Bildungscontrolling und Digitalisierung

Wie verändert die Digitalisierung die Möglichkeiten von Bildungscontrolling? Bleibt alles beim Alten oder entstehen neue Wege?

Weiterbildungen kosten Unternehmen Geld und Zeit. Deshalb ist im Bildungscontrolling nicht nur die Zielsetzung wesentlich für den Erfolg, sondern auch die Messung dieser Ziele. Bildungscontrolling als eine Spezialdisziplin des Personalcontrollings wird aber immer noch stiefmütterlich behandelt. Zwar wird in vielen Unternehmen Weiterbildung großgeschrieben, ob diese Weiterbildung zu den gewünschten Zielen und Erfolgen führt, wird aber nicht nachgehalten. Wenn Sie nicht wissen, was Sie steuern wollen, wissen Sie auch nicht, welche Evaluierungsinstrumente Sie einsetzen müssen und welche Kennwerte Sie benötigen. Hilfreich ist es, die Hauptziele des Bildungscontrollings anzusehen:

  • Verbesserung der Transparenz der Kosten erreichen: um präzise Aussagen über die Kosten verschiedener Qualifizierungsangebote möglich zu machen
  • Möglichkeiten zur Verbesserung von Prozessen ermitteln: um konkrete Aussagen über Abläufe, Struktur, Kosten, Rationalisierungsmöglichkeiten treffen zu können
  • Kosten-Nutzen-Analysen durchführen: um genau angeben zu können, wann sich die Durchführung einer Qualifizierungsmaßnahme lohnt.

Lernebenen

Um Bildungscontrolling durchzuführen, kann das Modell von Kirkpatrick hilfreich sein, das relevante Hinweise auf die Ansatzpunkte für die Evaluation gibt. Es bietet somit eine Möglichkeit zum intensiven Controlling, wird aber in der Praxis erfahrungsgemäß nur sehr selten in voller Ausgestaltung umgesetzt. Als Framework (siehe Abbildung) ist es nach wie vor sehr hilfreich, um einen analytischen Blick auf Weiterbildungen werfen zu können.

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1. Ebene: Wie zufrieden sind die Teilnehmer? Diese Ebene beschäftigt sich mit der Frage, wie die Reaktion der Teilnehmer auf die Weiterbildung aussieht: Waren sie einverstanden mit der Schwerpunktsetzung und der Art der Schulung? Wurde die Weiterbildung von den Teilnehmenden akzeptiert? Diese Stufe wird meist anhand von Fragebögen oder Befragungen erhoben.

2. Ebene: Wie hoch ist der Lernerfolg?
Diese Lernebene fragt nach dem Lernerfolg der Teilnehmer. Ziel ist es zu erfahren, ob der Vermittlungsprozess erfolgreich war. Um verlässliche Daten zu bekommen, ist es nötig, vor und nach der Schulung den Kenntnisstand zu ermitteln. Nur so lässt sich der Lernzuwachs beurteilen.

3. Ebene: Wie wenden die Mitarbeiter das Wissen in der Praxis an?
Effekte von Schulungen zeigen sich meist erst am Arbeitsplatz. Je höher die Umsetzungserfolge auf der Transferebene, desto wertvoller eine Schulung. Auf der anderen Seite: Ohne positive Auswirkungen auf den Arbeitsplatz nützt auch das interessanteste Seminar wenig.

4. Ebene: Welchen Nutzen hat das Unternehmen?
Nicht nur die einzelnen Mitarbeiter, auch das Unternehmen sollte von den Qualifizierungen profitieren. Nicht selten wird hier auch die Frage des monetären Return on Investment (ROI) gestellt. Indikatoren sind zum Beispiel niedrigere Produktionskosten, gesteigerter Umsatz, gesteigerte Produktivität der Mitarbeiter, niedrige Zahl der Kundenreklamationen und Kundenzuwächse.

Lernerfolg

Auf der Lernebene werden schon in den letzten Jahren verstärkt Methoden, wie z. B. Online-Learning, genutzt. Ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung sind die niedrigeren Kosten, die bessere Integrierbarkeit in den Arbeitsalltag und auch die verbesserten grafischen Möglichkeiten, die Lehr- und Lerneinheiten spannender zu gestalten. Learning-Software und Learning-Apps sind derzeit in den Unternehmen am weitesten verbreitet. Neuere Ansätze sind hier Virtual und Augmented Reality, die unter anderem die Möglichkeit bieten, mit einem »virtuellen Zwilling« zu üben und diverse Szenarien durchzuspielen.

Wie sehen nun die Möglichkeiten im Lerncontrolling aus? Gibt es auch hier verbesserte Ansätze durch neue Technologien? Etabliert haben sich dazu Apps, die das Lernen verstärken bzw. unterstützen können, sodass das Gelernte nachhaltiger erinnert wird. Beispielsweise wird hier eine automatisierte, fortlaufende Online-Lernzielkontrolle mit adaptiven Prüfungsfragen eingesetzt. Digitale Trainingseinheiten haben hier den klaren Vorteil, dass technisch sehr einfach dokumentiert werden kann, wer welche Übungen gemacht oder welches Video angesehen hat. Auch Quizfragen, Umfragen und Prüfungen können zu geeigneter Stelle im Online-Kurs übersichtliche Ergebnisse liefern. Ein Beispiel für eine solche, auf die einzelne Maßnahmen zugeschnittene, lernunterstützende App, ist Quizzer. Testfragen zum Gelernten ermöglichen eine höhere »Behaltenskurve« im Vergleich zum reinen Lernen ohne Unterstützung durch Online-Tests, sodass sowohl für die Teilnehmer und gegebenenfalls auch für das Unternehmen ein höherer Nutzen erzielt werden kann.
Zunehmend werden Lernprozesse auch durch künstliche Intelligenz (KI oder AI) und Lerndatenbanken unterstützt. Lern-Chatbots können personalisierte Empfehlungen von Lerninhalten leisten und damit auch im größeren Zusammenhang eines Development-Programmes einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Teilnehmer können in den Lerndatenbanken Online-Angebote auswählen, die sie für sinnvoll halten oder die individualisiert vom Chatbot vorgeschlagen werden. So stellt z. B. SAP einen Learning-Hub zur Verfügung, in dem zahlreiche Trainings (Videos, Handbücher usw.) durch Machine Translation übersetzt werden, damit in allen gängigen Sprachen gelernt werden kann. Auch Daimler hat eine vergleichbare Online-Learning-Datenbank, in der Trainingsvideos zu finden sind, die mit Sprachsteuerung zu dirigieren sind.

Transfer und Nutzen

Neue Möglichkeiten zur Messung des Transfers und des Nutzens für Unternehmen bietet das sogenannte »evidenzbasierte Personalmanagement«, das zur neuen Disziplin »HR Analytics« oder »People Analytics« gezählt wird. Hier wird durch zahlreiche Auswertungen und Verknüpfungen, die nur aufgrund der verbesserten Möglichkeiten der EDV und des Datenmanagements zur Verfügung stehen, die Möglichkeit geschaffen, Umsetzung und Erfolg bestimmten Weiterbildungsmaßnahmen zuzurechnen. Ein Beispiel könnte sein, dass der wirtschaftliche Erfolg und das Führungsverhalten von Führungskräften nach Trainingsmaßnahmen ausgewertet wird und dem wirtschaftlichen Erfolg und dem Führungsverhalten von Führungskräften ohne Trainingsmaßnahmen gegenübergestellt wird.
Ein anderer Ansatz könnte darin bestehen, dass die erfolgsrelevanten Eigenschaften von erfolgreichen Führungskräften ausgewertet werden, sodass im nächsten Schritt Führungskräfteschulungen so konzipiert werden, dass diese Eigenschaften trainiert werden. Die trainierten Führungskräfte wiederum können dann hinsichtlich wirtschaftlichen Erfolges und Führungsverhalten analysiert werden.

Fazit
Digitalisierung bietet jetzt schon viele Möglichkeiten und Ansatzpunkte für Weiterbildung und anschließendes Bildungscontrolling. Eine entsprechende Datenanalyse ermöglicht individuellere Lernpfade und kann damit auch den Transfer in die Praxis verstärken und den Nutzen für die Unternehmen erhöhen. Die Möglichkeiten der Auswertung und Unterstützung durch neue Technologien stehen in den meisten Unternehmen allerdings noch am Anfang. Veränderte Lernbedürfnisse und rasche Kompetenzentwicklung in einem dynamischen Umfeld einerseits und zunehmender Kostendruck und Transparenz andererseits machen den Einsatz von digitalen Services im Bildungscontrolling jedoch immer notwendiger.

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Gastautor
Silke Wickel-Kirsch
ist Professor für Personalwirtschaft und Organisation an der Hochschule RheinMain Wiesbaden und Lehrgangsleiter Certified HR-Controller am Controller Institut.

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Gastautor
Clemens Nachbauer
ist Leiter Programm-Management am Controller Institut und Director Consulting Competence Development & Change bei Ernst & Young in Wien.

www.controller-institut.at