Themen für die jeweilige Führungskraft relevante Weiterbildungsthemen sind. Führungskräfte machen daher nicht mehr alle möglichen Module, sondern nur noch die, die sie brauchen. Ist das Thema für viele wichtig, findet es als Präsenzveranstaltung statt, sonst als Blended-Learning. Führungskräfte wollen heute ganz konkrete Hilfestellungen für eigene Führungsherausforderungen bekommen. Sie wollen hilfreiche Prinzipien kennenlernen, Tipps und Tricks erhalten und sich mit Gleichgesinnten austauschen.«

Julia Pichler-Roßbach (Trainerin und Coach unter anderem bei der ARS – Akademie für Recht, Steuern und Wirtschaft): »Das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Führungstrainings ist gestiegen, und zwar nicht nur in den Personalabteilungen, sondern auch bei den Teilnehmern selbst. Die Teilnehmer möchten auch nach einem ersten Einsteiger-Seminar weiterführende bzw. vertiefende Veranstaltungen angeboten bekommen. Vor allem erwarten sie, bereits nach 2 Tagen schon handlungsfähig hinauszugehen – mit einem konkreten Aktionsplan und spezifischen Vorhaben, die sofort und möglichst unkompliziert umgesetzt werden können. Die Nachfrage nach Lehrgängen, die modular aufgebaut sind und auch modular gebucht werden können, steigt ebenfalls. Teilnehmer erkennen nach einem 2-Tages-Seminar häufig die Notwendigkeit, sich intensiver mit dem Thema ›Führung‹ zu befassen. Sie möchten hier aber selbst bestimmen, in welcher Reihenfolge sie weitere Module besuchen, und wie viel Zeit sie sich für einen gesamten Lehrgang lassen wollen. Was die Methoden anlangt, so ist trotz der Technik-Affinität der Teilnehmer Akzeptanz von einseitigen PowerPoint-Präsentationen stark gesunken. Methoden- und Medienvielfalt ist angesagt.«

Ernst Zirngast (VBC-Partner) über die geänderten Erwartungen der Teilnehmer: »Das Thema ›Führung‹ wird von vielen Führungskräften als sehr komplex gesehen. Nicht nur, dass sie oft mit unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Situationen mit einer unterschiedlichen eigenen Verfassung überfordert sind. Auch suggerieren die am Markt angebotenen Trainingsimpulse und Lehrgänge in der Regel hohe von theoretischen Modellen und psychologischen Zugängen getragene Komplexität. Als Ergebnis spüren wir oft die Ohnmacht von Führungskräften, sich auf das Thema ›Führung‹ offen einzulassen und auch den regelrechten Hilferuf in Trainings nach einer ›Alles-lösenden-Wunderformel‹, die stets richtige Ratschläge im Führungsalltag liefert.«

Nutzen von Seminaren

Wenn wir davon sprechen, das Führungsverhalten zu ändern, wird das nicht von heute auf morgen gelingen. Verhaltensänderung passiert nie sofort, sondern muss langsam »reifen«. Menschen müssen neues Verhalten ausprobieren und aus Fehlern lernen. Was können also kurze Seminare beitragen und wie sehen alternative Entwicklungsprogramme aus?

Ernst Zirngast: »Ein 2-Tages-Seminar kann natürlich kein Führungsverhalten nachhaltig verändern. Aber es kann die Augen öffnen, welches Potenzial in der Wirkung auf die eigenen Mitarbeiter als Multiplikator liegt und in Folge die Bereitschaft erhöhen, die Herausforderung zu mehr und noch aktiverer Führungsarbeit anzunehmen. Fast alle Führungskräfte bekennen im und nach einem Training, dass sie zu wenig Zeit und zu wenig Augenmerk auf die Führung ihrer Mitarbeiter legen. Diese Erkenntnis ist schon ein erster Schritt, sich vielleicht ein Stück mehr aus dem Operativen zurückzuziehen und sich bewusst der Entwicklung der Mitarbeiter zu widmen. Um dann die Werkzeuge guter Führung, die auch in der Regel eine Verhaltensveränderung erfordern, zu verinnerlichen, braucht es natürlich mehr: über längere Zeit laufende Programme, die idealerweise durch die wieder übergeordnete Führungskraft, einen Mentor oder einen individuellen Coach begleitet werden. Aber am Anfang steht immer das Wollen.«

Birgit Fischer-Sitzwohl: »Für mich beginnt Führungskräfteentwicklung an dem Punkt, an dem sich die oberste Führungsebene klar wird, wie sie in der Organisation Führung leben wollen. Welche Werte und Prinzipien angewendet werden sollen. Daraus ergibt sich dann ein Sollprofil pro Führungsrolle. Auf Basis von Sollprofilen können gewünschte Verhaltensweisen trainiert werden. Wir nutzen pro gewünschter Führungskompetenz ein 2-Tages-Training. Im Fokus stehen üben, ausprobieren von Szenarien, durchspielen bestimmter Fälle etc. Im Training kann man noch keine Kompetenz entwickeln. Das passiert dann im nächsten Schritt, wenn die Teilnehmer das erworbene Wissen in die Praxis umsetzen.«

Monika Herbstrith-Lappe unterstreicht die Bedeutung von Selbstbewusstsein und -reflexion: »Peter Zadek, ein prägender Regisseur für das deutschsprachige Theater, wurde gebeten, eine Grußbotschaft an Schauspiel(!)-Studierenden zu richten. Seine Antwort ist auch für Führungstrainings höchst treffend: ›Wir wollen euch ermöglichen, euch kennenzulernen, dazu zu stehen, wer ihr seid und nicht immer demonstrieren zu müssen, wer ihr seid.‹ Sich selbst klug führen, ist aus meiner Sicht ein notwendiges Erfordernis, um andere zum Erfolg führen zu können. Führen mit Vertrauen ist für laterale Führung die einzige Möglichkeit. Um Vertrauen und Akzeptanz zu gewinnen, braucht es als Nährboden Selbstvertrauen und Glaubwürdigkeit. Freude an der Führung ist das Fundament für wirkungsvolles Leadership.«

Julia Pichler-Roßbach weiß über die Wirkung eines kurzen Seminars Bescheid: »Ein 2-Tages-Seminar allein kann schon einiges bewirken und in Gang setzen, ist aber zugegeben nur ein Tropfen auf den heißen Stein, falls es bei diesem einzigen bleibt. Es gibt den neuen Führungskräften eine erste Orientierung im Dschungel der neuen Anforderungen, die an sie gestellt werden. Eine wichtige Anfangs-Erkenntnis, die häufig gewonnen wird, ist, dass fast alle neuen Führungskräfte mit den gleichen oder ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, wie sie selbst auch – für viele Teilnehmer ist das eine große Erleichterung. Wenn sie erkennen, dass es nicht das fehlende eigene Talent, sondern der Mangel an bisheriger Führungsausbildung ist, der ihnen diese Probleme bereitet, fassen sie schnell wieder neuen Mut. Führungskraft ist eben ein Beruf, wie jeder andere auch, der systematisch erlernt werden muss.«

Individuelle Führungsstile

Natürlich ist der Führungsstil immer etwas sehr Individuelles. Es gibt nicht ›den richtigen‹, er muss zur eigenen Person bzw. Persönlichkeit passen, also authentisch sein, sonst wirkt er unnatürlich und schablonenhaft. Trotzdem ist es vorteilhaft, ihn innerhalb bestimmter eigener Grenzen flexibel an verschiedene Situationen anpassen zu können.
Julia Pichler-Roßbach: »Als Trainer kann man sich in einem 2-Tages-Seminar kein wirklich fundiertes Bild aller Personen machen. Nach den 4 Modulen (8 Tagen) in unserem ARS-Lehrgang können wir schon ein wenig mehr Feedback geben – allerdings auch nur dann, wenn die Gruppen nicht zu groß sind und wir reichlich Übungen und Rollenspiele unterbringen, aus denen Erkenntnisse gezogen werden können. Die beste Rückmeldung über den Führungsstil können allerdings nur Menschen geben, die eng mit der Führungskraft zusammenarbeiten, also besonders die Mitarbeiter, aber auch der Chef oder die Kollegen. Symbolisch gesprochen erhalten die Teilnehmer in einem Seminar die Zutaten und das Grundrezept, den Kuchen backen und verfeinern müssen sie jedoch selbst. Ein Führungs-Coaching kann allerdings gut dabei helfen, die spezifischen Erfordernisse herauszuarbeiten.«
Birgit Fischer-Sitzwohl: »Ich kann in einem Seminar meine eigenen Erfahrungen reflektieren, kann erfolgreiche Prinzipien daraus ableiten, und kann so meinen eigenen Führungsstil in Richtung meiner eigenen Werte und Prinzipien weiterbringen. Das geht allerdings nur in Workshops und Trainings, die neben dem Übungsanteil auch einen hohen Reflexionsanteil haben. Der Trainer weiß nämlich häufig selber nicht, welche Kompetenzen die jeweilige Führungskraft gerade braucht. Wenn das Unternehmen eine ordentliche Organisationsentwicklung hat, dann gibt es Anforderungsprofile für die Führungsrollen. Diese Profile bestehen aus den Kompetenzen und den darunterliegenden, beobachtbaren Verhaltensankern. Diese kann man trainieren. Das heißt, im einfachsten Fall kennt der Trainer die Sollprofile und bietet dazu eine Schulung an, die die Verhaltensweisen adressiert.«

Monika Herbstrith-Lappe: »Teilnehmer zu ermutigen, ihre einzigartige Persönlichkeit zu entfalten und ihre individuellen Stärken sinnvoll zu nutzen, ist mein Lebensauftrag. Im Sinne von Angelika Aliti: ›Willst du Kamel des Monats werden, wenn du Pinguin bist?‹ Genau darum geht es im Führungskonzept ›Fordern & Fördern‹: An Herausforderungen die individuellen Talente stärken und aus erzielten Erfolgen Kraft und Zuversicht für kommende Aufgabenstellungen schöpfen. Um auf die Bedürfnisse der Einzelnen eingehen zu können, ist eine maximale Gruppengröße von 12 Teilnehmern empfehlenswert. Eine umfangreiche Toolbox und reichhaltige Erfahrungsschätze sind höchst nützlich, damit die Teilnehmer jeweils das für sich Passende wie aus einem vielfältigen, nahrhaften Buffet für sich wählen können. Ich bin eine bekennende Gegnerin der FORT-Bildung. Viel wirkungsvoller sind HIN-Bildungen!«

Ernst Zirngast: »Die Grundprägung des eigenen Führungsstils ist etwas Individuelles und Ergebnis des eigenen Rucksacks, den man sich aus den vielen eigenen Erfahrungen gepackt hat. Und darin liegt auch die große Herausforderung: In diesem Stil ist die Führungskraft in ihrer Komfortzone und kann leider auch nur jene Menschen aktivieren, zu der dieser Stil passt. Das schränkt massiv ein und sorgt ggf. für Monokulturen von Teams! In Zeiten von angestrebter Diversity und möglichst breit aufgestellten Teams tun sich diese Führungskräfte jedoch schwer, und wir erleben eine heterogene Führungsqualität, bei denen manche gute und manche gar keine Führung erleben. In einem Training gilt es daher, der Führungskraft einen Spiegel vorzuhalten, damit sie ihre eigenen Potenziale erkennen kann. Dies passiert durch viele im Training besprochene praktische Beispiele, in denen sich die Führungskraft mit ihren Herausforderungen in ihrem Alltag wiedererkennt und die Mechanismen versteht, warum Dinge funktionieren und warum nicht, wie man Menschen in die richtige Richtung mitnimmt und wie nicht.«

Fazit: Führungskräftetrainings sind heutzutage individueller, kombinieren Präsenz mit Online-Phasen und verlangen nach modernen Trainingsmethoden. Teilnehmer sind vielfältiger und anspruchsvoller als früher geworden und wollen für ihre konkreten Probleme des Alltags Lösungen bekommen, statt »nur« mit Theorien gefüttert zu werden.

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