Arbeitswelt im Wandel

Die Arbeitswelt hat sich nicht nur durch den Einsatz von Videokonferenz- und Kollaborationstools verändert. Worum es bei »New Work« wirklich geht, lesen Sie hier.

Die Pandemie hat gezeigt: Das Arbeiten im Home-Office funktioniert und bescherte vielen Unternehmen einen regelrechten Digitalisierungsschub. Neue Arbeitsweisen und -modelle, die unter dem Stichwort »New Work« schon lange diskutiert werden, nehmen jetzt Gestalt an. Die Krise hat damit auch einen positiven Trend ausgelöst. Denn an mehr Flexibilität, Eigenverantwortung und flachen Hierarchien kommen Unternehmen angesichts der fundamentalen Veränderungen der Arbeitswelt durch Digitalisierung, Globalisierung und dem Fachkräftemangel langfristig nicht vorbei.
Autobauer, die Beatmungsgeräte produzieren oder Textilfirmen, die Atemschutzmasken herstellen: Die Corona-Krise hat gezeigt, wie kreativ Unternehmen sein können und wie schnell sich Lösungen umsetzen lassen, die bisher undenkbar waren. Um Betriebsprozesse flexibel umstellen zu können, braucht es allerdings eine funktionierende Infrastruktur. In Zeiten, in denen eine vollständige Anwesenheit der Mitarbeiter im Unternehmen nicht gewährleistet ist, können virtuelle Kollaborationstools, digitale Vertriebswege und neue Technologien wie Cloud Computing als wirksame Hebel dienen, um die Handlungsfähigkeit von Unternehmen aufrechtzuerhalten. Österreichische Unternehmen sind hier schon auf einem guten Weg: Laut der EY-Studie »Digitaler Wandel im österreichischen Mittelstand 2020« spielen bei 77 % der mittelständischen Betriebe (im Vorjahr 73 %) digitale Technologien für das eigene Geschäftsmodell eine große Rolle. 2018 war das erst bei 56 % der Fall. Die aktuelle Situation hat den Druck, den digitalen Wandel im Eiltempo voranzutreiben, jetzt noch weiter erhöht.

Mehr Offenheit und Mut

Viele Unternehmen konnten sich in den letzten Monaten größtenteils nur virtuell mit Kunden, Zulieferern und ihren Mitarbeitern austauschen. Einer Umfrage von Gartner zufolge haben 88 % der Unternehmen weltweit ihre Mitarbeiter ermutigt oder aufgefordert, in den eigenen vier Wänden zu arbeiten. Ähnlich in Österreich: Laut der Flexible Working Studie 2020 von Deloitte Österreich in Kooperation mit der Universität Wien und der Universität Graz hat die Covid-19-Krise in den letzten Monaten zu einem starken Aufschwung von Home-Office und mobilem Arbeiten in Österreich geführt. 96 % der Unternehmen nutzten Home-Office im Lockdown umfangreich. Für zahlreiche Firmen bedeutete diese Umstellung eine enorme Herausforderung: Oft musste die IT-Infrastruktur für das mobile Arbeiten auf breiter Basis erst implementiert werden.
Doch es hat sich gelohnt: Die Pandemie hat gezeigt, dass Unternehmen mithilfe von modernen Tools nicht nur ihre Prozesse aufrechterhalten und so ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen können. Auch unkonventionelle Ideen und neue digitale Geschäftsmodelle sind damit leichter umzusetzen. Und bei den Mitarbeitern wächst die Offenheit und das Verständnis für neue Technologien. Millionen von ihnen erleben derzeit hautnah, wie sich der Sprung in die digitale Zukunft anfühlt – und dass es dafür keine aufwändigen Schulungen und Change-Programme braucht. Der Home-Office-Trend beweist, wie leicht Veränderung sein kann, wenn kein Weg an ihr vorbeiführt. Wenn die Krise überstanden ist, wird der digitale Fortschritt die neue Normalität sein.

Weichen für die neue Arbeitswelt

Auch nach der Corona-Krise werden viele Firmen nicht wieder vollständig zur Präsenzkultur zurückkehren. Der Einsatz von Videokonferenz- und anderen Kollaborationslösungen wird in Zukunft selbstverständlich sein. Denn er bietet Unternehmen die Möglichkeit, Geschäftsreisen zu reduzieren und Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten. So belegt eine vor zwei Jahren veröffentlichte Studie der Stanford University, dass Home-Office sogar produktiver ist als das Arbeiten im Büro. Und nicht zuletzt kommen Unternehmen damit ihren Mitarbeitern entgegen und können sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Denn die Mehrheit der Home-Office-Worker begrüßt die neue Flexibilität. Laut einer Umfrage von  Marketmind im Auftrag des ÖGB ist Home-Office bei mehr als zwei Drittel der Österreicher beliebt. Aber ist das jetzt schon »New Work« – die neue Arbeitswelt, die speziell von den Generationen Y und Z seit Jahren eingefordert wird? Sicherlich nicht. Mit der selbstverständlichen Nutzung von Collaboration-Technologien werden die Grundlagen jedoch gerade geschaffen – und zwar nicht nur in technischer Hinsicht. Auch andere Merkmale von New Work, die den Beschäftigten mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsspielraum einräumen, dürften durch den Erfolg des Home-Office einen Schub erfahren. Ob Work-Life-Balance, Co-Working-Spaces, agiles Projekt-Management, Transparenz, Feedback-Kultur, flache Hierarchien: Die lang diskutierte Vision einer Arbeitswelt, die von Flexibilität, Freiraum, Selbstverwirklichung und Individualisierung geprägt ist, nimmt Gestalt an.

Neue Unternehmenskultur

Wenn nun immer mehr Unternehmen und deren Mitarbeiter Home-Office als Selbstverständlichkeit und zeitgemäße Gestaltungsmöglichkeit von Arbeit betrachten und gleichzeitig auch eine zunehmende Zahl an Menschen freiberuflich tätig sein möchte, so zeigt sich darin sehr deutlich, dass es sich bei den Kernaspekten von New Work – Vertrauen und Eigenverantwortung – nicht um weltfremde Idealvorstellungen der jüngeren Generationen handelt. Es sind vielmehr realistische Werte, die zu mehr Motivation und Zufriedenheit führen – und am Ende letztlich zu besseren Ergebnissen. Damit setzt die neue Arbeitswelt aber auch eine entsprechende Unternehmenskultur voraus. Selbst Führungskräfte, die bislang nie über Home-Office oder den Einsatz freier Mitarbeiter nachgedacht hatten oder vergleichbaren Themen sogar ablehnend gegenüberstanden, sehen zunehmend, dass es funktioniert. Um New Work umzusetzen, müssen sie jetzt nicht nur offener für flexible Arbeitsmodelle werden. Sie müssen auch für den damit einhergehenden Wertewandel bereit sein.
Denn die Krise war nur der Auslöser. Auch die fundamentalen Veränderungen, die unsere Arbeitswelt schon seit Jahren prägen, fordern ein Umdenken: die Digitalisierung, die Globalisierung, der demografische Wandel, der Fachkräftemangel, der Übergang zur Wissensgesellschaft und nicht zuletzt die Frage nach der Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit, die exemplarisch für einen Wertewandel auf Mitarbeiterseite steht. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen die Verlagerung von Tätigkeiten ins Home-Office nicht als zeitlich befristeten Notfallplan verstehen. Sondern als den Beginn einer neuen Arbeitskultur, durch die sie sich langfristig Fachkräfte sichern können und die sie in Zeiten disruptiver Veränderungen zukunftsfähig macht.

Sechs Beispiele für den Wandel der Arbeitswelt

1. Flache Hierarchien: Gemeinsames Gestalten, offener Austausch und viel Entscheidungsfreiraum für die Mitarbeiter sind angesagt.

2. Open-Door-Policy: Transparente Kommunikation, schnelle Entscheidungsprozesse und stets ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Mitarbeiter: In modernen Start-ups ist das alles heutzutage selbstverständlich.

3. Agile Führung: Agile Führungskräfte reagieren jetzt und in Zukunft schnell und fokussiert auf die Veränderungen der Digitalisierung und zeichnen sich durch Flexibilität und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Trends aus.

4. Selbstorganisiertes Teamwork: Bei New Work zählt vor allem das Wir. Kooperationen zwischen den Mitarbeitern, zwischen Führungskräften und ihren Teams sowie innerhalb des Managements selbst sind daher elementar wichtig und organisieren sich im besten Fall dynamisch aber auch langfristig.

5. Work-Life-Balance: New Work bedeutet auch, dass der Mensch sich im Arbeiten verwirklicht, was zu einer zunehmenden Verschmelzung von Berufs- und Privatleben führen kann. Hier ist Passion sowie Ausgeglichenheit gefragt.

6. Selbstständigkeit: Anweisungen abwarten und stumpf ausführen war gestern. Wer sich in der Arbeitswelt der Zukunft behaupten will, arbeitet selbstständig und schöpft die Vorteile der Freiheit und Mitgestaltung voll aus.

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Johannes Kreiner, Geschäftsführer Sage DPW

Gastautor
Johannes Kreiner
ist Geschäftsführer von Sage DPW.
www.sagedpw.at