Damit sich Seminare auch rechnen

Unternehmen leben von verkauften Produkten oder Dienstleistungen. Wenn Verkaufsseminare tatsächlich zu sichtbar höheren Umsätzen führen, sind jene Unternehmen im Vorteil, die ihr Verkaufsteam regelmäßig zu diesen Seminaren schicken.

»Umsatzsteigerungen gleich bei 500 %, ich habe einen hohen Zeitgewinn und dadurch mehr Qualität in meinem Leben. Endlich weiß ich, wie man verkauft«, schreibt das Testimonial M. Lal auf der Seite des Verkaufstrainers Marc Galal. Damit soll suggeriert werden, dass es schon längst nicht mehr darum geht, 5 % oder 10 % mehr zu verkaufen. Oh nein, niemals. Denn wer bei diesem Marc-Galal-Seminar teilnimmt, wird fünfmal so viel Umsatz machen. Auf anderen Anbieterwebseiten lesen wir von 100 % mehr Gewinn durch den Besuch des Seminars. Allein das Miterleben eines Webinars soll angeblich zu besseren Abschlüssen führen. Manche verwenden sogar das Wort »garantiert«. »Wenn Sie mein Seminar besuchen und meine Methode anwenden, haben Sie garantiert eine Steigerung ihrer Verkaufserlöse um mindestens 30 %.« Schon kühne Behauptungen, oder?
Wenn man so etwas liest, versteht man doch kein Unternehmen, das diese Seminare nicht umgehend bucht. Die meisten Unternehmen wünschen mehr Umsatz und in Folge mehr Gewinn. Warum buchen nun aber Unternehmen nicht täglich Verkaufsseminare?
Eines können wir gleich vorwegnehmen. Solche Garantien und andere Versprechen sind unseriös. Alleine wenn man so konkrete Zahlen und Versprechen liest, sollte man dies sofort in Frage stellen. Besonders, wenn die Testimonials ohne vollen Namen und ohne Firma angegeben werden, denn diese Behauptungen zu hinterfragen ist dann unmöglich. Und betreffend der »Garantien«: Sollte diese versprochenen Umsatzsteigerungen doch nicht erreicht worden sein, heißt es unisono, dass die Methode nicht zu 100 % richtig angewandt wurde. Dann könne der Trainer und sein Seminar ja natürlich auch nichts dafür. Daran sind nur die unaufmerksamen Teilnehmer schuld. Garantiert ein Trainer felsenfest seinen Erfolg, dann schlagen Sie ihm vor, das Seminar kostenlos zu konsumieren und einen Teil der Gewinnsteigerung z. B. im ersten Jahr dafür zu bezahlen. Mal sehen, ob er darauf eingeht.
Verkauf ist generell ein interessantes Thema. Es gibt einige Studienergebnisse, die dafür sprechen, dass Sympathie ein Hauptfaktor ist, ob Menschen von einem Verkäufer kaufen oder nicht. Da macht die Fragetechnik oder Abschlusstechnik nur wenig Unterschied. Sympathie in einem 2-Tages-Seminar zu lernen, ist jedoch schwierig. Dennoch können Schulungen sicher enorme Verbesserungen im Verkauf bringen. Es kommt nicht von ungefähr, dass Verkaufsseminare zu den am häufigsten nachgefragten Schulungen gehören. TRAiNiNG hat bei Anbietern von Verkaufsseminaren nachgefragt, wie sie den Erfolg ihrer Seminare messen.

Helga Steiner (Geschäftsführerin und Trainerin bei STEINER Consulting) weiß, dass Evaluierung auf allen Ebenen ein extrem wichtiger Punkt ist. Sie erklärt den optimalen Ablauf: »Sind die Auftraggeber vor Projektstart bereit, konkrete Ziele zu definieren und Zahlen, die den Ist-Stand belegen, transparent zu zeigen, steht einer zahlenmäßigen Betrachtung nichts im Wege. Im Idealfall gibt es folgenden Ablauf:

  • Klare Abstimmung mit dem Auftraggeber mit genauer Zielvereinbarung und Kennzahlen,
  • Training mit allen Teilnehmern, um den Wissensstand auf ein gleiches Niveau zu bringen,
  • Einzeltraining/Kleingruppentraining, um auf die Bedürfnisse/Talente der einzelnen Teilnehmer konkret und individuell einzugehen,
  • individuelle Umsetzungsbegleitung für alle Teilnehmer,
  • interne Begleitung/Coaching der TN durch die Führungskraft und
  • Evaluierung der gesetzten Maßnahmen.«

Christian Koller (Geschäftsführender Gesellschafter bei En GardE Verhandlungstraining GmbH) befragt regelmäßig nach den Seminaren seine Teilnehmer und Auftraggeber: »97,8 % der Teilnehmenden unserer Verhandlungstrainings sagen, dass sie nach dem Training besser verhandeln und somit mehr Umsatz generieren. Bei 44 % zeigt sich das innerhalb eines Jahres mit einem Umsatzplus von bis zu 10 000,– €, bei 40 % der Personen sind die Erfolge um bis zu 50.000,– € gestiegen und bei 16 % sogar mehr als um 50.000,– €. Dieser Nutzen wurde vor allem durch die Erzielung besserer Konditionen, weniger Preiszugeständnisse und mehr Verhandlungssicherheit lukriert. Die Verhandlungen sind zum Teil schneller gelaufen, die Ergebnisse waren besser als erwartet und die Kundenseite war ebenfalls zufrieden.«

Eine weitere Möglichkeit, den Erfolg von Seminaren zu beurteilen, ist, die Teilnehmer konkret zu testen und bei Rollenübungen zu beobachten. Marcus Wecht (Partner und Trainer bei VBC): »Für Unternehmen ist es schwer, Umsatzveränderungen im Trainingskontext messbar zu machen. Am Ende jedes einzelnen Projektes messen wir daher das kognitive Wissen quasi als Lernerfolgskontrolle im Rahmen eines Online Transfer Checks (OTC). Auch die Handlungskompetenz kann gemessen werden. Dazu braucht es Rollenübungen und geschulte Beobachter. Viele unserer Kunden berichten von eindeutig nachweisbaren Umsatzsteigerungen nach unseren Seminaren.«
Zum Thema Seminardesign lesen Sie in dieser Ausgabe ab Seite 16 einige spannende Aspekte. Wie müssen Seminare aufbereitet sein, dass Sie nachhaltig messbare Ergebnisse liefern? Wie sieht das bei Verkaufsseminaren aus?

Thomas Bundschuh (Senior Consultant bei MUT Consulting GmbH) kennt die Probleme mit der Evaluierung und hat ein paar konkrete Umsetzungstipps für gute Verkaufsseminare: »Ein empirisch haltbarer Nachweis ist in der Praxis tatsächlich schwer zu erbringen, weil man dafür zwei vergleichbare Gruppen an Vertriebsmitarbeitern nehmen müsste – eine wird geschult und die andere dient als Referenzgruppe und wird nicht geschult. Ansonsten kann man in der Praxis nie ausschließen, dass mögliche Umsatzeffekte eigentlich von dritter Seite kommen, die eben zufällig zeitgleich mit einer Schulung gewirkt hat. Das größte Problem vieler Schulungen ist die Wirksamkeit beim Teilnehmer. Die Mitarbeiter nehmen motiviert an der Schulung teil, finden interessante Anknüpfungspunkte, lernen neue Herangehensweisen und Verhalten – und gehen an ihren Arbeitsplatz zurück, um in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Um das zu vermeiden, halte ich eine Kombination aus zwei Ansätzen für wichtig: Im Rahmen der Schulung muss jeder Teilnehmer für sich entwickeln und festhalten, was er wie und mit sofortiger Wirkung ab dem nächsten Arbeitstag versucht umzusetzen. Das ist vom Trainer schon beim Schulungsdesign zu berücksichtigen. Diese Umsetzung braucht auch vom zuständigen Vorgesetzten eine weitere Begleitung. Nachfassend um sicherzustellen, dass der Mitarbeiter tatsächlich nicht vergisst, es anzuwenden, aber vor allem unterstützend, weil die Umsetzung in der Praxis nicht immer so einfach ist und Feedback und Unterstützung bei der Umsetzung hilfreich sein können.«

Den richtigen Anbieter auswählen

Jeder Verkäufer, jedes Unternehmen ist anders. Nicht jeder Trainer oder jedes Institut passt zu jedem Kunden. Verkaufstrainer gibt es zahlreiche im deutschsprachigen Raum. Und alleine schon die Nationalität macht einen großen Unterschied. In Deutschland z. B. wird anders verkauft als in Österreich. Wenn ein deutscher Verkaufstrainer daher ein österreichisches Unternehmen trainiert, MUSS er sich dieser Unterschiede (auch in der Mentalität) bewusst sein. Sonst kann sich das Training im schlimmsten Fall auch auf den Umsatz auswirken, aber in die falsche Richtung. Eine Frage, die jedem Verkaufstrainer gestellt werden sollte, der alle möglichen Versprechungen macht: »Wenn Sie so toll verkaufen können, warum sind Sie dann kein Verkäufer, sondern Trainer?« Die Reaktion in den ersten beiden Sekunden ist so aussagekräftig wie kaum eine Antwort. Testen Sie es!
Bei der Auswahl an Anbietern gibt es noch einiges mehr zu beachten.
Helga Steiner dazu: »Die Herangehensweise an die Trainerauswahl ist individuell und unterschiedlich. Erfahrungsgemäß spielen Branchen- und Produktkenntnisse eine Rolle, oft entscheidet jedoch die Sympathie. Geht es um Zusammenarbeit, um im Unternehmen etwas zu bewirken, ist Empathie mitunter ein wichtiger Entscheidungsfaktor.«

Christian Koller zählt im Interview auf, welche Faktoren Seminar-Einkäufer, neben der Sympathie, berücksichtigen sollten: »Referenzen, Erfahrungen in ähnlichen Branchen, Praxis als Trainer, zeitgemäße Inhalte, klare Konzepte, Praxisanteil im Seminar, Anpassung an die Erfahrung der Teilnehmer, konkrete Antworten auf Fragen, Feedbackschleifen zu den Auftraggebern, Glaubwürdigkeit.«

Für Thomas Bundschuh ist das Erstgespräch vor einem Angebot der beste Indikator: »Bei dieser Gelegenheit muss das Unternehmen verstehen, ob der Trainer in der Lage ist, die Situation, für die er geholt wird, zu erfassen und ob seine Persönlichkeit, seine Erfahrung und Herangehensweise zur Unternehmenskultur und zur Aufgabenstellung passen. Ich halte ein solches Erstgespräch auch für den Trainer wichtig, um für sich zu beurteilen, ob er zum Unternehmen passt. Nur dann kann er mit einer entsprechenden Wirksamkeit seiner Tätigkeit rechnen, die für eine beidseitige Zufriedenheit nach dem Training wichtig ist.«

Alternativen zum Seminar

Nicht immer ist ein Seminar das erste Mittel der Wahl, neue Fähigkeiten zu erlernen. Es ist allerdings die einfachste Art zu zeigen, dass die PE-Abteilung aktiv ist. Sie kauft ein Seminar ein, Mitarbeiter werden hingeschickt und man berichtet über diese Maßnahme. Wenn sich etwas zum Positiven verändert, steht die PE als Gewinner da. Wenn sich nichts ändert, kann sie einfach die Verantwortung auf die Mitarbeiter abwälzen, die trotz guter Schulung nichts umsetzten. Was könne denn die PE dafür?
Verantwortlich handelnde Personalentwickler werden solche Gedanken hoffentlich nicht haben. Sie wägen ab, was ein Seminar leisten kann, in welche Gesamtstrategie es eingebettet werden soll und welche Alternativen es gibt, wie z. B. Coaching, Selbststudium etc. Oder sollte generell ein neues Anreizsystem geschaffen werden, um die Verkäufe zu steigern? Ein Zitat, das Mark Twain zugeschrieben wird, lautet: »Wenn dein einziges Werkzeug ein Hammer ist, wirst du jedes Problem als Nagel betrachten.« Man sollte immer sehr achtsam sein, wenn ein Verkaufstrainer ein Seminar als einzig wirksame Maßnahme empfiehlt. Vielleicht kann er einfach nichts anderes.

Christian Koller nimmt seine Verantwortung als Trainer ernst: »Es ist die Aufgabe des Trainers zu hinterfragen, weswegen das Unternehmen das Verkaufstraining buchen will. Sofern es nicht mehr ganz junge und noch eher unerfahrene Verkäufer sind, die sicherlich Basisinhalte angepasst an die Neuzeit benötigen, sind wir oft damit konfrontiert, dass es sich bereits doch um erfahrene, gut geschulte Verkäufer handelt. Was ist daher das Motiv, eine Neuauflage eines Verkaufstrainings zu machen? Daher meine klare Empfehlung, Klarheit zu schaffen, welche Unterstützung die Verkäufer tatsächlich benötigen und inwieweit es sinnvoll ist, für gewisse Zielgruppen noch ein Verkaufstraining zu machen. Vielleicht wäre hier ein Verhandlungstraining besser, weil zumeist auf der anderen Seite Verhandlungsexperten im Einkauf sitzen.«
Thomas Bundschuh: »Wenn der Umsatz die einzige Zielgröße des Trainings ist, ist das definitiv im Erstgespräch zu hinterfragen. Meist gibt es aber auch zusätzliche Ziele, die tatsächlich nur durch eine Schulung erreichbar sind. Weitere Themen kommen wahrscheinlich während einer Schulung zur Sprache, sofern der Trainer in der Lage ist, eine brauchbare Kommunikationsbasis mit den Teilnehmern aufzubauen. Hier sehe ich den Trainer in der Pflicht, solche Themen im Rahmen eines Debriefings anzusprechen bzw. bei einem Schulungsprogramm möglichst bald (= nach dem ersten Auftreten) mit den Verantwortlichen zu hinterfragen, um unterstützende Maßnahmen sicherzustellen bzw. eine weitere Investition ins Leere zu vermeiden.«

Marcus Wecht: »Wie ein Unternehmen tickt, wie die allgemeine Stimmungslage ist, wie mit Konflikten umgegangen wird und welche Spannungsfelder zwischen einzelnen Abteilungen bestehen, ist für den Erfolg des Trainings wichtig. Wir erheben dies bereits im Zuge der Auftragsklärung unter Einbeziehung von Führungskräften aus unterschiedlichen Abteilungen. Dementsprechend wird mit dem Auftraggeber dann auch der Teilnehmerkreis definiert und das Training an die jeweilige Situation und Notwendigkeit adaptiert.«

6 Schritte, die Klarheit bringen

Um nun wirklich konkret herauszufinden, welche Maßnahme zur Steigerung der Verkäufe Sinn ergibt, empfiehlt Helga Steiner 6 Schritte:
»Primär ist bei gewünschten Umsatzsteigerungen die gesamte Vertriebs- bzw. Unternehmensstrategie zu betrachten. Eine Verkaufsschulung alleine als Faktor zu sehen, ist nicht zielführend und lehne ich ab. Das Ergebnis ist nur so gut wie das Briefing. In der Auftragsklärung sind folgende Schritte mit den dazugehörigen Fragen abzuarbeiten:
1. Den Kontext klären: Mögliche Fragen, die sich hier anbieten, lauten: Wie ist es dazu gekommen, dass wir jetzt über ein mögliches Seminar sprechen? Welche Vorgeschichte gibt es? Was muss ich über den Kontext der Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen wissen, um ein erfolgreiches Seminar durchführen zu können? Welche Ziele aus Ihrem Verantwortungsbereich sind für das Seminar relevant?
2. Das Ziel klären: Stellen Sie sich vor, dass das Seminar genau nach Ihren Vorstellungen abläuft. Was würde sich dann in Ihrem Verantwortungsbereich verändern? Welche Probleme möchten Sie durch das Training lösen? Was kann Ihrer Ansicht nach realistisch gesehen erreicht werden? Welche langfristigen Ziele gibt es, die über das Seminar hinausgehen?
3. Fragen zum Transfer: Welche Rolle schreiben Sie mir als Trainer zu? Was unternehmen Sie, um den Transfer vor und nach dem Seminar sicherzustellen? Mit welchen Problemen, Widerständen oder Hindernissen ist bei der Umsetzung der Maßnahme zu rechnen?
4. Ergänzende Sichtweisen einbringen: Was spricht (eventuell) dafür, keine Maßnahme durchzuführen und alles beim Alten zu belassen? Welche Risiken gehen Sie bzw. Ihre Mitarbeiter bei einem Erfolg des Seminars ein? Wie kann diesen Risiken begegnet werden?
5. Vereinbarungen treffen: Was sollten wir auf Grund des stattgefundenen Gesprächs jetzt konkret (schriftlich) vereinbaren? Wann führen wir ein Abschlussgespräch durch, um die getroffenen Vereinbarungen zu überprüfen?
6. Seminardesigns durchsprechen.«

Fazit
Gute Verkaufsseminare können die Unternehmensergebnisse verbessern. Eine Garantie dafür gibt es nicht, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Besprechen Sie mit dem Trainer ganz klar die Erwartungen, die Vorerfahrungen und Maßnahmen zum Transfer und zur Ergebnismessung. Besprechen Sie auch Alternativen zum Seminar. Das fünfte Verkaufsseminar bei der gleichen Mannschaft wird vermutlich keinen allzugroßen Lerneffekt mehr haben.

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