Welchen Hebel will ich nutzen?

Haben Sie sich schon einmal als Kunde nach einem Verkaufsgespräch so richtig schlecht gefühlt, obwohl Sie vom Produkt überzeugt waren? Welche Manipulationen im Verkauf angewandt werden und -warum man diese Top-Verkäufern nicht empfehlen sollte, lesen Sie hier.

Zum Beruf des Verkäufers gibt es verschiedene Zugangspunkte. Der eine sieht sich als Berater, der andere als purer Verkäufer, die meisten finden sich »irgendwo dazwischen«. Für den »Hardcore-Verkäufer« gibt es unzählige Methoden, den Käufer zu manipulieren, um ihn schneller zum Abschluss zu bringen. Eine dieser Methoden ist beispielsweise die »Ja-Straße«, die vermutlich vielen Verkäufern bekannt ist. Sie schaut in etwa so aus:

Verkäufer: »Habe ich Sie richtig verstanden, dass Ihnen Sicherheit bei einem Auto das Wichtigste ist?«

Kunde: »Ja, das haben Sie richtig verstanden.«

Verkäufer: »Und Sie möchten damit noch heute losfahren, richtig?»

Kunde: »Ja, das wäre toll.«

Verkäufer: »Gehe ich recht in der Annahme, dass der Preis für Sie ein wichtiges Kriterium ist?«

Kunde: »Ja, klar.«

Verkäufer: »Wenn ich Ihnen also hier und jetzt ein Spitzenangebot unterbreite für ein sicheres Auto mit einem fairen Preis, mit dem Sie heute hier raus fahren, sagen Sie ja?

Kunde: »Ja!«

Die »Ja-Straße« kommt ursprünglich aus der modernen Hypnotherapie und wird heutzutage oft in Rhetorikseminaren unterrichtet. Man versucht, vom potenziellen Kunden in kurzer Zeit und rasch hintereinander mehrere »Jas« zu bekommen, um dann auf eine entscheidende Frage ebenfalls das ersehnte »Ja« zu bekommen. Ob diese und ähnliche Techniken wirklich funktionieren, ist höchst umstritten. Außerdem ist es fraglich, ob solche manipulativen Techniken für die langfristige Kundenbeziehung vorteilhaft sind. Einige der Techniken, an denen sich Verkäufer bedienen (können), kommen aus dem NLP. Fragt man einen NLP-Trainer, ob Manipulation in Ordnung ist, hört man fast immer die gleiche Antwort: »Wir manipulieren immer, egal ob es uns bewusst ist oder nicht. Warum sollen wir es dann nicht bewusst und mit System tun?«

Helga Steiner (Inhaberin Steiner Consulting, www.steinerconsulting.at) weiß, warum die Ja-Straße durchaus ihre Berechtigung hat: »Die Ja-Straße funktioniert natürlich. Sie gehört zur Gesprächsführung dazu. Nach einer ausführlichen Bedarfsanalyse, der Angebotspräsentation und natürlich der Einwandbehandlung ist dann die Zusammenfassung so zu gestalten, dass der Kunde viele »Jas« gibt. Es ist ratsam, sich im Laufe des Gesprächs immer wieder positiv abzustimmen und Bereiche des Gesprächs, bei denen man sich einig ist, mit einem Ja zu fixieren. Je mehr Übereinstimmung (= mehr Jas) desto besser. Natürlich wirkt das positiv auf die Psyche des Menschen. Manipulation ist das für mich nicht.«

Tatsächlich wurden in den 80er- und 90er-Jahren zahlreiche Unternehmen bzw. deren Vertriebsteams mit manipulativen Techniken »ausgestattet« und die Verkaufszahlen sind teils stark in die Höhe geschnellt. Der Erfolg war vorprogrammiert, diese Seminare haben geboomt. Doch auch der dümmste Kunde merkt irgendwann, dass ihm der Verkäufer etwas »aufgeschwatzt« hat, was er gar nicht wollte. Darunter litt wiederum die Kundenbeziehung und die Verkaufszahlen gingen schrittweise wieder zurück. Es gibt viele solcher manipulativen Tricks, die auch häufig in der Werbung verwendet werden.

Robert Cialdini von der Arizona State University beschreibt in seinem Buch »Die Psychologie der Überzeugung« 6 Faktoren bzw. Tricks, die den Kunden eher »ja« sagen lassen:

Reziprozität oder Gesetz der Gegenseitigkeit: »Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft« ist wohl die beste Umschreibung für dieses Phänomen. Wenn ich Ihnen einen Gefallen tue, dann fühlen Sie sich »verpflichtet«, mir auch etwas Gutes zu tun. In Verkaufstrainings ist das häufig mit den Worten »zuerst säen, dann ernten« beschrieben.

Knappheit: Jeder von uns kennt den Verkäufertrick: »limitierte Edition«, »Sonderpreis« oder »nur bis zum 10. Mai erhältlich, danach haben Sie keine Chance mehr, diese CD zu erhalten«. Auch im Web wird dieses Prinzip erfolgreich genutzt. Bei Seminaren wird das häufig mit den Worten »es ist nur noch ein Restplatz verfügbar« umschrieben.

Autorität: Prominente (Thomas Gottschalk, Armin Assinger, Felix Gottwald) oder andere »anerkannte« Spezialisten (z. B. Dr. Best) machen für ein Produkt oder eine Dienstleistung Werbung und wir kaufen es, weil ja der scheinbare Experte das Produkt empfiehlt. In Verkaufsgesprächen könnte es so aussehen: »Erst letzte Woche habe ich dieses Produkt an Frau Dr. Soundso verkauft, und sie ist total begeistert.«

Konsistenz oder das Gesetz der eigenen Glaubwürdigkeit: Dies bedeutet nichts anderes als: »Wer A sagt, muss auch B sagen.« Haben wir erst mehrmals bestätigt, dass uns das Produkt oder die Dienstleistung wirklich interessiert (durch gefinkelte Fragen des Verkäufers), dann ist es schwerer, die alles entscheidende Frage mit »nein« zu beantworten.

Sympathie oder Vertrautheit: Wenn uns ein Freund oder eine Freundin etwas empfiehlt, dann haben wir tendenziell eine positivere Grundhaltung und sind eher geneigt, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu probieren und zu kaufen, denn: Eine uns sympathische Person hat uns dies empfohlen und diese wird uns ja nichts Schlechtes empfehlen, oder? Auf diesem Gedanken basieren sämtliche Empfehlungsmarketing-Ideen.

Soziale Bewährtheit: Nach diesem Prinzip kauft jemand oder unterstützt jemand ein Produkt, eine Dienstleistung oder Idee, weil es »alle« anderen auch tun. In der Werbung wird dieses Prinzip mit Slogans wie »meist verkauftes Produkt«, »größter Händler«, »mehr als 120 Jahre Erfahrung« oder »3 Millionen Mal gekauft« beworben. In vielen anderen Kontexten wird versucht, Ihnen alles Mögliche mit den Worten »Alle machen mit, dann wirst Du ja nicht nein sagen, oder?« schmackhaft zu machen.

(Quelle: www.gluecksphilosoph.org)

Alois Widena (VBC-Partner, www.vbc.biz) definiert Manipulation im Verkauf so: »Unter Manipulation im Verkauf verstehen wir die Beeinflussung von Menschen, um sie zu einer Kaufentscheidung zu bringen, ohne dabei einen tatsächlichen Nutzen für sie aus dem Produkt oder der Dienstleistung zu generieren. Ganz unter dem Motto: ›Lasst uns einen Bus mit mehr oder weniger aktiven Pensionisten und sonstigen Tagesfreizeitlern füllen, sie nach sonst wohin karren, mit einem Gratisschnitzerl abfertigen und dann mit dem Happy-Matratzen- und Wärmematten-Selling beginnen.‹ Das ist natürlich keine professionelle Art zu verkaufen und für uns absolut nicht okay.«

Ob diese Art des Verkaufens für einen Verkäufer die richtige ist oder nicht, lässt sich mit einer ganz einfachen Frage beantworten: Möchte ich, dass mein Kunde kauft, weil er von den Leistungen des Produktes, von meinem Unternehmen und von mir als Verkäufer überzeugt ist, oder will ich nur rasch zum Abschluss kommen, egal ob es eine langfristige Kooperation gibt oder nicht?

Manipulative Sprache

Geschulte Verkäufer und auch die Werbung unternehmen viele kleine Maßnahmen, um den Käufer zur Unterschrift zu bewegen. Sie wollen doch bestimmt mehr darüber wissen – und auch, wie Sie sich dagegen wehren können, oder?

Und schon sind wir mittendrin. Sie lesen weiter. Auf die zuletzt gestellte rhetorische Frage wird sich fast jeder, dem das Thema »Verkauf« ein Anliegen ist, innerlich mit »ja« beantworten.

Sie kennen doch bestimmt Flyer, auf denen in etwa Folgendes steht: »Möchten auch Sie Ihr Leben finanziell unabhängig in einem Luxushaus mit dem Bentley in der Garage verbringen?«

Zahlreiche Menschen werden unbewusst mit »ja« antworten und weiterlesen. Für ganz viele ist das wiederum furchtbar und sie werfen den Flyer weg. Falsche Zielgruppe. Der Trick der rhetorischen Frage wird natürlich häufig in Verkaufsseminaren trainiert.

Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz hypnotischer Sprachmuster. Dabei geht es um den Einsatz von bestimmten Mustern in der Sprache, die eine hypnotische Wirkung auf andere haben (sollen) und z. B. einen Kunden zum Kauf bewegen. Je abstrakter die Sprache ist, die Sie verwenden, desto hypnotischer wird Ihre Kommunikation sein. Je detaillierter und spezifischer die Worte und Sätze sind, desto wahrscheinlicher können Sie Menschen in Trance versetzen und sie werden es nicht merken. Ein Beispiel:

Ein Verkäufer sagt einem interessierten Käufer folgenden Satz:

»Dieses Produkt ist wirklich spitze. Viele Kunden nehmen es nach Hause, um es zu testen. Ich versichere Ihnen, wenn Sie es probieren, werden Sie eine Menge Spaß haben. Oft kommen die Kunden zurück und kaufen das Produkt danach.«

Das Unterbewusstsein würde verstärkt Folgendes hören: »Nehmen Sie es nach Hause. Haben eine Menge Spaß. Kaufen Sie das Produkt.«

Ein weiterer Satz könnte in etwa so formuliert sein: »Ich persönlich liebe dieses Handy und kaufe nur noch diese Marke! Gerade wenn es neu ist, muss man schnell sein, sonst sind sie rasch ausverkauft«

Wir hören: »Kaufe nur noch diese Marke, schnell!

Verhandeln auf Augenhöhe

Was kann ein Kunde tun, um sich gegen Manipulationen zu wehren? Im Grunde nicht viel. Das Wichtigste ist, sich seiner eigenen Bedürfnisse klar zu sein. Was will ich um welchen Preis kaufen? Wenn das wirklich klar ist, wird es auch der beste Verkäufer nicht schaffen, Sie zum Kauf von etwas anderem zu bewegen. Und jetzt kommt der Punkt. Der beste Verkäufer wird es auch gar nicht wollen. Denn ein moderner Verkäufer weiß genau, dass Manipulation zwar funktioniert, doch langfristig den Kunden vergrault.

Daher definiert Alois Widena einen guten Verkäufer so: »Ein guter Verkäufer hört dem Kunden zu, erfragt seinen Bedarf, um zu erfahren, was er braucht und will. Dann wird er das richtige Produkt oder die passende Dienstleistung präsentieren und den Nutzen für den Käufer hervorheben. Sendet der Kunde Kaufsignale und kommt es zum Abschluss, kann der Verkäufer am besten gleich gemeinsam mit dem Kunden den Sektkorken knallen lassen und den Erfolg für die richtige Entscheidung feiern.«

Es ist für Käufer hilfreich, die Tricks der Verkäufer zu kennen. Daher geht der professionelle Einkäufer durchaus auch auf ein Verkaufsseminar und Verkäufer auf Einkäuferseminare. So lernen sie die Denkweise und Tricks der anderen Seite kennen. Leider arbeiten auch seriöse Unternehmen mitunter mit diesen Tricks, wie z. B. die Küchenverkäufer in großen Möbelhäusern: »Wenn Sie jetzt gleich unterschreiben, bekommen Sie nochmals 25 % Rabatt.« Naja … vermutlich wird er diesen Preis auch noch eine Woche später halten, dennoch werden viele Menschen sofort unterschreiben und sich eventuell danach ärgern. Achten Sie beim Verkäufer auf echte Argumente! Wenn Sie sich in irgendeiner Weise euphorisch fühlen, werden Sie möglicherweise gerade manipuliert.

Wie viel Manipulation ist erlaubt?

Ist es manipulativ, wenn ein Mann einer Frau in der Disco einen Drink bezahlt? Natürlich! Denn es entspricht dem Gesetz der Gegenseitigkeit (ich gebe dir etwas, und dafür gibst du mir etwas). Ist es manipulativ, wenn er ihr ehrliche Komplimente macht? Na klar! Doch ist es verboten und sogar schlecht oder böse? Vielleicht denken Sie jetzt, das sei ganz etwas anderes. Ist es aber ganz und gar nicht. Techniken aus dem NLP wie das Spiegeln, um dadurch Rapport aufzubauen, dienen primär dazu, ein entspanntes Verhältnis zwischen zwei Menschen herzustellen. Dagegen ist doch gar nichts einzuwenden. Die Frage ist immer nur, wo die Grenze ist.

Alois Widena hat dazu einen guten Vergleich: »Wenn Sie einen großen schweren Stein zum Rollen bringen wollen, ihre Muskelkraft dafür nicht ausreicht und Sie dann zu einem Stück Langholz greifen und einen Hebel bilden, damit der Stein mit dieser Technik ganz leicht ins Rollen kommt, hat der Hebel einen guten Dienst erwiesen. So sehen wir das auch mit Techniken wie Spiegeln, der sinnesspezifischen Sprache und Rapport in der Körperhaltung. Beim Gesprächseinstieg mit dem Kunden angewendet, komme ich schnell in eine gute Kundenbeziehung und erfahre mit hoher Wahrscheinlichkeit noch genauer seine Bedürfnisse und Kaufmotive in einer angenehmeren Atmosphäre für den Kunden. Jetzt kommt wieder das eigene Maß der Ethik ins Spiel. Welche Maßnahmen setze ich oder welchen Hebel verwende ich, um wiederum den höchsten Nutzen aus meine Beratung für den Kunden zu generieren?«

Auch Helga Steiner ist ähnlicher Überzeugung: »Ich rate jedem Verkäufer, sich mehr mit dem Menschen auseinanderzusetzen, dieser entscheidet letztendlich. Auch im B2B ist das so. Es geht darum, den Kunden besser zu verstehen, um darauf reagieren zu können und um das Gespräch zielorientiert zu führen. Einen Kunden in Abstimmung mit seinem Bedarf durch ein Verkaufsgespräch zu führen, um den Auftrag zu bekommen, muss jeder Verkäufer beherrschen, das ist die Aufgabe/Ziel des Verkäufers. Und es muss auch jedem Kunden klar sein, dass der Verkäufer dieses Ziel verfolgt. Welches Ziel der Kunde verfolgt, muss er selbst entscheiden.«

Fazit:

Ein guter Verkäufer ist voll und ganz von seinem Produkt überzeugt. Er weiß, dass das Produkt entsprechende Qualität bietet und wird es nur dann einem Kunden verkaufen, wenn er davon überzeugt ist, dass der Kunde es benötigt. Ist es unmoralisch, alles zu tun, um den Kunden von einem tollen Produkt zu überzeugen? Vermutlich nicht. Der Kunde hat immer die Wahl, zu kaufen oder es bleiben zu lassen. Für eine langfristige Kundenbeziehung ist Ehrlichkeit und Vertrauen das Wichtigste.

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