Rückforderung von Akontozahlungen

Unter welchen Voraussetzungen ist das möglich und was gilt es hier aus Dienstgebersicht zu beachten?

Oftmals setzt sich das Entgelt aus einem fixen und einem variablen Gehaltsbestandteil, wie Bonus, Provision, Prämie oder Gewinnbeteiligung zusammen. Üblicherweise ist der Anspruch auf den variablen Gehaltsbestandteil von der Erfüllung persönlicher und/oder unternehmenskennzahlbezogener Ziele abhängig. Nicht unüblich ist es auch, dass variable Entgeltbestandteile in Form von monatlichen »Akontozahlungen«, also Vorauszahlungen, die zu einem späteren Zeitpunkt regelmäßig mit der tatsächlichen Zielerreichung abgeglichen werden, ausbezahlt werden. Stellt sich dann bei der Endabrechnung heraus, dass das tatsächlich zustehende variable Entgelt aufgrund der persönlichen und/oder unternehmenskennzahlbezogenen Zielerreichung niedriger ausfällt als die im Voraus ausbezahlten Akontozahlungen, dann stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Rückforderung durch den DG.

Zum Judikat 33 neu

Im Zusammenhang mit der Rückforderung von Überbezahlungen ist die Entscheidung des OGH vom 23. April 1929 das sogenannte »Judikat 33 neu« maßgeblich. Das Höchstgericht sprach hier aus, dass die Rückforderung von unrichtig berechneten Zahlungen oder Überbezahlungen an DN nicht möglich ist, wenn die erhaltene Zahlung Unterhaltscharakter aufweist und im guten Glauben erhalten und verbraucht wurde. Der »gute Glaube« des DN betreffend den Erhalt der Überbezahlung ist bereits dann ausgeschlossen, wenn dieser an der Rechtmäßigkeit/Richtigkeit der Leistungsvergütung auch nur zweifeln musste. Nach herrschender Meinung liegt »Gutgläubigkeit« vor, wenn dem Vergütungsempfänger nicht einmal leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Monatlich ausbezahlte Akontozahlungen, welche zu einem späteren Zeitpunkt regelmäßig mit der tatsächlichen Provision verrechnet werden, sind laut Rsp. des OGH als Gehaltsvorschüsse zu qualifizieren, auf welche das »Judikat 33 neu« allerdings keine Anwendung findet.

Rückforderung nach Endabrechnung

Auf die Ausbezahlung von variablen Entgeltbestandteilen nach einer Endabrechnung ist das »Judikat 33 neu« anwendbar. DN können die Rückzahlung des variablen Entgeltbestandteils unter Berufung auf den gutgläubigen Verbrauch und Verweis auf den Unterhaltscharakter verweigern. Die Beantwortung der Frage, ob der DN die Zahlung in »gutem Glauben« erhalten und verbraucht hat, ist anhand einer Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Neben der Art und Weise, wie die Ausbezahlung des variablen Entgeltbestandteils an die betroffenen DN kommuniziert wurde, ist u. a. auch zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls wie oft eine Rückforderung bereits ausgezahlter variabler Entgeltbestandteile in der Vergangenheit bereits stattgefunden hat. Wenn der DN beispielsweise seit mehreren Jahren Provisionen erhalten hat und diese nie zurückgefordert wurden, spricht das dafür, dass die Zahlungen vom DN in gutem Glauben empfangen und verbraucht wurden. Ob bereits ausgezahlte variable Entgeltbestandteile Unterhaltscharakter haben, unterliegt ebenfalls einer Einzelfallbetrachtung. Ein relativ niedriges Gesamteinkommen einschließlich variablem Entgeltbestandteil lässt auf einen Unterhaltscharakter schließen. Genaue Grenzen in Form einer »Luxusgrenze«, d.  h. ab wann Zahlungen keinen Unterhaltscharakter mehr haben können, wurden von der Rsp. – soweit ersichtlich – bislang nicht gezogen. Daraus folgt, dass der jeweilige Lebensstandard und die Lebensbedürfnisse des betroffenen DN zu berücksichtigen sind. Hier ist beispielsweise an Rückzahlungsverpflichtungen für Kreditverbindlichkeiten oder Unterhaltszahlungen etc. zu denken.

Schranken iZm mit der Rückforderung von variablen Entgeltbestandteilen

Variable Entgeltbestandteile werden DN üblicherweise für erbrachte Dienstleistungen zugesagt und basieren auf einer zwischen DG und DN geschlossenen Zielvereinbarung, Bonusvereinbarung oder ähnlichem, bei internationalen Unternehmen auch an der Teilnahme an einem Bonusprogramm, dessen Bedingungen sich die DN häufig durch anklicken eines Button unterwerfen. Trotz der relativen Freiheit bei der Formulierung solcher Vereinbarungen ist § 11 Abs 3 Angestelltengesetz (AngG) zu beachten. Dieser besagt, dass, wenn die Ausführung eines vom Angestellten oder durch dessen Vermittlung abgeschlossenen Geschäftes oder die Gegenleistung des Dritten, mit dem das Geschäft abgeschlossen worden ist, infolge Verhaltens des DG ganz oder teilweise unterblieben ist, ohne dass hierfür wichtige Gründe in der Person des Dritten vorlagen, der DN die volle Provision verlangen kann, sofern dies nicht anders vereinbart worden sein sollte. Kommt es beispielsweise nachträglich zu Änderungen der Bemessungsgrundlage des variablen Entgeltbestandteils, so ist in Ermangelung einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen DG und DN zu ermitteln, wer für die Änderung verantwortlich war. Sind die Gründe für die Änderung der Berechnungsgrundlage in der Sphäre des DG gelegen, ist dieser nicht dazu berechtigt, bereits an den DN ausbezahlte variable Entgeltbestandteile zurückzufordern. Ist die Änderung hingegen der Sphäre des DN oder eines Dritten zuzurechnen, kann der DG sein Rückforderungsrecht erfolgreich geltend machen.

Änderungsvorbehalte

Im Rahmen einschlägiger Bonus- und/oder Zielvereinbarungen oder auch Bonussysteme, bringen DG üblicherweise einen Änderungs- und/oder Widerrufsvorbehalt an. Der DN unterwirft sich mit Unterzeichnung der Ziel- oder Bonusvereinbarung oder durch Anklicken des erwähnten Buttons einem einseitigen Entgeltgestaltungsrecht des DG, das dieser allerdings nur im Rahmen des billigen Ermessens ausüben darf. Der DG ist – trotz Änderungs- und/oder Widerrufsvorbehalt – jedoch aufgrund der ihn gegenüber dem DN treffenden Fürsorgepflicht angehalten, bei Ausübung des Gestaltungsrechts die Interessen des DG zu berücksichtigen. Als Änderungsvorbehalt zulässig wäre eine Formulierung, die dem Unternehmen ein einseitiges Gestaltungsrecht hinsichtlich gewisser Vertragspunkte, z. B. hinsichtlich gewisser Komponenten eines Leistungslohnmodells, einräumt. Was in der Praxis häufig zu beobachten ist, sind Vorbehalte zum Ausgleich von Markt- und/oder Einkommensentwicklungen bzw. zur Angleichung an geschäftliche, technische und rechtliche Entwicklungen. Solche Vorbehalte sollen dem DG die Möglichkeit bieten, rasch auf äußere Veränderungen zu reagieren und entsprechend durch Ausübung des Vorbehalts entgegenzusteuern. Im Gegensatz zum Änderungsvorbehalt erlaubt der Widerrufsvorbehalt die vollkommene Einstellung einer dem DN zugesagten Leistung. Beide Vorbehalte haben – im Unterschied zum Unverbindlichkeitsvorbehalt – allerdings gemeinsam, dass das Vorliegen des Anspruchs dem Grunde nach bejaht wird, weil das Anbringen eines Vorbehalts einen Anspruch voraussetzt. Vor diesem Hintergrund lassen sich Änderungs- und Widerrufsvorbehalt – wie auch der OGH in ständiger Rsp. judiziert – nicht miteinander kombinieren.
Der »Leading Case« in diesem Zusammenhang ist die VOEST-Entscheidung des OGH vom 14. 12. 1988. Grundlage dieser Entscheidung war die vom ÖGB begehrte Feststellung, dass die VOEST-Alpine AG nicht berechtigt sei, Betriebspensionen in Ausübung eines Widerrufsvorbehalts in den zugrunde liegenden Betriebsvereinbarungen zur Gänze und für alle Zukunft einzustellen. Aufeinanderfolgende, negative Jahresergebnisse hatten die VOEST-Alpine AG dazu veranlasst, ihr Widerrufsrecht auszuüben und die Betriebspensionen einzustellen. Der OGH hielt in seiner Entscheidung dazu fest, dass ein schrankenlos formulierter Widerrufsvorbehalt nicht nichtig sei, sondern nur »nach billigem Ermessen« ausgeübt werden dürfe. Der OGH billigte in seiner Entscheidung rechtlich die Einstellung/Kürzung von auf einer Betriebsvereinbarung beruhenden und einen Widerrufsvorbehalt aufweisenden betrieblichen Ruhegeldleistungen. DG sind daher gut beraten, die Bedingungen, wann der DG von einem Änderungs- und/oder Widerrufsvorbehalt Gebrauch machen können soll, möglichst genau zu definieren, damit sich der Änderungs- und/oder Widerrufsvorbehalt im Falle des Falles als durchsetzbar erweist.
Einseitige Änderungen sind daher nur dann zulässig, wenn die Änderungen nicht unerwartet sind und Vor- und Nachteile von objektiven Aspekten entsprechend abgewogen wurden. Das Ausmaß der Änderung sowie das Verhältnis der Kürzung zum Gesamteinkommen des betroffenen DN sind ebenfalls zu berücksichtigen. Einseitige Änderungen, die eine Gehaltseinbuße von 10 % zur Folge haben, werden sich regelmäßig nicht im Rahmen des billigen Ermessens bewegen und daher unzulässig sein. Ob ein Vorbehalt als zulässig zu qualifizieren ist, ist von Fall zu Fall zu beurteilen und unterliegt im Streitfall am Ende des Tages einer gerichtlichen Überprüfung. Jedenfalls unzulässig ist eine rechtsmissbräuchliche Ausübung eines Änderungsvorbehalts, wenn z. B. Kriterien ganz bewusst unrealistisch hoch angesetzt werden. Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung wird auch dann gegeben sein, wenn die Ausübung etwa zur Umgehung arbeitsrechtlicher Bestimmungen erfolgt. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn als Voraussetzung für einen Anspruch auf Erfolgsbeteiligung vorgesehen ist, dass ein bestimmtes Ausmaß an Krankenstandstagen nicht überschritten werden darf. Die Ausübung von einschlägigen Vorbehalten sollte daher auf sachgerechten Erwägungen beruhen. In Betracht kommen (i) Änderungen der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, (ii) der anzuwendenden Gesetze, (iii) strukturelle oder organisatorische Änderungen des Unternehmens oder (iv) die Vereinheitlichung von Bonussystemen in international tätigen Konzernen. Mangels detaillierter Regelungen der Bedingungen/Kriterien für die Ausübung von einschlägigen Vorbehalten, sollten DG sich nicht auf diese berufen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Gründe für die Rückforderung – wie bereits weiter oben dargelegt – in der Sphäre des DG gelegen sein sollten.

Zum Faktor Zeit

Wie ausgeführt, können Akontozahlungen als Gehaltsvorschüsse vom DN nicht gutgläubig verbraucht werden, wobei hier auch der Faktor Zeit zu berücksichtigen ist. Das Risiko, dass sich der vom DG geltend gemachte Anspruch auf Rückforderung als nicht durchsetzbar erweist, nimmt mit dem Verlauf der Zeit stetig zu, sobald für den DG klar war, dass mangels Erreichens des vereinbarten Ziels eine Überzahlung erfolgt ist. Im Falle eines Rechtsstreits kommt es zu einer Abwägung der Interessen des DG und des DN. Ein zu langes Warten nach Vorliegen der Ergebnisse könnte als Verzicht auf die Ausübung der Rückforderung qualifiziert werden. Besonders heikel ist es, wenn der DG Akontozahlungen in gleicher unveränderter Höhe auch dann weiter leisten sollte, wenn bereits feststehen sollte, dass eine Überzahlung erfolgt ist. Diese Argumentation trifft auch im Fall einer bereits erfolgten Endabrechnung mit anschließender Ausbezahlung der variablen Entgeltbestandteile zu. Sobald klar ist, dass mit der Endabrechnung zu viel ausbezahlt wurde, sollte der DG möglichst zeitnah an die betroffenen DN herantreten und kommunizieren, dass die Rückforderung der zu viel ausbezahlten Provision begehrt wird. Ansonsten könnten DN argumentieren, sie hätten sich aufgrund des Verhaltens des DG darauf verlassen dürfen und hätten sich auch darauf verlassen, dass der DG keine Rückforderung der Überbezahlungen geltend machen werde. Jedes Zuwarten sobald klar ist, dass sich nach der Endabrechnung doch noch eine Änderung ergeben hat, könnte als konkludente Zusage verstanden werden, dass die DN mit einer Rückforderung nicht zu rechnen brauchten. Eine zeitlich unbefristete Rückforderungsmöglichkeit ist jedenfalls als sittenwidrig und unzulässig zu qualifizieren. Unklare Formulierungen gehen zu Lasten des Vertragserrichters. Nachdem der DG i.d.R. Vertragserrichter ist, sind DG gut beraten, einschlägige Klauseln – auch was den Zeitfaktor betrifft – möglichst detailliert auszuformulieren, um sich im Bedarfsfall erfolgreich auf diese stützen zu können.

Fazit
Die Anforderungen an die Kriterien für eine zulässige Rückforderung von Akontozahlungen während laufender Bonusperioden und nach Vorliegen der endgültigen Zahlen werden stetig höher. DG sind daher gut beraten, sich nicht erst im Zuge der Rückforderung von Akontozahlungen an der einschlägigen Rsp. zu orientieren, sondern diese bereits beim Erstellen der zugrunde liegenden Vereinbarungen/variablen Entgeltsysteme zu berücksichtigen. Nachdem die mangelnde Durchsetzbarkeit eines nicht den nationalen Vorgaben entsprechenden variablen Entgeltsystem im Falle von international operierenden Unternehmen zum Scheitern des Systems über die österreichischen Grenzen hinaus führen kann, sollte bereits bei der Erstellung anwaltliche Unterstützung in Anspruch genommen und die Kriterien für eine Rückforderung von Akontozahlungen entsprechend genau ausformuliert werden, damit es dann im Falle des Falles mit der Rückforderung klappt.

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Gastautorin
Lisa Hittinger
ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH und insbesondere im nationalen und internationalen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht tätig.
lisa.hittinger@sms.law
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Hahn

Gastautorin
Natalie Hahn
verfügt über mehr als 12 Jahre Berufserfahrung als Rechtsanwältin und ist Partnerin der
Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
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