Wer viel misst, misst viel Mist

Bei internationalen Konzernen ist ein funktionierendes Kennzahlensystem Voraussetzung, um richtige Entscheidungen zu treffen.

Mitte Mai fand in Wien der alljährliche HR-Controlling-Circle statt, diesmal zum Thema »Internationales HR-Controlling«. Rund 50 Controller und Personalisten folgten der Einladung des Controller Instituts ins Palais Hotel Kempinski in Wien, um den 4 spannenden Vorträgen zu lauschen.

Durch eine immer schneller werdende Vernetzung und Internationalisierung von Unternehmen gewinnt auch das Thema Personalcontrolling im internationalen Umfeld stark an Bedeutung. Die Unternehmensumwelt wird komplexer, und qualitativ hochwertig aufbereitete Zahlen können Licht ins Dunkel bringen.

Die erste Keynote des Vormittages hält, wie auch schon in den letzten Jahren, die Universitätsprofessorin für Personalwirtschaft und Organisation Silke Wickel-Kirsch. Sie spricht über die Herausforderungen und Chancen von internationalem HR-Controlling und beginnt mit provokanten Aussagen: »Wenn Sie Ihr Personalcontrolling internationalisieren, müssen alle bestehenden Kennzahlen wieder neu definiert werden, nämlich unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Kulturen und gesetzlichen Regelungen. Die EDV-Basis muss neu angegangen werden mit den gleichen Problemen wie national – nur deutlich komplexer. Außerdem müssen die Instrumente des Personalcontrollings international angepasst werden.«
Nach einer kurzen theoretischen Einführung in das Thema bringt die Vortragende zahlreiche Beispiele von großen internationalen Unternehmen. Sie zeigt die Darstellungsmöglichkeiten der strategischen Personalplanung am Beispiel der Deutschen Telekom – das Unternehmen plant in verschiedenen Simulationen den Personalbestand bereits bis ins Jahr 2035.
Silke Wickel-Kirsch: »Leider wird strategische Personalplanung im deutschsprachigen Raum noch immer sehr stiefmütterlich behandelt, kaum ein Unternehmen hat Szenarien bis 20 Jahre in die Zukunft. Dadurch kommt es häufiger, als man glaubt, zu Personalengpässen. Die meisten Unternehmen konzentrieren sich fast ausschließlich auf die kurzfristige und operative Personalplanung.«
Später im Vortrag – beim Thema Personal-Kosten- und -Leistungsrechnung – stellt die Expertin interessante Zahlen aus einer PWC-Studie von 2012 vor. Gerade im internationalen Kostenvergleich muss sich jedes Unternehmen irgendwann die Frage stellen, ob Shared-Ser­vice-Center im Ausland eine Alternative darstellen. Laut dieser Studie sind damit vor allem im CEE-Raum besonders hohe Einsparungen bis zu 30 % möglich. Und das Spannende daran: Die Kundenzufriedenheit kann dadurch noch dazu erhöht werden. Billiger heißt also noch lange nicht schlechter.

Den zweiten Vortrag hält Eva-Maria Schlattinger, Head of HR-Controlling bei der Zumtobel Group AG. Sie referiert zum Thema »Implementierung eines globalen HR-Kennzahlenreportings«, gibt dabei Einblicke, wie das in ihrem Unternehmen gelebt wurde und spricht über Probleme und Lösungen. Ziel des Projektes war es, die wichtigsten HR-Kennzahlen weltweit auf einen Blick darstellbar zu machen. Daher ist das HR-Controlling auch direkt im globalen HR angesiedelt. »Früher wurden die Kennzahlen primär für Investoren und Aktionäre erstellt, wir haben sehr viel gemessen. Doch: Wer viel misst, misst viel Mist.« Mit der neuen Darstellungsform will das Unternehmen durch die Zahlen einen tatsächlichen Mehrwert für die Führungskräfte bieten. Zu Beginn hat das Unternehmen daher alle Kennzahlen neu definiert. Dabei gab es auch Probleme. So ist z. B. die Messung der Altersstruktur nicht flächendeckend weltweit möglich, da es in manchen Ländern verboten ist, das Alter zu erfassen. Daher wird es nun geclustert nach Generationen dargestellt.
Beim Thema Beschäftigungsdauer wird mit Wiedereintritten in verschiedenen Ländern anders umgegangen, auch das erschwert die Kennzahl der Unternehmenszugehörigkeit.
Weitere Herausforderungen beim Implementieren eines internationalen HR-Controllings waren die Sprache und die Kultur, unterschiedliche Definitionen und Begriffe und lokale Besonderheiten, wie z. B. Zeitzonen, Betriebsvereinbarungen und arbeitsrechtliche Unterschiede.

»Changing Role of HR-Controlling« ist das Thema des dritten Vortrags von Maja Kovacic, Personalcontrolling bei der Erste Group Bank AG. »Rund 50 % der Kosten sind bei uns Personalkosten, daher hat ein qualitativ hochwertiges Personalcontrolling einen hohen Stellenwert bei uns«, sagt die Rednerin. Dabei ist es besonders wichtig, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Aktionäre und der Führungskräfte einzugehen. Die Erwartungen an das Controlling sind dabei hoch: Prozesse im HR besser verstehen und steuern können, staatliche Vorgaben erfüllen, einen Überblick über aktuelle und zukünftige HR-Kennzahlen grafisch darstellen und eventuelle Frühwarnsignale erkennen.
Am Ende der Veranstaltung referiert Gabriel Schütz, Head of Area Controlling Technology, Finance & HR der A1 Telekom Austria AG über das Big Picture des HR-Controllings. Er erzählt, wie wichtig es ist, HR-Controlling nicht als Insel zu betrachten, sondern es sinnvoll in andere Controlling-Systeme einzubetten. Dabei stellt er auch vor, wie es A1 gelöst hat.
Im Anschluss an die Vorträge sorgt eine anregende Diskussion für viel Gesprächsstoff. Alle Referenten stellen sich den Fragen und können so auch selbst von den Erfahrungen der Teilnehmer profitieren.

Fazit
Eine gelungene Veranstaltung, die vor allem mit zahlreichen Praxisbeispielen punkten kann, aber auch die dahinterliegende Theorie nicht vergisst. Die Erfahrungen der Vortragenden helfen den Teilnehmern bei der Implementierung eines professionellen Controlling-­Systems.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*