Den Mix der Generationen nutzen

Derzeit arbeiten so viele verschiedene Generationen im Unternehmen wie nie zuvor. Was bedeutet das für das Recruiting? Was für das HR-Management? Und wie sollten sich Führungskräfte richtig verhalten? TRAiNiNG hat dazu Experten befragt.

Egal, ob wir uns Großkonzerne ansehen oder KMUs. Überall finden wir einen Mix an Generationen. Selbst in vielen (jungen) Start-ups sind bereits »ältere« Mitarbeiter tätig, um das junge Wissen mit ihrer Erfahrung zu ergänzen. Derzeit sind fünf Generationen aktiv am Arbeitsmarkt tätig und bringen eine noch nie dagewesene Vielfalt an Werten, Einstellungen und Arbeitsweisen ins Unternehmen. Damit umzugehen, stellt sowohl Führungskräfte als auch das HR-Management vor einige Herausforderungen. Wir sprechen in diesem Artikel von den folgenden fünf Generationen: Generation X, Y, Z, Babyboomer und Traditionalisten. Da es dazu zahlreiche Publikationen gibt, gehen wir in diesem Artikel nicht auf die besonderen Spezifika der jeweiligen Generation ein, sondern beschäftigen uns mit ganz konkreten Themen und Lösungen aus dem Generationenmanagement.
Doch was bedeutet das überhaupt? Der Begriff »Generationenmanagement« wurde vom Managementexperten Ralf Overbeck bereits Anfang der 80er-Jahre geprägt. Er bezeichnet damit eine besondere Form der nachhaltigen Unternehmensführung. Nach seiner Definition bedeutet Generationenmanagement: »Eine sinnstiftende und adressatengerechte Menschenführung und somit Unternehmensführung auf Basis gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Wertschätzung aller in einem Unternehmen vertretenen Generationen und deren Lebensleistungen mit dem Ziel einer generationsübergreifenden Vertrauenskultur und nachhaltigen Geschäftsentwicklung.«
Wichtig ist es, in diesem Zusammenhang Menschen nicht nur in Generationen einzuteilen und abzustempeln. Vielmehr geht es darum, Menschen in ihrer Gesamtheit zu erfassen.

Bedeutung für HR-Management

Im Unternehmen ist das Thema vor allem für HR und für Führungskräfte relevant. TRAiNiNG wollte daher von Experten wissen, warum das bewusste Managen von Generationen für das Unternehmen so wichtig ist und welche Rolle HR dabei spielt. Welche Chancen und Gefahren gibt es?
Thomas Olbrich (Chief Culture Officer bei ­karriere.at): »In einem Betrieb können bis zu fünf Generationen beschäftigt sein. Daher braucht es grundsätzlich einen klaren Fokus auf integrative Zusammenarbeit. Und es braucht die Bereitschaft, verschiedene Altersschichten nicht nur zu akzeptieren, sondern auch individuell zu fördern. Dazu gehört, genauso für einen attraktiven Arbeitsplatz zu sorgen wie ein Bündel an Job- und Arbeitszeitmodellen anzubieten. Unterschiedliche Generationen haben unterschiedliche Bedürfnisse, beispielsweise bei Fortbildung, Gehaltsmanagement und Benefits. Das alles abzudecken, kann fordernd sein und gleichzeitig eine große Chance. Firmen profitieren enorm von Diversität, die Mitarbeiter wiederum lernen jeden Tag aufs Neue andere Zugänge kennen. Jahrzehntelange Erfahrung einerseits und andererseits Mut, etwas anderes auszuprobieren, ergänzen sich dabei ideal.«

Rudi Bauer (Chief Evangelist bei StepStone Österreich): »Generationsübergreifende Teams bringen Unternehmen zwei essenzielle Vorteile: höhere Produktivität und Arbeitgeberattraktivität. Die intergenerative Zusammenarbeit braucht daher eine Unternehmenskultur, die auf Wertschätzung und sozialem Miteinander basiert. Für das HR-Management bedeutet das, in der HR-Strategie auf ein umfassendes ›Generationsmanagement‹ zu bauen. Dabei spiegeln einerseits vor allem individualisierte Modelle die Bedürfnisse der einzelnen Generationen wider. Andererseits stellen generationsübergreifende Mentoring-Programme den wechselseitigen Erfahrungs- und Wissensaustausch sicher. Das Fehlen solcher generationsspezifischer Angebote oder Einmaleffekte ist das größte Hindernis für ein erfolgreiches Generationenmanagement und damit eine Gefahr für ein erfolgreiches HR-Management.«

Monika Herbstrith-Lappe (Geschäftsführerin Impuls & Wirkung) über Kategorisierungen im Umgang mit Mitarbeitern: »Statt dem dichotomischen Denken in richtig oder falsch und besser oder schlechter braucht es ein ›wertschätzendes Anders‹ unterschiedlicher Talente. Wir brauchen aber nicht nur anti-dichotomisches, sondern auch anti-kategorales Denken: Die ›Generation Y‹ gibt es eben so wenig wie ›die Teilzeitkräfte‹ oder ›die Frauen‹. Genauer betrachtet sind diese Gruppen in sich wiederum völlig heterogen. Es gilt, den einzigartigen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Menschen wirklich anzusehen, steigert ihr Ansehen: Einerseits steigt Ihr Gegenüber durch Ihre Beachtung in seiner Achtung und andererseits auch Sie, weil Sie Beachtung schenken. Die Bezeichnung ›HR-Management‹ greift daher auch viel zu kurz: Ich bevorzuge die Bezeichnung ›People and Culture‹. Es geht darum, für die berufliche Lebenszeit und damit die Leistungsstärke und Einsatzbereitschaft ein förderliches Umfeld zu schaffen.«

Bedeutung für das Recruiting

Um einen guten Mix an Generationen und an unterschiedlichen Stärken im Unternehmen auf die Beine zu stellen, ist auch das Recruiting gefordert. Jede Generation will anders angesprochen werden. Daher ist es in einem ersten Schritt wichtig, zu definieren, wer genau gesucht wird. Neben Kompetenzen spielt eben auch manchmal das Alter eine Rolle.

Rudi Bauer: »Wer heute erfolgreich rekrutieren will, kann unter Bewerbern aus fünf Generationen wählen. Der geeignete Kandidat lässt sich daher oft nur durch spezifische Recruiting-Marketing-Strategien finden, weil damit eine punktgenaue Zielgruppenansprache möglich wird. Im Rahmen dieser Zielgruppenansprache gehen Personaler auf die Besonderheiten des Wunschkandidaten bzw. der Kandidatengruppen ein. Die Chance für Personaler liegt hierbei eindeutig darin, dass die jeweilige Generationenzugehörigkeit bereits die Ansprüche der Arbeitnehmer definiert, wie Work-Life-Balance u. ä. Darauf können sie in Folge sowohl im Inserat als auch in den Bewerbungsgesprächen eingehen. Die Gefahr, gute Kandidaten nicht zu erreichen, ist allerdings groß. Wer nämlich Generationenmerkmale hinsichtlich der Kommunikationskanäle (Social Media, Online-Portale etc.) und -methoden (kreative Employer-Branding-Kampagnen) außer Acht lässt, der verzichtet freiwillig auf Bewerber und die Möglichkeit, sich von anderen Arbeitgebern abzuheben.«

Thomas Olbrich: »Für das Recruiting bedeutet Diversität, dass Firmen in einem größeren Teich fischen können. Dadurch ergeben sich ganz andere Chancen. Gefahren sehe ich grundsätzlich keine. Eine Herausforderung ist aber mit Sicherheit die starke Digitalisierung des Recruitings. Sie kann unter Umständen für ältere Generationen ein Hindernis und auch abschreckend sein. Hier gilt es, gegebenenfalls gegenzusteuern.«

Monika Herbstrith-Lappe über das Rekrutieren und welche Fragen diesem Prozess vorausgehen müssen: »Neulich wurde ich in einem Interview Folgendes gefragt: ›Wie formuliere ich eine Anzeige, damit wir für die Millennials attraktiv sind?‹ Das ist allerdings erst die dritte Frage im gesamten Prozess. Die erste Frage ist: ›Wer sind wir und wofür stehen wir?‹ Wir müssen uns greifbar machen, damit die anderen uns begreifen können. Die zweite Frage ist: ›Welche Menschen wollen wir ansprechen und wer passt zu uns?‹ Es bringt nichts, wenn ein Unternehmen, das eine traditionelle Unternehmenskultur hat, sich verbiegt, um junge Menschen anzusprechen. Zur 3. Frage: Attraktivität und Image beruhen zu einem hohen Maß auf Authentizität. ›Was charakterisiert Ihr Unternehmen?‹ ›Was unterscheidet Sie von anderen Unternehmen?‹ ›Und was können Sie daher unterschiedlichen Menschen bieten?‹«

Bedeutung für Führungskräfte

Das Führen von verschiedenen Generationen beschäftigt die Wirtschaftswissenschafter schon länger. Mittlerweile ist es ganz klar, dass ältere Personen tendenziell anders geführt werden wollen als jüngere. Und auch, dass der Altersunterschied zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in beide Richtungen berücksichtigt werden muss. Eine ältere Führungskraft sollte einen älteren Mitarbeiter anders führen als einen jüngeren. Dennoch gilt auch hier wieder, das Individuum nie aus den Augen zu verlieren.

Rudi Bauer über die wichtigen Aspekte der Führung: »Die Führungskraft eines Generationenteams muss 2 Aspekte berücksichtigen: einerseits die individuellen Job-Anforderungen des Unternehmens und andererseits die Wünsche der Arbeitnehmer unterschiedlicher Generationen hinsichtlich Work-Life-Balance. Die Chancen der Führungskraft von intergenerativen Teams liegen zweifelsfrei im unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungsstand der Generationen. Die Gefahr liegt in den Konfliktpotenzialen der intergenerativen Teams. Es gilt, diese rasch zu identifizieren und mit Maßnahmen gegenzusteuern. Je offener die Feedback-Kultur der Führungskraft ist, desto seltener werden sich Konflikte zu Krisen hochstilisieren. Wenn die Führungskraft jedoch die Innovationskraft des intergenerativen Teams nützt, dann sind generationsspezifische Probleme eher die Seltenheit. Individualität ist der Schlüssel einer erfolgreichen Führung von Generationen.«

Thomas Olbrich über das Konfliktpotenzial in der Führung: »Wo diskutiert wird, gibt es natürlich Reibungspunkte. Es kann und darf auch mal gestritten werden. Man sollte nicht versuchen, etwaige Konflikte sofort im Keim zu ersticken. Es hilft viel mehr, den Ursachen auf den Grund zu gehen, die Menschen mit ihren unterschiedlichen Standpunkten abzuholen, und auch einmal als Mediator aufzutreten und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Was für Führungskräfte nützlich sein kann, sind spezielle Awareness-Trainings. Vorgesetzte müssen sich sowohl der Vor- als auch der Nachteile bewusst sein, die ein bunt zusammengesetztes Team mit sich bringen kann.«

Brigitte Schaden (Präsidentin Projekt Management Austria – pma) über den Generationenmix in Projektteams und die Auswirkungen auf Führung: »Es sind vor allem Projektmanagement-Kompetenzen und -Erfahrung, nicht das Alter per se oder die Zugehörigkeit zu einer Kategorie wie ›Generation‹ oder ›Geschlecht‹, die im Projektmanagement zählen. Dieser Ansatz wäre auch für Unternehmen empfehlenswert. Wenn wir beispielsweise analysieren, wie ein Team idealerweise zu führen ist, so steht nicht das Alter der Führungskraft oder der Teammitglieder im Vordergrund. Gelungenes Führen und erfolgreiches Teamwork basieren auf offener, wertschätzender Kommunikation, unabhängig davon, ob unterschiedliche Generationen zusammenarbeiten. Entscheidend ist, ob Werte wie Vertrauen, Selbstreflexion, Wertschätzung und die Fähigkeit, auf Augenhöhe zu kommunizieren, in Projekten oder in Unternehmen gelebt werden und dass Führungskräfte hier mit gutem Beispiel vorangehen.«

Generationenmanagement im Unternehmen

Wenn es Unternehmen schaffen, ein funktionierendes Generationenmanagement umzusetzen, dann fühlt sich jeder Einzelne eingebunden, wertgeschätzt und als Teil des Ganzen. Das schweißt zusammen und fördert die Produktivität und die Arbeitszufriedenheit. Dabei gilt es zu beachten, dass die Attribute, die den Generationen zugeschrieben werden, natürlich nicht für jeden gelten. Das Individuum steht im Vordergrund und seine Bedürfnisse gilt es zu beachten. Insofern wäre auch der Begriff »Individuums-Management« passender.
Thomas Olbrich: »Grundsätzlich gilt es, mit Vorurteilen aufzuräumen und sich immer wieder vor Augen zu führen: Jeder Mitarbeiter hat, unabhängig von seinem Alter, bestimmte Stärken. Ein sinnvolles und nachhaltiges Management berücksichtigt die jeweiligen Begabungen, spart nicht mit Wertschätzung und Anerkennung und sorgt für Chancengleichheit bei Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Gerade in diesem Bereich gibt es großes Synergiepotenzial: Junge können von älteren Beschäftigten lernen und umgekehrt. Bei Zukunftsprojekten, wie beispielsweise Change-Prozessen oder Einschulungen auf neue Arbeitsmethoden und neuartige Techniken, ist ein Altersmix auf jeden Fall von Vorteil.«

Brigitte Schaden: »Zukunftsforscher haben bereits darauf hingewiesen, dass wir mit der sogenannten Generation Z nicht zufällig das Ende des Alphabets erreicht haben. Sondern, dass wir mitten in einer Entwicklung angelangt sind, wonach sich Menschen nicht mehr aufgrund ihres Alters einer Gruppe zuordnen lassen. Grenzen verschwimmen damit auch im Arbeitsleben. Sinnvoll es ist natürlich – im Projektmanagement, aber auch für Unternehmen – sich dem Nachwuchsmanagement zu widmen. Hier liegt es in der Natur der Sache, dass junge Kollegen von der Seniorität erfahrener Experten sehr profitieren können. Auch dies hat jedoch weniger mit Alterskategorien denn mit Erfahrung zu tun, z. B. durch Coaching oder Mentoring.«

Rudi Bauer: »Ohne strategische Verankerung im Personalmanagement ist ein sinnvolles Generationenmanagement nicht möglich. Damit ist gleichzeitig das bewusste Commitment für die praktische Umsetzung des Generationenmanagements gegeben. Das bedeutet in weiterer Folge die Einführung von vier strategisch-operativen Bereichen: 1. Führungs- und Organisationskultur basierend auf Wertschätzung und Akzeptanz; 2. Transparente Feedback-Kultur, die sowohl das Informations- als auch das Feedbackverhalten der Generationen berücksichtigt; 3. weitgehend individualisierte Entwicklungs- und Schulungsprogramme für die unterschiedlichen Generationen und 4. intergenerative Arbeitsgruppen und Teams, um das volle Innovationspotenzial unterschiedlicher Generationen ausschöpfen zu können.«

Monika Herbstrith-Lappe: »Sinnvoll ist es, die ›Benediktinerregel‹ zu beherzigen. Der Abt befragt bei Entscheidungen junge, unvoreingenommene Mönche und lässt die Erfahrungen der älteren Mönche einfließen. Wenn man Teams möglichst heterogen aufstellt, bedeutet das meist längere Diskussionen und Abstimmungsprozesse. Doch man wird mit mehr Kreativität und Innovationskraft belohnt, weil in der Auseinandersetzung unterschiedlicher Sichtweisen neue Perspektiven erschlossen werden. Albert Einstein meint: ›Wenn zwei immer einer Meinung sind, ist einer überflüssig.‹«

Fazit
Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter mit all ihren individuellen Stärken und Schwächen sehen und wertschätzen. Eine Führungskraft soll ihre Mitarbeiter und deren Bedürfnisse kennen, um entsprechend führen zu können. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Jung und Alt. Diese heißt es professionell zu nutzen, um die Nase vorn zu haben.

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