Wenn der Körper spricht

Kaum ein Thema in der Erwachsenbildung ist umstrittener als Körpersprache. Noch immer gibt es zahlreiche Mythen zu diesem Thema und nur wenige kennen aktuelle Forschungsergebnisse. TRAiNiNG hat recherchiert und mit Experten gesprochen.

Kennen Sie folgende Situation: Sie sitzen mit verschränkten Armen in einem Meeting oder bei einer Familienfeier und hören gespannt zu. Solange, bis jemand fragt, warum Sie sich so verschließen. Oder Sie erzählen freudig vom letzten Urlaub in der Südsee und schauen einmal bei einer kurzen Geschichte nicht in die Augen Ihres Zuhörers. Schon wird in Frage gestellt, ob Sie sich die Südsee Insel Fidschi oder Bora Bora wirklich leisten können. Solche Annahmen und Halbwissen über Körpersprache reichen viele Jahre zurück. Nämlich in die Zeit, als die Forschung zum Thema Körpersprache noch genau so einfach gestrickt gedacht hatte. Man glaubte früher, jedes Zeichen sei eindeutig zu interpretieren. Das war natürlich für die Erwachsenenbildung super, konnte man doch schöne und spannende Seminare anbieten. Im Sinne von »Macht jemand x, bedeutet das y«.

Heute wissen wir mehr zu diesem Thema und vieles von früher gilt heute als eindeutig widerlegt. So z. B. die Bedeutung der Augenbewegungen, die aber noch immer gelehrt wird. Die Behauptung: Wenn jemand z. B. nach rechts oben schaut, versucht er, sich visuell an etwas zu erinnern. Blickt er nach links oben, wird visuell etwas konstruiert (also lügt er). Das ist durch mehrere Studien widerlegt worden.
Heute wissen wir, dass Körpersprache etwas hoch Individuelles ist. Und ja, es ist möglich, Zeichen zu deuten und zu interpretieren, aber nur, wenn man den Menschen vorher gut beobachtet hat und sich darauf »kalibriert« hat.
Körpersprache beinhaltet unfassbar viele Signale und viele Faktoren. Ein Signal alleine zu deuten, wäre höchst fahrlässig. Wenn sich Signale häufen, ist eine Interpretation zulässig, sollte jedoch trotzdem genau überprüft werden.
Unser Körper spricht – immer. So viel ist sicher. Nur was wir hineininterpretieren, ist mit größter Vorsicht zu behandeln.

Ein paar Mythen zu diesem Thema, wie z. B. die Bedeutung der 55-38-7-Regel von Albert Mehrabian lesen Sie hier.

Was wirklich wichtiger ist, das gesprochene Wort oder der sprechende Körper, beantwortet der österreichische Körpersprachenexperte Stefan Verra so: »Wenn man einen Apfel kauft, muss er appetitlich aussehen, bevor man sich mit seinen inneren Werten beschäftigt. Wenn er nicht gut aussieht, wird man nicht hineinbeißen. Genau das ist Körpersprache. Sie ist nicht wichtiger als die Worte, aber sie kommt immer davor.«

Um Einblick in das Thema zu bekommen, hat TRAiNiNG Experten zu diesem Thema befragt. Wir wollten wissen: Was gehört alles zur Körpersprache?

Serge Falck (österreichischer Schauspieler und einer von mehreren Trainern zum Thema Körpersprache am WIFI Wien) hat als Schauspieler mit dem Thema viel Erfahrung: »Zur Körpersprache gehört alles, was von Herzen kommt. Der Körper reagiert auf jeden emotionalen Impuls ganz automatisch. Also kommt es nur darauf an, wie man mit seinen Impulsen umgeht. Aber das bedeutet nicht, dass man jeden Impuls unterdrücken soll. Wir wollen ja Menschen sehen, mit ihnen kommunizieren und ihnen zuhören. Und wollen keine Maschinen!«

Schien Ninan (Creative Director und Gesellschafter von HPS Training): »Zur Körpersprache gehört der gesamte Körper. Der wichtigste Punkt hierbei: Amateure richten ihre Körpersprache danach aus, dass sie sich wohl fühlen. Profis hingegen achten vor allem darauf, dass sie gut auf ihre Zuhörer wirken. Das ist ein entscheidender Unterschied!«
Dazu bringt Schien Ninan ein Beispiel: »8 von 10 Vortragenden bauen ihre Anspannung unkontrolliert über die Bewegung in den Beinen ab. Das fühlt sich vielleicht gut an, wirkt aber unruhig. Profis bauen die gleiche Energie kontrolliert über Gestik in den Armen ab. Das fühlt sich für sie gut an und wirkt kompetent. Im Präsentationstraining beispielsweise ist es daher wichtig zu lernen, die Körpersprache nicht primär auf das eigene Empfinden auszurichten, sondern auf die Wirkung. Das gelingt nur durch viele Auftritte und intensive Betreuung durch ein Trainerteam. Nur dann ist sichergestellt, dass Teilnehmer am Ende besser wirken und sich besser fühlen.«

Helga Steiner (Geschäftsführerin bei STEINER Consulting): »Grundsätzlich ist die Körpersprache der nonverbalen Kommunikation zuzuordnen. Gesten, Gesichtsausdrücke und die Körperhaltung spiegeln die wahren Gefühle einer Person und werden unbewusst gesendet und wahrgenommen.«

Nach Albert Mehrabian (iranisch-amerikanischer Psychologe) sind viele Aspekte der Sprache, wie Schnelligkeit, Betonung, Lautstärke, Sprechfehler, Häufigkeit und Länge der Pausen teil der Körpersprache. Daher stellt sich natürlich die Frage, ob alle nonverbalen Signale unter den Begriff »Körpersprache« fallen. Denn dann zählen natürlich auch Kleidung, Schmuck, Piercings etc. dazu. Weiters auch Gerüche wie Parfums, Zigarettenrauch etc.). Wir bezeichnen das jetzt einfach einmal alles als Körpersprache im erweiterten Sinn und wollen uns nun aber im Folgenden auf Körpersprache im engeren Sinn fokussieren, also Mimik, Gestik, Position und Distanz.

Angeboren oder erlernt?

In dem Buch »Soziale Kompetenz im Management« von Herausgeberin Bettina Greimel-Fuhrmann klären die beiden Autoren Birgit und Wilfried Schneider (2013) im Artikel »Alles ist Körpersprache, ist alles Körpersprache?« die Frage ob Körpersprache angeboren oder erlernt ist. Sie schreiben über eine interessante Untersuchung von Paul Ekman (US-amerikanischer Anthropologe und Psychologe sowie Forscher für nonverbale Kommunikation): In aufwändigen Untersuchungen überprüfte Paul Ekman, ob Basisemotionen wie Freude, Ärger, Ekel, Trauer, Furcht, Überraschung in verschiedenen Kulturkreisen zur gleichen Mimik führen und auch an Hand der Mimik erkannt werden. Um Lerneffekte (z. B. durch Fernsehen) auszuschließen, führte Ekman Untersuchungen in »Steinzeitkulturen« im Hochland von Papua-Neuguinea durch. Die mimischen Varianten, die bei Weißen fotografiert wurden, konnten nach seinen Angaben von den Papuas weitgehend richtig eingeschätzt werden. In einer »Rückuntersuchung« las er 9 Männern in Papua Geschichten vor, die die Grundemotionen verursachen sollten und bat sie, einen passenden Gesichtsausdruck zu machen. Dieser wurde fotografiert und die Fotos wurden amerikanischen Studenten vorgelegt, die wiederum die Basisemotionen ebenfalls richtig einschätzen konnten. Diese Befunde sind zwar wissenschaftlich interessant, helfen jedoch bei der Interpretation von alltäglichen Signalen der Körpersprache kaum weiter. Auch Ekman gibt zu, dass die Deutungen zwar bei den Grundemotionen Freude, Ärger, Ekel, Trauer signifikante Übereinstimmungen ergaben, nicht aber bei den ebenfalls untersuchten Emotionen Furcht und Überraschung.

Helga Steiner: »Laut Fachliteratur ist Körpersprache universell und angeboren. Unabhängig von kulturellen Bedingungen und Erziehung reagieren Menschen am ganzen Globus in ähnlicher Weise. Je nach Alter und Lebenssituation kann sich diese aber ändern. Erfahrungen prägen. Einstellungen variieren. Verhaltensweisen werden angepasst.«

Schien Ninan: »Körpersprache muss ganzheitlich wirken und ist situations- und kulturabhängig zu deuten. Es gibt universale Signale, die so tief in uns verankert sind, dass sie kulturunabhängig sind. Dass unkontrollierte Bewegung Unruhe ausstrahlt und kontrollierte Gestik als kompetent gedeutet wird, ist ein Beispiel dafür. Wie stark diese Signale gesendet werden sollten, ist in der Tat kulturabhängig. Die Intensität und Form der Gestik ist dafür ein Beispiel.«

Serge Falck ist ebenfalls davon überzeugt, dass Körpersprache größtenteils angeboren ist: »Jegliches Gefühl ist von Kindheit an da. Man kann sich aber die Gefühle abtrainieren. Leider passiert das immer noch. So entsteht dann die Unlockerheit.«

Auch die Forschung kommt zu diesem Schluss, so schreiben B. und W. Schneider zusammengefasst: »Sieht man daher von Basisemotionen und psychosomatischen Reaktionen ab, helfen Ekmans Befunde wenig. Körpersprachliche Signale sind in der Alltagskommunikation offensichtlich kulturspezifisch und situational bedingt.«

Welchen Sinn kann es daher ergeben, Körpersprache zu lernen? Wenn sie doch kulturell und situativ anders interpretiert werden muss? Warum also Geld und Zeit in so ein Seminar investieren? Außerdem heißt es doch, wir sollten authentisch bleiben und uns nicht verstellen – wie passt das zusammen?
Authentisch (also natürlich) sein ist nicht immer ein Segen und der ewige Ruf danach stimmt nur bedingt. Wenn jemand auf der Bühne authentisch langweilig ist, ist er eben langweilig. Da bevorzugen doch die meisten Zuhörer einen unauthentischen, aber spannenden Vortragenden.
In guten Seminaren geht es daher vor allem darum, die eigene unbewusste Wirkung zu erfahren und ins Bewusstsein zu überführen. Dann können in Seminaren neue Bewegungen ausprobiert und die Reaktionen besprochen werden. Dafür machen Seminare Sinn. Nur um dogmatische Inhalte zu lernen weniger. Da kann man sich auch ein gutes Buch von Experten zu dem Thema kaufen.
Seminare sollen gar nicht dazu dienen, zu lernen, was jetzt das Berühren der Nase oder das Kratzen am Hals bedeuten kann. Vielmehr ist es relevant, funktionelle Körpersprache herauszufinden. Was funktioniert wann? Kinder können das. Sie wissen genau: Wenn sie weinen, bekommen sie Aufmerksamkeit. Erwachsene müssen das für sich erst wieder neu entdecken.

Zu langes und zu intensives Nachdenken über die eigene (körpersprachliche Wirkung) kann natürlich auch dazu führen, dass jemand nicht authentisch wirkt. Und selbst wenn jemand z. B. beim Flirten bewusst versucht, die Körpersprache entsprechend anzupassen, ist nicht klar, wie das Gegenüber die Sprache des Körpers interpretiert.

Serge Falck zu diesem Dilemma: »Körpersprache ist nicht eindeutig zu interpretieren. Nichts auf der Welt ist eindeutig interpretierbar. Viele denken einfach zu oft darüber nach, was das Publikum, die Zuhörerschaft denken KÖNNTE. Das Publikum wird sich immer alles Mögliche denken. Ich rate dazu, daran keine Gedanken zu verschwenden und bei sich zu bleiben. Nicht nur der Redner kann sich anpassen, auch das Publikum ist bereit, sich auf Anderes einzustellen. Man soll immer zu seiner eigenen Persönlichkeit und seinen Inhalten stehen.«

Kulturabhängige Körpersprache

Dass in anderen Ländern und Kulturen andere Definitionen für körpersprachliche Signale gelten, ist allgemein bekannt. Im Iran z. B. übernimmt der »O.K.-Daumen« die Funktion des Stinkefingers. Auch das O.K.-Signal von Tauchern, nämlich das Bilden eines Kreises mit Daumen und Zeigefinger, hat in arabischen Ländern eine obszöne Bedeutung.
B. und W. Schneider schreiben: »Ein Professor der Wirtschaftsuniversität Wien berichtete von der für ihn unerträglichen Situation bei Gastvorlesungen in Indien, wenn Hunderte Studierende im vollen Hörsaal ständig den Kopf hin und her wiegten. Obwohl er von der positiven Bedeutung dieses nonverbalen Signals wusste, verzichtete er auf weitere Vorlesungen in Indien, da er sich von seiner gelernten Einstellung (Kopfwiegen drückt Kritik aus) nicht lösen konnte.«
Tief verwurzelte Erfahrung und langjährig Angelerntes ist schwer für uns, anders zu interpretieren. Selbst wenn wir die Bedeutung kognitiv kennen und verstehen.

Nonverbale Signale unterscheiden sich in angeborene und gelernte (egal ob in Seminaren oder über Lebenserfahrung) Signale. Bewusst Signale zu senden, kann sehr leicht enttarnt werden, oder einfach »unrund« wirken.
Helga Steiner: »Das Gegenüber erkennt ohne nachzudenken sofort, was ›ehrlich‹ gemeint ist und was nicht. Der Körper spricht – eben nonverbal – von Kopf bis Fuß. Viele Verhaltensweisen können kontrolliert und trainiert werden, aber in spontanen Situationen werden sich verankerte Muster durchsetzen. Wichtig ist es, authentisch auf der nonverbalen und verbalen Ebene zu agieren. Es darf nur wenig oder keine Disharmonie geben. ›Die Kunst des Verstellens‹ beherrschen wirklich nur wenige. Durch gezielte Beobachtung und Aktivierung aller Sinne ist es jedoch möglich, die wahren Hintergründe festzustellen.«

Forschung und Seminare

Obwohl die Forschung zu dem Thema eindeutige Antworten gibt, ist dieses Wissen noch bei vielen Trainern nicht angekommen. Zu häufig werden Seminare verkauft, die schlichtweg einzelne Signale erklären, dogmatisch interpretieren und das Wissen als allgemeingültig darstellen. Dadurch werden die Teilnehmer in ihrer Wirkung unecht. Denn eines besagt die Forschung klar: Körpersprache beeinflusst ein Gespräch, einen Vortrag oder sonstige Kommunikation in jedem Fall – bewusst oder unbewusst!
Schien Ninan: »Die Forschung betont zunehmend: Körpersprache beeinflusst wesentlich die inhaltliche Wahrnehmung des Gesagten. Das ist ja die große Tragödie für viele. Vortragende, die sattelfest im Thema sind, zerstören sich mit ihrem unruhigen Auftritt die inhaltliche Glaubwürdigkeit. Währenddessen schaffen es die selbstsicheren Dampfplauderer, ihren mäßigen Inhalt durch sicheres Auftreten enorm aufzuwerten. Das große Glück ist, wir wissen ganz genau, wie Vortragende Sicherheit ausstrahlen können. Es gilt, dieses Wissen zu nutzen, intensiv zu trainieren und den Dampfplauderern Paroli zu bieten!«

Bei der Auswahl eines Seminars zu dem Thema sollte man unbedingt die Ansichten des Trainers vorab überprüfen. Wie sieht er Körpersprache? Welche Inhalte werden vermittelt? Der Speaker und Trainer Stefan Verra hat dazu kürzlich in einem Interview gesagt: »Der Großteil (von Körpersprache) passiert unbewusst. Ich habe nicht die Mission, den Leuten zu sagen, wie es ›richtig‹ geht. Ich habe mich zu viel damit beschäftigt, um zu sagen, dass man sich nun so oder so verhalten muss. Das Leben ist zu vielfältig dafür.«

Fazit
Bei der Deutung von körpersprachlichen Signalen in Gesprächen ist Vorsicht geboten. Details wie Kopfstellung, Gestik oder andere Signale sollten niemals eindeutig interpretiert werden. Dieses Problem wird durch kulturspezifische Besonderheiten noch verstärkt. Empirische Untersuchungen dazu zeigen, dass die Detailinterpretation körpersprachlicher Verhaltensweisen, wie sie in weiten Teilen der Sachbuchliteratur oder in einigen Seminaren empfohlen wird, mit viel Vorsicht zu betrachten ist. Lediglich starke Signale wie Basisemotionen können eindeutig interpretiert werden, schwache Signale in Gestik und Mimik jedoch nicht. Um nicht körpersprachlich als Lügner ertappt zu werden, ist es ganz einfach besser, nicht zu lügen. Um nicht als authentischer Langeweiler auf einer Bühne zu stehen, ist es besser, nicht zu langweilen. Und um beim Flirten Erfolg zu haben, ist es besser, ein interessanter und aufrichtiger Mensch zu sein!

Und weil es Serge Falck im Interview so schön auf den Punkt bringt, überlassen wir ihm hier das Schlusswort: »Wenn wir einen Menschen in seiner offenen und verletzbaren Menschlichkeit begegnen, wollen wir ihm gerne folgen. Das Perfekte jedoch macht Angst und stößt uns ab. Und daher sage ich: Machen Sie sich viel weniger Gedanken über Körpersprache, dann wirken Sie am natürlichsten.«

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