Punkten durch Persönlichkeit

Bei einem Persönlichkeitsseminar sollte man lernen, sich selbst besser zu verstehen und möglicherweise bewusst Veränderungen herbeizuführen. Einschlägige Seminare gibt es sehr viele. Wie verschafft man sich Durchblick im Angebotsdschungel?

Regelmäßig erhalten wir in der TRAiNiNG-Redaktion Angebote, Persönlichkeitsseminare zu besuchen. Manche wirken vertraut, sinnvoll, andere skurril, manche unseriös oder Ärgeres. Man findet viele esoterisch angehauchte Selbsterfahrungsseminare, teilweise mit abenteuerlichen Elementen wie Höhlenwanderungen und stockdunklen Seminarräumen, oder es helfen Co-Trainer wie Pferde, Wölfe, Lamas etc. bei der Findung der eigenen Persönlichkeit mit. Andere wiederum versuchen, durch wissenschaftlich fundierte Persönlichkeitstests den Teilnehmern die Chance zu geben, mehr über sich selbst zu erfahren, über ihre Handlungsmuster, ihre Kommunikationsverhalten, ihre Verhalten anderen gegenüber oder darüber, wie sie im Stress reagieren.
Nun stellt sich die Frage, ob wir überhaupt Persönlichkeitsseminare brauchen oder ob wir nicht einfach – wenn wir das wollen – bewusst und mit offenen Augen durchs Leben gehen und z. B. Freunde und Familie über unser »So-Sein« befragen. Aber wer macht das denn schon? Wer hinterfragt sich schon ehrlich und selbstkritisch? Auch dort, wo es wehtut?
Und genau deshalb ist es manchmal klug, zumindest ein bis zwei Tage pro Jahr in sich selbst zu investieren. Ob man die Erkenntnisse in einer dunklen Höhle findet, auf einem Segelboot oder im Seminarraum, ist vermutlich egal und obliegt den eigenen Vorlieben. Auch ein Feuerlauf-Seminar mag bei manch einem Teilnehmer tatsächlich etwas bewegen, aber nicht für jeden. Dabei bewirkt häufig auch die physikalische Erklärung, warum ein Feuerlauf funktioniert, nichts. Die Angst, über glühende Kohlen zu laufen, ist da und löst in den Menschen etwas aus. Jemand anderer möchte lieber theoretische Modelle lernen, wie z. B. »aktives Zuhören« oder »das Eisberg-Modell« und dann auf das eigene Leben übertragen. Manch ein Teilnehmer möchte es auf die sanfte Tour haben, in einem »Kuschelseminar«, andere möchten ungeschöntes, direktes Feedback des Trainers. Für alle Ansprüche gibt es das entsprechende Angebot am Markt. Man muss es nur finden. »Persönlichkeitstrainings« bieten eben ein sehr breites Spektrum an Möglichkeiten. TRAiNiNG hat bei verschiedenen Anbietern und Experten nachgefragt, was sie darunter genau verstehen.

Ursula Autengruber (Geschäftsführung Structogram Österreich): »Der Begriff umfasst alle Trainings, die dazu führen, dass man sich selbst ›erkennt‹ und seine Persönlichkeit ›weiterentwickelt‹. Die Teilnehmer lernen ihre Stärken, Fähigkeiten und Möglichkeiten kennen sowie ihre Defizite und Grenzen. Sie erleben, welche Auswirkungen ihr Verhalten hat und wie ihre Wirkung auf andere ist. Sie verstehen ihr Verhalten und ihre Motivation besser und können so ihr Leben ›anders‹ gestalten. Sie können bewusster Entscheidungen treffen, die zu ihnen passen und lassen sich weniger ›von außen‹ beeinflussen.«
Persönlichkeitsseminare sind für jeden Mitarbeiter im Unternehmen wichtig, egal, in welcher Position er tätig ist. Oft wird dabei gerade die oberste Ebene »vergessen«.
Ursula Autengruber weiter: »Führungskräfte sollten sich für die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter interessieren, schließlich wirkt sich diese ja auf die Arbeit und das Verhalten im Team aus. Daher empfehle ich begleitende Gespräche. Vor dem Seminar wird dabei geklärt, was der Teilnehmer im Training lernen möchte. Nachher berichtet er von seinen Erkenntnissen und davon, was er in Zukunft verändern oder machen möchte. So kann die Führungskraft die persönliche Entwicklung des Mitarbeiters unterstützen.«

In den 70er- bis hin zu den 90er-Jahren haben Persönlichkeitsseminare stark geboomt. Seit den 2000ern, besonders seit den Krisenjahren, wird hier näher hingeschaut und lieber in die fachlichen Fähigkeiten der Mitarbeiter investiert. »Lieber Excel statt Selbsterkenntnis« ist das Motto. Das ist allerdings nicht immer sinnvoll, wie Jörg Krenmayr (Geschäftsführer CETE – Center of Excellence in Training and Education und Trainer bei Master HR) weiß: »Der Alltag zeigt uns, dass es die persönlichen Fähigkeiten sind, die es uns erlauben, das fachliche Potenzial erst auf den Boden zu bringen. Hierzu kann man gezielt mentale, kognitive, emotionale, soziale Fähigkeiten stärken. Ist ein Bereich besonders schwach, funktionieren die Stärken auch nicht mehr. Wir können z. B. fachlich top sein, auch rhetorisch und körperlich genial – aber wenn irgendwann das Selbstvertrauen genommen wird und wir das nicht selbst reparieren können, stehen wir an. Deshalb ist die ausgewogene Entwicklung unserer Persönlichkeit so wichtig.«
Elisabeth Jelinek (Geschäftsführerin Jelinek Akademie) ist seit vielen Jahren unter anderem mit Persönlichkeitsseminaren am Markt: »Die Palette am Markt ist unüberschaubar. Was nicht verwundert, ist es doch so, dass Persönlichkeitsentwicklung durch unterschiedlichste Maßnahmen stattfinden kann. Von psychotherapeutischen Workshops über esoterische oder spirituelle Angebote, Sport, ­Naturerlebnisse, Musik bis hin zu Wirtschaftstrainings, die neben den fachlichen Inhalten auch ein Stück Selbsterfahrung beinhalten können. Auch Coaching oder andere Einzelberatungsmethoden gehören für mich dazu.«

Roman Braun (Geschäftsführer Trinergy) zählt die Ziele von Persönlichkeitsseminaren auf: »Festgefahrene Gewohnheiten, Sichtweisen und Strategien erkennen und optimieren, sowie seine Ressourcen entdecken, mit denen man das Leben aktiv nach seinen Wünschen und Träumen gestaltet – das ist das Ziel eines Persönlichkeitstrainings. Und dafür gibt es zahlreiche Denkansätze, Methoden und Techniken, die in Trainings gelehrt werden.«

Wie bereits erwähnt, das Persönlichkeitsseminar muss zum Teilnehmer passen. Wenn er nicht bereit ist, etwas zu verändern, ergibt auch das beste Seminar keinen Sinn. Wenn allerdings Veränderung gewünscht ist, kann ein Seminar für jeden Menschen viel bringen.
Für die Personalabteilung ist es häufig Geldverschwendung, z. B. alle neuen Mitarbeiter auf ein Stressmanagement-Seminar zu schicken. Viel sinnvoller ist es so für manchen HR-Manager, individuell mit den Mitarbeitern darüber zu sprechen, was sie gerade brauchen und wollen.

Trainerauswahl

Vor einigen Jahren war ich auf einer Esoterikmesse und mir wurden von einem ungepflegten, übergewichtigen und ziemlich unsympathischen Aussteller irgendwelche pflanzlichen Wundermittel vorgestellt, wodurch ich gesünder, fitter, zufriedener und auch erfolgreicher werden würde. Ein Persönlichkeitsseminar zum Schlucken, sozusagen. Auf meine Frage, ob ich denn dann so werden würde wie er, wusste er keine Antwort und hat sich verschnupft weggedreht. Warum ich das schreibe? Nun, ein Persönlichkeitstrainer, der Ihnen persönlich nicht liegt, ist der falsche. Auch von dem Trainer, der seine Angebote in seiner Persönlichkeit nicht erkennen lässt, sollte man die Finger lassen. Auch manche Websites von »Gurus« sagen viel aus. So finden wir z. B. auf einer Anbieterseite den Tipp: »Möchtest du an deinem Erfolg arbeiten? Dann ein Tipp von mir: Besuche das 2-Tages-Intensiv-Seminar zum Facebook-Freundschaftspreis unter …« . Wir können nur vermuten, wem so ein Seminar tatsächlich (rein monetär) etwas bringt, alleine durch solche Formulierungen. Finger weg, wenn Angebote marktschreierisch angepriesen werden! Auch wenn grundlos gleich zu Beginn ein Freundschaftspreis angeboten wird, einfach Finger weg! Das ist reiner Blödsinn und nur unseriös! (Lesen Sie dazu übrigens unbedingt den Artikel auf den Seites 10 – 11 in dieser Ausgabe.)

Grenzen und Chancen

Was ist nun mit einem guten Trainer in einem guten Seminar möglich? Welche Grenzen gibt es? Im Firmenkontext geht aus Expertensicht der Weg nur über einen Entwicklungsprozess, der für die Firma und für den Job des jeweiligen Menschen relevant und wichtig ist.
Elisabeth Jelinek: »Seminare können nützlich sein, es braucht aber vom Einzelnen den Willen und die Konsequenz, das ›Erkannte‹ oder ›Erlernte‹ in die Praxis umzusetzen. Oder man kann es gar nicht so genau erspüren und erst viel später merken, ob das Seminar Nutzen gebracht hat oder nicht. Oder vielleicht einen anderen, als man erwartet hat. Hier bietet oft die punktgenaue Einzelarbeit mehr Sinnhaftigkeit. Oder eine Kombination von beidem. Die Führungspersönlichkeiten sollten derartige Entwicklungen befürworten und selbst leben, dann gibt es eine Chance, dass sich die Mitarbeiter auch auf den Weg machen und mitziehen. Das würde allerdings bedeuten, dass sie sich selbst derartigen Prozessen bereits gestellt haben und in der Lage sind, sie ehrlich vorzuleben.«
Welchen Nutzen ein 2-Tages-Seminar tatsächlich bringen kann, das ist extrem individuell. Dem einen bringt es gar nichts, für den anderen eröffnet sich ein völlig neuer Weg und er beginnt an sich zu arbeiten. Nur dann ergeben Seminare generell Sinn. Sich nur berieseln zu lassen, ist nun einmal (leider) zu wenig. Arbeit an sich ist auf jeden Fall angesagt.

Roman Braun: »Ein zweitägiges Seminar ist ein Einführungskurs – es ist der erste Schritt, Kommunikationsmuster zu erkennen und bewusster zu erleben. Die Teilnehmer gehen mit grundlegenden Tools und Übungen, Denkanstößen und neuen Blickwinkeln aus dem Seminar in ihren Alltag. Für viele ist es die erste Berührung mit dem Thema Persönlichkeitstraining. Für andere der Ausgangspunkt, um sich in weiterer Folge intensiver mit dem Gelernten zu beschäftigen – z. B. durch Bücher oder in einem mehrtägigen Folgeseminar.«

Jörg Krenmayr beschreibt, was möglich ist und was nicht: »Ich habe extrem unterschiedliche Wirkungsstärken von Persönlichkeitsseminaren erlebt. Leider verpufft das Erlernte rasch im Alltag. Deswegen entsteht auch in großen Unternehmen eine ziemliche Seminarmüdigkeit. Mir persönlich wurde irgendwann klar, dass es ein paar Kernthemen gibt, die wir alle brauchen und auf hohem Niveau verinnerlicht haben sollten. Nur dann setzen wir tatsächlich um. In 2 Tagen kann sehr viel Klarheit in Bezug auf diese inneren Prozesse und Gedanken gewonnen werden. Warum reagiere ich unter Druck so gereizt? Wieso verstehen mich manche Kollegen immer falsch? Was macht meine Unsicherheit im Alltag mit mir? Was ist nötig, um meine volle Stärke zu entwickeln? Ich muss zuerst mich selber klar sehen – da helfen auch qualitative Persönlichkeitsanalysen sehr gut  –, dann kann erst die Reise beginnen. Ich bin überzeugt, dass der wahre Trainer der Alltag ist und sein muss. Dort bewegen wir uns die allermeiste Zeit. Im Seminar sollte man jene Felder der Menschen ansprechen, die die meiste Energie verzehren, wo die größte Unklarheit ist.«

Ursula Autengruber: »Die Teilnehmer bekommen Impulse, erarbeiten Handlungsalternativen und können Neues ausprobieren. Durch Gruppenarbeiten und die Zusammenarbeit mit anderen Teilnehmern reflektieren sie ihr Verhalten und bekommen Feedback. So erleben sie nicht nur ihr eigenes Verhalten in bestimmten Situationen, sondern auch die Unterschiedlichkeit der Kollegen. O-Ton eines Teilnehmers: ›Ich habe gar nicht gewusst, dass Menschen anders denken!, jetzt verstehe ich, warum ich mit meinen Ideen und Vorschlägen oft nicht durchkomme.‹ Immer wieder gibt es bei Teilnehmern Erkenntnisse, ›ein Licht geht auf‹ oder eine tiefe Betroffenheit entsteht. Das sind beeindruckende Momente, die bei den Teilnehmern ›hängen bleiben‹ und sichtbar Veränderungen auslösen.«

Nachhaltige Verhaltensänderung

Jeder Mensch darf in Österreich Kurse zur Persönlichkeitsveränderung anbieten, unabhängig von seiner Qualifikation. Ein gutes Seminar gibt Anstöße, um Veränderung auszulösen. Es gibt Einblick in Prozesse, die gewollt oder ungewollt ablaufen und stellt Lösungsansätze vor. Natürlich kann es auch kontraproduktiv sein – daher sind Vorsicht und kritisches Hinterfragen notwendig. Wer ist der Trainer wirklich? Wie wirkt seine Persönlichkeit? Strahlt er Vorbildwirkung aus? Hat er Kenntnisse in Psychologie? Kann er mögliche Krisen, die im Zuge des Seminars entstehen, professionell abfedern? Schafft er es, die Teilnehmer so zu motivieren, weiter an sich zu arbeiten, dass tatsächlich eine nachhaltige Änderung entstehen kann? Um das zu erreichen, sind aber natürlich auch die Teilnehmer in der Selbstverantwortung. Die meisten Menschen wollen nicht belehrt werden, sie wollen lieber selbst Erfahrungen sammeln. Und das sollte auf einem guten Persönlichkeitsseminar möglich sein.

Jörg Krenmayr weiß, welche Punkte dafür besonders wichtig sind: »Es braucht Emotion, da sie die Energie für Veränderung bringt. Das kann Neugier, Angst, Frust etc. sein. Dann braucht es Klarheit, wie unser Verhalten, das dieser Emotion zugrunde liegt, funktioniert. Je besser wir Persönlichkeiten und Verhaltensdispositionen verstehen, umso interessanter werden Menschen und umso erfolgreicher werden wir im Umgang mit ihnen, aber nicht durch Anbiederung, sondern aus einer Haltung der Offenheit und Stärke.«

Roman Braun: »Manche Gewohnheiten kann man sofort und nachhaltig ändern – es ist, als würde es einem wie Schuppen von den Augen fallen. Und bei anderen Gewohnheiten kommt es auf einen erfolgreichen Praxistransfer an. Das gelingt durch nachhaltige Trainingsdesigns, die alle lerntheoretischen Erkenntnisse der neuronalen Verarbeitungsprozesse berücksichtigen und die noch dazu Spaß machen!«

Fazit
Ein Persönlichkeitsseminar muss zur Persönlichkeit des Teilnehmers passen, sonst ist es schade um Zeit und Geld. Wer wirklich an sich arbeiten will, kann in einem Persönlichkeitsseminar viel über sich erfahren und erkennen und neue Verhaltensmuster einfach ausprobieren. Fallen Sie nicht auf »Erfolgsgurus« rein, sondern prüfen Sie Angebot, Erfahrung und Referenzen genau nach und sprechen Sie vor dem Seminar mit dem Trainer, um sich einen Eindruck zu verschaffen!

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