Corona – die HR-Herausforderung

Wie gehen HR-Manager derzeit mit der Krise um? Welche Rahmenbedingungen gilt es zu klären und welche Herausforderungen und Chancen gibt es?

 

Corona geht uns alle an. Es ist allgegenwärtig in den Medien und beherrscht das Web. An eine Grippewelle haben wir uns schon gewöhnt. Wir berücksichtigen diese mehr oder weniger in unserer Personalplanung. Doch jetzt überholt Covid-19 die aktuelle Grippewelle und alle Prozesse werden auf Null gesetzt. Doch was ist anders? Vor ein paar Wochen auf den ersten Blick nicht viel, aber im Detail doch. Wirklich anders und somit neu ist eine Phase der Selbstbeobachtung, wenn der Verdacht auf eine Infektion besteht, und die Quarantäne, die wir eher aus Filmen als aus dem Alltag kennen. Und dann kam’s – wir leben in einem Ausnahmezustand. Von »Das geht mich nichts an« hin zu »Klopapier ausverkauft und ich sitze jetzt im Homeoffice« hat es nicht lange gedauert.

So oder so, Corona ist zu einem großen HR-Thema geworden. Im ganzen Land wurden in Management-Meetings die Notfallpläne überarbeitet, neu konzipiert und adaptiert. Die Erfahrungen der letzten Pandemien (z. B. SARS) haben den »alten Hasen« da sehr geholfen. Mit diesen Erfahrungen in der Hinterhand ist es leicht, sich zurückzulehnen und einmal durchzuatmen. Dies sollte man auf jeden Fall machen – durschnaufen. In dieser Ausgabe werden [Anm. d. Red.: ab Seite 52] einige arbeitsrechtliche Fragen beantwortet, die sich viele Personalisten in den letzten Tagen und Wochen gestellt haben. Deshalb werde ich darauf nicht näher eingehen. Vor wenigen Wochen habe ich noch behauptet: »Viele Fragen lassen sich mit dem allgemeinen Arbeitsrechtswissen lösen, wenn man das Wort ›Corona‹ aus dem Zusammenhang entfernt.« Doch so leicht haben wir es nicht mehr.

Die mediale Präsenz, die mangelnde Erfahrung und das Fehlen von Impfstoff macht Covid-19 für uns als Menschen so schlecht greifbar. Die Übertragungswege sind bekannt und wie wir uns schützen können, wissen wir. Aber jetzt werden Hygieneregeln auch eingehalten und Desinfektionsmittel – soweit diese noch verfügbar sind – intensiv genutzt. Das hat auch andere Effekte. Eine befreundete HR-Managerin hat die These vertreten, dass wir in einigen Monaten auf eine der besten Krankenstandsstatistiken in der Geschichte zurückblicken werden. Ihre Argumente waren: 1. Menschen waschen sich öfter die Hände. 2. Sie gehen rücksichtsvoller mit Verkühlungen um. So wird nicht mehr quer durch einen Bus gehustet oder geniest. Und jetzt kommt 3. dazu: Wir haben uns isoliert und meiden den Kontakt mit anderen Menschen.

Verhalten in der Krise

Doch kommen wir wieder zurück auf das Hauptthema. Was haben wir gemacht? Was machen wir aktuell? Was lernen wir gerade?  Eine der ersten Reaktionen von Unternehmen war es, die Mobilität von Mitarbeitern einzuschränken. Reisen und Meeting wurden untersagt oder eingeschränkt, Webmeetings und Telefonkonferenzen forciert und Mitarbeiter nach Österreich zurückgeholt.

Bereits in dieser frühen Phase ist eine abgestimmte Kommunikation an die Belegschaft essenziell. Was man hinter vorgehaltener Hand aus Unternehmen hört, ist es oft nicht ganz so abgestimmt gelaufen und viele hatten das Bedürfnis, Informationen quer durch die Organisationen zu mailen. Das hat sich aber schnell wieder eingependelt – je abgestimmter und strukturierter die Kommunikation war, desto schneller war das kurzfristig entstandene Informationsvakuum geschlossen.

Rasch haben Personalisten gemerkt, dass dies nur der Beginn war. Bei der Überarbeitung der Notfallpläne ist die Frage: »Wen brauchen wir für den Erhalt des (Not-)Betriebs?« So werden die Mitarbeiter für den Systemerhalt identifiziert und das HR-Management kann mit dieser Gruppe besondere Vereinbarungen bezüglich der Kommunikation, Erreichbarkeit, Arbeitszeitgestaltung treffen. In den letzten Tagen liest und hört man immer häufiger, dass sich ganze Gruppen an gesunden Mitarbeitern gemeinsam in Quarantäne begeben, um gesund zu bleiben und kritische Bereiche der Infrastruktur weiter in Betrieb zu halten (z. B. Wien Energie oder ORF). HR leistet dafür wertvolle Vorarbeiten. Die Gruppe der Systemerhalter sind auch die Mitarbeiter, die von Kurzarbeit ausgenommen werden.

Auch die restlichen Mitarbeiter darf man nicht aus den Augen verlieren. Durch die Unsicherheit in Bezug auf die Gesamtsituation, die Gesundheitsrisiken aber auch der wirtschaftlichen Situation kann es leicht zu Angst kommen, und das kann ungewollte gruppendynamische Prozesse auslösen. Diese Ängste sollten konkret angesprochen werden, und je stabiler und selbstsicherer das Management auftritt, desto leichter gelingt es, in die Teams wieder etwas mehr an »Normalität« zu bekommen – soweit dies aktuell möglich ist. Hier ist die Kommunikation das Um und Auf. Intern herausgegebenen Guidelines, Q&As, FAQs, … geben Halt, entlasten die HR-Mitarbeiter durch die proaktive Beantwortung von Fragen.

Homeoffice

Mit modernen Großraumbüros wird die Kommunikation und der persönliche Austausch mit den Kollegen unterstützt. Heute ist Homeoffice DIE Arbeitsform – gewollt oder ungewollt. In kürzester Zeit Homeoffice für alle bzw. fast alle Mitarbeiter einzuführen, ist ein Mammut-Projekt, das Personalisten nicht so einfach und jedenfalls nicht alleine stemmen können. Gut, wenn es schon die entsprechenden Vereinbarungen gibt (Arbeitsrecht), Mitarbeiter Laptops und Diensthandys haben (technische Ausstattung) und die IT genügend Möglichkeiten anbietet, auf die IT-Infrastruktur auch von außen gesichert zuzugreifen (technische Voraussetzung). Doch nur wenige Unternehmen haben das bereits umgesetzt und können allen die Arbeit von daheim anbieten. Spannend wird sein, welche Auswirkungen es für die Zeit danach haben wird.
Alle, die Homeoffice schon kannten, haben gemerkt, dass das jetzt anders ist. Ich nenne die neue Form Corona-Homeoffice. Alle Kollegen und man selbst hat 5 Tage die Woche dieses Corona-Homeoffice und der »Auslauf« fehlt. Termine werden mit virtuellen Meetings wahrgenommen und Mitarbeiter telefonieren so viel wie nie zuvor. Die Abstimmung hat sich verändert und ist nicht schneller oder leichter geworden. Neu sind auch die aktuellen Rahmenbedingungen, dass die komplette Familie mit Kindern den ganzen Tag von zuhause arbeitet. Die neue Herausforderung: Arbeit mit Kinderbetreuung ohne Schul- und Bürozeiten unter einen Hut zu bringen. So entwickelt sich so manche Videokonferenz zu einem Spießrutenlauf, wenn es professionell aussehen soll. Doch ist es nicht auch gut, dass es jetzt auch mehr »menschelt«? Personalisten brauchen da viel Einfühlungsvermögen, diese Corona-Homeoffice-Situation gut zu begleiten. Arbeitsrecht alleine reicht da nicht aus. Es braucht die Rahmenbedingungen, dass Teams in dieser Situation gut arbeiten können – technisch, organisatorisch und menschlich. Vor lauter Technik darf man den emotionalen Rückhalt der Kollegen nicht vergessen, den kann man schwer ersetzen und das Personalmanagement darf diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren. Dass das alles gut gehen kann, beweisen viele meiner Kontakte – auch wenn es oft wirklich nicht einfach ist.

Und dann erlebe ich durch unser HR-Netzwerk noch zwei gegensätzliche, herausfordernde Realitäten. Einerseits üben sich HR-Manager im Spagat zwischen den wirtschaftlichen Anforderungen (Senkung der Personalkosten) und einem menschlichen Umgang, wenn durch die Pandemie ganze Geschäftsfelder auf Eis gelegt werden. Andererseits spreche ich mit HR-Managern, die nicht wissen, wie sie den plötzlichen Anstieg an Arbeit bewältigen sollen, wenn deren Geschäftsfelder aktuell boomen.

Wenn es zu wenig Arbeit gibt, kann man unterschiedlich reagieren. Eine Variante ist die Kurzarbeit. Die laufenden, fast täglichen, Adaptierungen machen die Planbarkeit dabei nicht leicht, und das erschwert auch die Umsetzung. Deshalb hat sich dazu das ÖPWZ-Forum Personal zu einer Info-Drehscheibe entwickelt. Besonders die Telefonkonferenzen haben sich da als praktisches Tool etabliert. Für die Umsetzung egal welcher Maßnahme sind Personalisten gerade sehr gefordert – zeitlich und auch emotional. Wie man mit dem Personalabbau umgeht, hat massive Auswirkungen auf die Zeit nach der Pandemie. Jahrelang haben Unternehmen viel in das Employer Branding investiert und jetzt muss man Acht geben, dass das nicht mit einer Entscheidung zunichtegemacht wird. Das Verhalten von Organisationen in schwierigen Zeiten hat enorme Auswirkungen auf das Verhältnis von Mitarbeitern zu Unternehmen. Das hat sich bei der Finanzkrise sehr gut gezeigt – ich hoffe, daran erinnern sich auch manche Entscheidungsträger.

Die andere Realität sind die Unternehmen der kritischen Infrastruktur, von denen wir sehr viele haben. Dort gibt es für Personalisten auch etliche Herausforderungen, die zu meistern sind. Mitarbeiter werden an den jeweiligen Arbeitsplätzen gebraucht, auch wenn diese Jobs mit einer erhöhten Infektionsgefahr verbunden ist. In anderen Bereichen braucht man nicht nur die vorhandenen Mitarbeiter – man braucht massive Unterstützung und rekrutiert, wie schon lange nicht.
Sie sehen, dass es nicht den einzelnen typischen Corona-HR-Job gibt. Die Anforderungen sind extrem unterschiedlich und bei meinem Austausch mit Personalisten quer durch Österreich habe ich noch niemanden erlebt, für den das jetzt eine ruhige und einfache Zeit ist. Man muss »Kapazitäten« ab- oder aufbauen und weiß, dass es sich um Menschen handelt.

Post-Corona

Blicken wir in die nähere Zukunft, dann sind die dringendsten Fragen hoffentlich bald geklärt. Wir wissen, wie wir es schaffen, dass viele Mitarbeiter mobil arbeiten, haben Schichtpläne verändert, positiv getestete Mitarbeiter sind wieder gesund und das Wirtschaftsleben gewinnt wieder an Fahrt. Doch auch die Nachwehen werden im Personalmanagement spürbar sein. Emotional und kulturell müssen wir die Führungskräfte und Teams unterstützen, dass einmal positiv getestete Mitarbeiter nach ihrer Genesung wieder ohne Stigmatisierung zurückkehren können. Zusätzlich geht das typische HR-Geschäft weiter. Arbeitszeitmodelle werden wieder auf normal gefahren, Schichtpläne rückadaptiert, Kurzarbeit beendet, Reisemöglichkeiten sukzessive mit den Mitarbeitern ausgearbeitet und ausgefallene Trainings neu organisiert oder gebucht. Aber es geht insbesondere auch um die optimale Unterstützung der Produktion, des Einkaufs, des Vertriebs und anderer Unternehmensbereiche, die auch noch länger damit beschäftigt sein werden, um auf den Level vor Covid-19 zu kommen.

HR hat bei der aktuellen Herausforderung auch eine große Chance: Personalisten können sich als wichtige Partner des Managements und des Business positionieren. Sie können die Learnings für die weitere Organisationsentwicklung nutzen. Der menschliche Umgang mit den Ängsten der Mitarbeiter kann für das Employer Branding und die Retention-Programme verwendet werden.

Die Bandbreite an Herausforderungen, Themen und Einflussfaktoren, die viele HR-Manager dieser Tage neben dem Tagesgeschäft zu stemmen haben, ist enorm. Was hilft, ist ein professionell aufgesetztes Personalmanagement mit strukturierten Prozessen und dem »G’spür« für den Menschen. Auch dann ist noch genug zu tun. Führungskräften, die noch nicht von Home­office für ihre Mitarbeiter überzeugt sind, kann dieser Praxisfall zu einem Schlüsselerlebnis werden, der genutzt werden sollte.

 

Was man künftig (anders) machen sollte:

Regelmäßig:

  • Notfallpläne aktualisieren
  • Alarmierungskette, -stufen und Kommunikationswege testen und trainieren
  • Kommunikationspläne erstellen und Mustertexte vorbereiten
  • Mögliche Fälle durchspielen bzw. proben, Übungen mit allen Beteiligten organisieren

Laufend:

  • Kontaktdaten aktuell halten
  • Breitgefächerten Expertenpool als externe/interne Berater aufbauen
  • Schlüsselpositionen identifizieren
  • Verträge flexibel gestalten

Im Fall der Fälle:

  • Durchatmen und Stresslevel senken
  • Notfallpläne herausnehmen, Informationen zu den aktuellen Ereignissen beschaffen
  • Mit den Vertretern aller Bereiche des Unternehmens die nächsten Schritte besprechen
  • Zielgerichtete Maßnahmen ableiten und Schnellschüsse vermeiden
  • Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation

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Gastautor
Armand Kaáli-Nagy
ist ­Geschäftsführer des ÖPWZ.
www.opwz.com