Online eine neue Sprache lernen

Kann man online eine Fremdsprache von null auf erlernen? Ist das sinnvoll? Wir haben das anhand des Berlitz Virtual Classroom getestet. Die kurze Antwort: ja und ja!

Vergangenes Jahr testete unsere Redaktion den Berlitz Virtual Classroom das erste Mal, und zwar in der Sprache Englisch. Das war eine sehr gute Erfahrung (siehe unseren Bericht auf Seite 18 in der Ausgabe 04/2018).

Englisch beherrsche ich recht gut und so konnte ich mit der Trainerin an spezifischem Fachvokabular und Feinheiten arbeiten, auch im Rahmen von Rollenspielen, die mich voll forderten und mir mehr brachten, als ich erwartet hatte.
Jetzt hat uns aber interessiert: Klappt das auch in einer Fremdsprache, die man so gar nicht kann? Mit der man bei null anfängt? Wir waren skeptisch, vor allem, weil ja Berlitz die Regel lebt, dass man beim Üben ausschließlich in der zu erlernenden Sprache kommuniziert. Wie soll das funktionieren, wenn man überhaupt keine Vokabel kennt? Wenn man nicht einmal »Ich verstehe das nicht!« sagen kann? Ist da eine Online-Session mit einem Trainer wirklich eine gute Idee?

Sprachen
Als Sprache wähle ich Spanisch. Das hat mich ohnedies schon immer interessiert, gelernt habe ich es nie. Bitte und danke kann ich sagen, viel mehr nicht. Berlitz schaltet mir einige Tage vor dem Trainingstermin das Student Material Portal frei. Da kann ich nach dem Log-in erste Schritte in der neuen Sprache machen. Es ist alles sehr übersichtlich. Die Übungen selbst sind ausschließlich auf Spanisch. Das gilt auch für die Übungsanleitungen. Verstehe ich sie? Zunächst nicht, aber es ist alles angenehm verspielt und so weiß ich stets sehr schnell, worum es geht. Ich schiebe mit dem Mauszeiger Wörter in Textlücken, klicke auf Lautsprechersymbole und höre dann die richtige Aussprache, tippe Wörter in dafür vorgesehene Felder und freue mich, wenn sie grün aufleuchten, weil ich sie richtig geschrieben habe. Es ist alles sehr kurzweilig, mir macht es Spaß.
Ich kann mir einige Audio- und PDF-Dateien herunterladen, um dann auch offline zu üben. Das mache ich aber zunächst nicht, ich schließe lieber zwei Online-Übungseinheiten ab. 41 gibt es davon im Kurs Spanisch 1. In meinem persönlichen Portal ist alles sehr übersichtlich angeordnet, meinen Lernfortschritt habe ich auf der Startseite gut im Überblick. Etwas mehr als eine Stunde klicke ich mich so durch die Lernlandschaft, dann kommt der Termin mit der Trainerin. Ich bin gespannt.
Kurz vor der vereinbarten Uhrzeit klicke ich auf den Link, den ich erhalten habe, es öffnet sich ein Fenster im Browser. Berlitz nutzt für seinen Virtual Classroom die Software Adobe Connect, alles klappt hervorragend. Die Trainerin Natalia Fugelsoy begrüßt mich auf Englisch, wir haben beide Kopfhörer auf und sehen einander. Nach kurzem Smalltalk schlägt sie vor, mit der Einheit zu beginnen. Mein Stresslevel steigt. Plötzlich spricht sie nur noch Spanisch.
Und überraschender Weise (zumindest für mich) funktioniert das, es funktioniert sogar sehr gut. Vorausgesetzt die Trainerin hat Erfahrung und macht die richtigen Dinge. Auf Natalia trifft das jedenfalls zu. Zu Beginn stellt sie mir die Themen vor, die wir heute miteinander durchgehen werden. Ich verstehe zwar nicht genau, welche Themen, aber die von ihr vorbereiteten und mir angezeigten Bilder helfen sehr. Ich sehe im Zentrum meines Bildschirms ein Art virtuelle Tafel, auf der sie sowohl Texte und Bilder einblendet als auch schreibt. Am Rande des Bildschirms sehe ich die Trainerin. Die Größe der verschiedenen Bereiche kann ich jeweils einstellen.
Natürlich ist das sehr intensiv, one on one, fast vierzig Minuten lang. In der Nachbesprechung erklärt mir Natalia (auf Englisch), warum es sich so intensiv anfühlt: Man hat Kopfhörer auf und blickt permanent auf den Bildschirm, ist also viel mehr von der Umwelt abgeschirmt als man es in einem normalen Gespräch wäre – oder gar in einem Klassenzimmer, wo es ja viel Ablenkung gibt. Man lernt also fokussierter und konzentrierter.

Nach der Einheit kann ich zählen, einige Farben benennen, in einem Café oder einer Bar Getränke bestellen, mich vorstellen und noch ein bisschen mehr. Wie nebenbei habe ich viel über die Aussprache gelernt und auch eine erste Ahnung bekommen, wie man im Spanischen Sätze bildet, wie man Fragen stellt und wie man Verben beugt. Und vor allem: Es hat wirklich Spaß gemacht. So schnell so große Fortschritte zu erleben, macht Lust auf mehr.
Am Ende einer solchen Einheit bekommt man Aufgaben gestellt, die man bis zum nächsten Mal machen soll. Was bei anderen Online-Schulungen viel Disziplin abverlangt, wird hier durch den Druck des nächsten Termins erreicht. Denn ich möchte der Trainerin nicht erklären müssen, dass oder warum ich die Übungen nicht gemacht habe – auf Spanisch kann ich das nämlich gar nicht!
Das strikte Festhalten an der Fremdsprache, die man gerade erlernt, bringt schon auch einige Herausforderungen mit sich. Hin und wieder möchte ich etwas sagen, öffne den Mund – allein, es kommt nichts raus. An anderen Stellen verzichte ich gleich darauf, zu sagen, was ich sagen will, einfach weil ich ganz weit davon entfernt bin, es sagen zu können. Das macht aber kreativ, man findet Auswege, hilft sich mit Gestik und Mimik, sagt etwas anderes. Und ich bin mir sicher, dass diese Kreativität das Lernen fördert, und gut fürs Hirn ist sie sicher auch. Und außerdem: Das bereitet wunderbar auf Situationen vor, in denen man die neu erlernte Fremdsprache dann ausprobieren kann. All das funktioniert nur dann so gut, wenn man den Gesprächspartner auch sieht. Daher ist die Lösung mit der virtuellen Tafel bei gleichzeitig sichtbarem Trainer so gut. Kann das eine Face-to-Face-Trainingseinheit gleichwertig ersetzen? »Niemals!« hätte ich vor dieser Einheit gesagt. »Eigentlich schon«, sage ich jetzt. Vor allem bei Fremdsprachen, die man gar nicht beherrscht, macht der Vorteil, dass man den Trainer durch Kopfhörer besonders klar und störungsfrei hört, einige Nachteile wett. Die Übungen zur Aussprache, die Natalia mit mir gemacht hat, haben mir so viel gebracht – ich glaube nicht, dass ich einen größeren Lernerfolg erzielt hätte, wenn wir einander tatsächlich gegenüber gesessen wären.

Vielleicht bin ich ja ein Sonderfall, aber mir hat es Spaß und Freude bereitet, zuerst ohne jeden Wortschatz und dann ausschließlich mit dem gerade erlernten Wortschatz zu kommunizieren. Auch weil ich daran die großen Fortschritte innerhalb sehr kurzer Zeit bemerkt habe. Am Schluss der Einheit kann ich so viel mehr sagen als am Anfang! Und das alles nach 40 Minuten, die mir wie 20 vorgekommen sind.
Und ich merke: Eine neue Fremdsprache zu erlernen, das habe ich viel zu lange nicht mehr gemacht. Schade eigentlich.

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Richtlinien:
bezüglich Transparenz: Der Autor Gernot Winter wurde von Berlitz auf die beschriebene Probe­einheit eingeladen, generell nehmen unsere Redaktions­mitglieder an ­Seminaren und Trainings vorwiegend aufgrund von Einladungen durch die Veranstalter teil.