Von einem, der sich an alles erinnert, …

…  was er jemals gehört, gesehen oder  gelesen hat. Der keine 10 Sekunden braucht, um den Inhalt einer Textseite zu erfassen. Es ist die Figur aus einer Fernsehserie.

In der weltweit erfolgreichen Fernsehserie »Suits« passiert in der ersten Folge der ersten Staffel u. a. Folgendes: Ein junger Mann platzt unangemeldet in ein Bewerbungsgespräch bei einer renommierten New Yorker Anwaltskanzlei hinein. Auf die Frage, warum man gerade ihn nehmen solle, zeigt er auf ein Buch mit kommentierten Gesetzestexten, das auf dem Tisch des Staranwalts liegt und sagt: »Schlagen Sie es irgendwo auf und lesen Sie mir einen Satz vor!« Der Staranwalt kommt der Aufforderung nach und staunt nicht schlecht, als er nach den ersten paar Wörtern vom jungen Mann unterbrochen wird – dieser setzt nämlich den angefangenen Satz wortgetreu fort. Er beherrscht nicht nur dieses Buch auswendig, sondern auch fast alle anderen Rechtsbücher und kann noch dazu Verknüpfungen herstellen. Er bekommt den Job als Anwalt – und das, obwohl er die dafür nötigen Voraussetzungen gar nicht erfüllt und daher gar nicht als Anwalt tätig sein dürfte. In den bereits über 50 nächsten Folgen geht es um die Verwicklungen, die daraus entstehen und auch darum, was man mit so einem Gedächtnis alles anstellen kann. Unter anderem ehelicht der junge Mann eine schöne Anwältin, deren Rolle jetzt wohl aus dem Drehbuch rausgeschrieben werden muss – schließlich hat sich die Schauspielerin, die diese Rolle verkörpert, im echten Leben Prinz Harry (ja, Prinz Harry von ­Wales) geangelt*, ganz ohne Wunder-Gedächtnis. Aber das ist eine andere Geschichte.
»Wenn ich etwas lese, dann verstehe ich es. Und wenn ich etwas verstehe, dann merke ich es mir. Für immer.« So erklärt Mike Ross (der junge Mann aus der Serie) seine Gedächtnisleistung. Klingt doch ganz einfach! Wer würde das nicht gerne können? Das wäre ein Traum für viele – und das erklärt die Faszination, die solche Geschichten und Charaktere auf das Fernsehpublikum ausüben. Aber ist das überhaupt möglich? Kann man das erlernen? Trainieren?

Zum Teil schon. Manche der Gedächtnistrainer und -meister (es gibt Wettkämpfe in verschiedenen Gedächtnisdisziplinen) erzählen über sich selbst, dass sie gar kein besonders gutes Gedächtnis (bzw. sogar ein besonders schlechtes) hatten, bevor sie bestimmte Techniken anzuwenden begannen. Es kann sich also lohnen, diese Methoden zu erlernen. Die meisten davon sind gar nicht neu – im Gegenteil, sie sind sogar sehr alt.

Das bestätigt auch Markus Hofmann, Deutscher Gedächtnistrainer, mit dem wir für diesen Artikel u. a. genau darüber gesprochen haben: »Die Techniken sind uralt. Selbst Cicero hat diese schon für seine Reden im alten Rom hergenommen. Was ich gemacht habe, ist, diese Techniken in ein neues Gewand zu stecken, bei dem jeder gerne zuhört und vor allem mitmacht. Einer der Schlüssel ist meines Erachtens der Humor. Je witziger die Präsentation ist, umso leichter fällt es zu lernen. Humor ist ein sensationelles Vehikel, Wissen zu transportieren.«

Spaß an der Sache wird dazu führen, dass man das, was man z. B. in einem Seminar gelernt hat, im Alltag auch regelmäßig einsetzt. Das ist bei allen Seminaren wichtig, bei Gedächtnistrainings aber besonders. Denn nur wenn man die erlernten Techniken auch wirklich zur Anwendung bringt, werden sich die erhofften Erfolge einstellen. Markus Hofmann erklärt, was er während seiner Seminare tut, um den Transfer in den Alltag wahrscheinlicher zu machen: »In meinen Seminaren und Vorträgen lasse ich die Teilnehmer in das Thema Gedächtnistraining wahrlich eintauchen. Sie brauchen ein Gefühl und eine Vorstellung davon, was damit alles machbar ist. Wenn sie am eigenen Leib dann gespürt haben, dass sie ein sensationelles Gedächtnis besitzen, eröffnet sich automatisch ein ganzes Universum, was sie nun mit ihrem verbesserten Gedächtnis erreichen können. Sei es Argumente für ein Kundengespräch, die freie Rede ohne Spickzettel, die Telefonnummer der Liebsten, die Vokabeln einer neuen Fremdsprache, die besten Witze für die Party, den Namen zu einer Person, die PIN-Nummer für den Geldautomat, der Spickzettel für die morgige Prüfung in Schule und Studium, oder ganz spezielles Fachwissen, welches in Unternehmen benötigt wird.«
Wenn man sich vor Augen führt bzw. vor Augen geführt bekommt, was mit diesen Techniken alles möglich ist, geht man aus so einem Seminar mit eigenen Erfolgserlebnissen und hoch motiviert heraus. Das ist eine sehr gute Voraussetzung, reicht aber noch nicht unbedingt für einen optimalen Transfer in den Alltag. Wir haben also nachgefragt, was nach einem Seminar passieren sollte, damit der Erfolg nachhaltig ist. Markus Hofmann: »Repetitio est mater studiorum – Wiederholung ist die Mutter der Studien. Das wussten schon die Römer. Auch wenn Sie von mir die besten Techniken der Gedächtnis-Weltmeister an die Hand bekommen: Wenn Sie diese nicht wiederholen und anwenden, fallen Sie wieder ins Schema F zurück. Der Vorteil bei meinen Techniken ist, dass Sie nicht mehr 25 oder 30 Mal wiederholen müssen, um eine Information im Langzeitgedächtnis abzuspeichern, sondern lediglich 5 bis 7 Mal. Das ist ein riesengroßer Zeitgewinn. Man kann auch sagen, Gedächtnistraining ist das perfekte Zeitmanagement, weil Sie deutlich weniger an Lernzeit brauchen.
Durch die Wiederholung wird das Gelernte manifestiert und perfektioniert. Ziel hierbei ist es, die Verbindungen innerhalb der neuronalen Netze zu festigen, über die im Gehirn Informationen abgelegt werden.
Damit die Techniken auch in Fleisch und Blut übergehen, habe ich für zu Hause einen Audio-Lehrgang konzipiert, mit dem jeder in seinem Tempo seine Lern- und Merkfähigkeit verzigfachen kann. Das ist der Schlüssel, dass die Techniken nachhaltig im Alltag angewendet werden.«

Abschließend haben wir Markus Hofmann gebeten, uns einen konkreten Tipp zu verraten, z. B. eine Übung, die jeder machen und sich dann über den Erfolg freuen kann. Dieser Bitte kommt er sehr gerne nach: »Wenn Sie guten Rednern auf den Spickzettel sehen, werden Sie feststellen, dass dort nur die Schlüsselwörter – sprich der ›rote Faden‹ – niedergeschrieben wurden. Diese Keywords können Sie sich nun mit Hilfe von ›mentalen Briefkästen‹ leicht im Kopf abspeichern. Dafür nehmen wir den Körper zur Hilfe, an dem wir 10 solcher markanten Briefkästen installieren. Wir beginnen unten: Füße (1), Knie (2), Oberschenkel (3), Gesäß (4), Taille (5), Brust (6), Schulter (7), Hals (8), Gesicht (9) und Haare (10). Angenommen, das erste Schlüsselwort wäre ›Wirtschaftswachstum‹. Dieses Wort können Sie nun mit dem ersten Briefkasten – den Zehen – verbinden. Stellen Sie sich vor, auf Ihren Zehen steht eine gut besuchte Wirtschaft (Kneipe), die immer größer wird und aus allen Nähten platzt. Das zweite Schlüsselwort wäre ›Cash-Flow‹. Jetzt stellen Sie sich vor, wie aus Ihrem Knie Geld heraus fließt. Das dritte Schlüsselwort wäre ›Konkurrenz‹. Auf Ihrem Oberschenkel sitzt Ihr Konkurrent aus Asien. Das vierte Schlüsselwort wäre ›Marktsituation‹, welches Sie nun selbst mit Ihrem Gesäß verbinden können. Machen Sie sich ein sehr starkes, emotionales Bild. Dann bleibt es im Gedächtnis haften. Und somit können Sie alle Ihre Keywords mit Hilfe der Körperliste ablegen und nachhaltig wieder abrufen.«

Fazit
Ja, man kann seine Gedächtnisleistung durch Training verbessern. Und vor allem auch das Vergesslich-Werden im Alter verlangsamen, vielleicht sogar stoppen. Aber es gibt auch Umstände, die das maximal Mögliche definieren, auf die man keinen Einfluss hat. Ein Vergleich: Angenommen, Sie wollen schneller laufen lernen. Sie stoppen die Zeit, die Sie für den 100-Meter-Sprint brauchen. Dann beginnen Sie zu trainieren, engagieren einen Trainer, erlernen eine neue Lauftechnik, üben regelmäßig. Nach einem Jahr sind sie sehr viel schneller. Sie haben sich an das mittlerweile tägliche Training gewöhnt, es macht Ihnen sogar Spaß. Nach einem weiteren Jahr sind Sie noch einmal deutlich schneller. Aber sie werden die 100 Meter nicht unter 10,5 Sekunden laufen. Das geht einfach nicht. Das liegt außerhalb Ihrer Möglichkeiten, egal wie viel Sie trainieren, egal welche Methoden Sie anwenden, Doping inklusive. Manche Menschen können so schnell sprinten, Sie gehören nicht dazu.
Mit dem Gedächtnis verhält es sich ganz ähnlich. Sie können durch die richtigen Techniken und regelmäßiges Üben Ihr Gedächtnis stark verbessern, sich sogar eine Merkleistung antrainieren, die Sie selbst vielleicht nicht für möglich gehalten hätten. Zu einem Mike Ross werden Sie jedoch nicht werden. Aber den gibt es ja auch gar nicht. Im Gegensatz zu Prinz Harry.

* Dass sich die Schauspielerin Meghan Markle Prinz Harry »geangelt« habe, ist eine Darstellung, die aus den britischen Medien übernommen wurde. Diese lassen an der Beziehung zwischen den beiden generell kein gutes Haar.

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Markus Hofmann
»Einer der Schlüssel ist meines Erachtens der Humor. Je ­witziger die Präsentation ist, umso leichter fällt es zu lernen.«
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