Der größte Fehler meiner HR-Karriere

Menschen machen Fehler. Klug ist der, der aus eigenen Fehlern lernt und auch aus denen der anderen. Daher befragten wir HR-Manager und Geschäftsführer, welche großen Fehler sie in ihrer Karriere als Personalist gemacht und was sie daraus gelernt haben.

Jeden Tag Passiert es: Wir machen Fehler, heute größere, morgen kleinere. Das ist normal. Natürlich ist jeder Fehler unangenehm, privat wie beruflich, und viele Fehler können schlimme Folgen haben. Berufliche Fehler ziehen mitunter besonders schwere Folgen nach sich, denken wir hier gleich an Extremfälle, wie zum Beispiel an Piloten oder Ärzte.
Wir alle lernen in der Regel aus Fehlern. Sobald alles wie am Schnürchen läuft, haben wir gar keine Veranlassung, über Situationen nachzudenken und sie zu reflektieren. Wenn aber etwas schief läuft, wird, im besten Falle, der Fehler diskutiert und Maßnahmen werden festgelegt, damit so etwas nicht mehr passiert. Daher muss in jedem Unternehmen eine Fehlerkultur aufgebaut werden. Natürlich ist eine Schuldzuweisung kontraproduktiv. Der Betroffene wird lange gegenargumentieren, dass er den Fehler ja gar nicht gemacht habe. Oder er wird sich sonst auf irgendeine Art und Weise rechtfertigen und so Verbesserungsmöglichkeiten im Keim ersticken. Es muss einerseits immer wertschätzend mit dem Betroffenen umgegangen werden und andererseits sind die grundsätzlichen Ursachen des Fehlers aufzudecken. Nur so können sich die Arbeitsprozesse verbessern.
Die Zielsetzung von jedem Unternehmen ist es natürlich, fehlerfrei zu arbeiten, doch die Realität holt jeden schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Das bedeutet nun nicht, dass sich ein Unternehmer freuen soll, wenn Fehler passieren. Oder doch? Was meinen Sie?

Fredmund Malik (Gründer und Chef von Malik Management St. Gallen) schreibt in einem Artikel aus dem Manager Magazin Ausgabe 10/2003 Folgendes: »Immer wieder treffe ich Manager – auch hochrangige – die mir berichten, dass man in ihrer Firma Fehler machen dürfe. Sie tun es mit der sichtbaren Überzeugung, dass das ein Beweis besonderer Fortschrittlichkeit sei. Früher habe ich mit solchen Leuten ernsthaft diskutiert. Heute stelle ich ihnen ein paar Fragen: ›Würden Sie in ein Flugzeug steigen, wenn Sie wüssten dass diese Airline stolz darauf ist, dass die Piloten Fehler machen? Würden Sie Ihre Kinder in ein Krankenhaus bringen, in dessen Leitbild steht, dass man Fehler machen darf? Und würden Sie die Medikamente eines Pharmaunternehmens kaufen, das Fehlermachen hochhält?‹. Die Antwort darauf ist ausnahmslos: ›So habe ich das nicht gemeint.‹ Nun, wie denn dann?«

Gerade in der Luftfahrt gibt es zahlreiche gut durchdachte Systeme, um Fehler der Piloten zu vermeiden. Denn die meisten Unfälle gehen nach wie vor auf menschliches Versagen zurück (rund 80 %) und nicht auf technische Probleme. So steht zum Beispiel auf der »Checklist vor der Landung« bei einem Verkehrsflugzeug »Fahrwerk ausgefahren«. Das klingt für jedermann zwar lächerlich, der Pilot wird ja wohl nicht ohne Fahrwerk landen. Tatsächlich startet und landet ein Pilot bis zu 6 x pro Tag und das über Jahre hinweg, da kann es dann schon passieren, dass er einfach vergisst, das Fahrwerk auszufahren. Dank der Erinnerung auf der Checkliste wird dieser Fehler nicht passieren.

Auch im HR-Management passieren Fehler, viele im Recruiting, was unter Umständen teuer kommen kann. So titelte die Wirtschaftswoche am 22. März dieses Jahres: »Personaler vergraulen Fachkräfte«. Dort wird von einem Studienergebnis berichtet, wonach es 62 % der Recruiter schwerfalle, die richtigen Kandidaten zu finden. 37 % der ausgeschriebenen Stellen werden mit ungeeigneten Bewerbern besetzt. Laut einer Kienbaum-Studie aus dem Jahr 2005 können sich die direkten und indirekten Kosten einer Fehlbesetzung bis auf das Dreifache des Jahresgehaltes belaufen. Auch in allen anderen HR-Bereichen passieren Fehler. In der Personalentwicklung beispielsweise. Wenn man genau nachrechnet, ist jeder Euro, der in die Weiterbildung von Mitarbeitern gesteckt wurde, ein verschwendeter Euro, wenn danach alles so bleibt wie es vorher war. Häufig wird auch nicht einmal gemessen, ob sich etwas geändert hat, obwohl es dafür Instrumente und Tools gibt. Auch durch unprofessionelle, fehlerhafte Kündigungen entgeht dem Unternehmen viel. Schlechtes Nachreden von ehemaligen Mitarbeitern kann bares Geld kosten. Und es ist dann besonders dumm gelaufen, wenn durch eine unbedachte Kündigung eines beim Kunden sehr geschätzten Mitarbeiters der oder die Kunden auch gleich wegbleiben. Zahlreiche Bücher und Seminare zum Thema Outplacement vermitteln, wie man das vermeiden kann.

Wir befragten für diesen Artikel einige HR-Manager, welche ihre größten Fehler bzw. ihre größten Erkenntnisse in ihrer HR-Karriere waren:

Michael Pichler (ehemaliger HR-Leiter bei bauMax): »Es war zu Beginn meiner Tätigkeit als Führungskraft, als ich eine Mitarbeiterin kündigen musste. Die Auflösungsgespräche verliefen über mehrere Tage, waren sehr schwierig und ich fühlte mich durch diverse Aussagen von meiner Mitarbeiterin provoziert. Als es mir irgendwann zu viel wurde, reagierte ich sehr emotional und dies hatte zur Folge, dass es zu monatelangen, gerichtlichen Auseinandersetzungen kam. Diese belasteten mich damals enorm und kosteten sehr viel Zeit. Es kam schließlich doch zu einer Einigung. Ich lernte daraus, dass unkontrollierte Emotionen – auch wenn es noch so schwer fällt – im beruflichen Umfeld nichts verloren haben. Ich denke noch sehr oft an diese Zeit und ich versuche seit damals, intensiv daran zu arbeiten. Einfühlungsvermögen mit Sachlichkeit zu kombinieren ist wohl eine der größten Herausforderungen, denen wir uns als Personalisten stellen müssen.«
Bildschirmfoto 2016-04-20 um 09.23.04
Ursula Vogler (Geschäftsführerin von Mosaic Solutions und zuvor viele Jahre HR-Leiterin bei KMPG): »Ich möchte es nicht unbedingt ›Fehler‹ nennen, sondern eher meine zwei wesentlichen Erkenntnisse aus meiner jahrelangen HR-Tätigkeit:
1. Hire character, train skills
Bei der Personalauswahl habe ich beobachtet, dass Führungskräfte oft dem Mantra folgen, nur die allerbesten Kandidaten wären gut genug für ihre Anforderungen – zumal die objektive Qualität von Ausbildung, Vor- und Fachkenntnisse, Berufserfahrung etc. leicht festgestellt und zwischen den Kandidaten verglichen werden kann. Häufig jedoch habe ich eine auf dieser Basis getroffene Auswahl im realen Leben dann scheitern gesehen, weil letztlich die menschlichen, persönlichen Faktoren und die Passung mit dem Team zumindest gleich wichtig für die erfolgreiche Integration in das neue Unternehmen sind. Aus diesem Grund verfolge ich schon seit langer Zeit sehr erfolgreich den Grundsatz ›Hire character, train skills‹: Die Persönlichkeit eines Menschen als gegeben annehmen und mit starkem Fokus darauf die Personalauswahl treffen; eventuell vorhandene fachliche Unzulänglichkeiten (unter der Voraussetzung einer grundsätzlich ausreichenden Basis) klar adressieren und Abhilfe sicherstellen.

2. Klappern gehört zum Handwerk:
Leistung spricht nicht für sich selbst. Auch wenn wir in einer idealen Welt gern Führungskräfte und Kollegen mit offenen Augen und Ohren für die in ihrem Umfeld geleistete Arbeit und die erzielten Erfolge hätten: Die Realität sieht anders aus. Also müssen wir uns darauf einstellen und unsere Leistungen sichtbar und erkennbar machen. Auch wenn uns übertriebene Selbstdarsteller oft unendlich auf die Nerven gehen, ist doch eine Mission als PR-Agent in eigener Sache durchaus angebracht – zumindest bis die ideale Welt Realität wird, was absehbarer Weise noch eine Weile dauern wird. Dazu ein Tipp für die Damen unter uns: Wenn Sie sich selbst schon ein bisschen komisch vorkommen vor lauter Eigenpromotion, ist die Dosis gerade richtig. Meine Erfahrung zeigt, dass gerade viele Damen sich in völlig kontraproduktiver Zurückhaltung üben, statt ihr zumeist sehr solides Handwerk mit Klappern zu begleiten.«

Thomas Olbrich (HR-Leiter bei karriere.at): »Als meinen größten Fehler sehe ich es, an einer sachlich richtigen Vision festgehalten zu haben, ohne dabei die Betroffenen in ihrer Kompetenzentwicklung abzuholen. Seither verliere ich immer noch nicht Zielbilder aus dem Kopf, jedoch unterstütze ich Betroffene dabei, ihren individuell möglichen Weg dorthin zu finden.«

Damian Izdebski (Ex-DiTech-Chef und jetziger Geschäftsführer von Techbold sowie Autor des Buches »Meine besten Fehler«): »Die Begeisterung der Mitarbeiter ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für ein Unternehmen. Und je länger Mitarbeiter für das eigene Unternehmen tätig sind, desto mehr hat man als Gründer und Eigentümer das Gefühl, ihnen etwas zurückgeben zu müssen. Daran ist zunächst nichts falsch. Denn loyale Mitarbeiter sind gerade angesichts des Fachkräftemangels ein besonders wichtiger Wert des Unternehmens. Problematisch wird es meiner Erfahrung nach dann, wenn man verdiente Spezialisten zu Führungskräften macht – die aber weder von ihrer Persönlichkeit her Führungskräfte sind, noch dies jemals gelernt haben. Genau diesen Fehler haben wir bei DiTech leider gemacht. In der Anfangsphase des Unternehmens waren alle Mitarbeiter Spezialisten. Sie wurden eingestellt, um spezifische Probleme zu lösen, was sie auch mit großem Erfolg taten. Mit dem Wachstum des Unternehmens veränderten sich die Unternehmensstrukturen. Das Einziehen einer Managementebene in die Unternehmensstruktur war erforderlich. Die besten Kandidaten für Führungsverantwortung waren in dieser Situation aus unserer Sicht selbstverständlich jene bewährten Mitarbeiter, die mit ihrem Know-how das Wachstum des Betriebs unterstützt hatten. Zum Teil geniale Experten auf ihrem klar definierten Fachgebiet, die aber von Führung und Management leider keine Ahnung hatten. Sich verpflichtet zu fühlen, langjährige Mitarbeiter zu Führungskräften zu machen, ist rein menschlich vielleicht verständlich. Personal- und betriebswirtschaftlich ist es jedoch ein nicht zu rechtfertigender Fehler. So wie es falsch verstandene Loyalität von Mitarbeitern gegenüber ihren Unternehmen gibt, gibt es – selten, aber doch – falsch verstandene Loyalität von Unternehmern gegenüber langjährigen Fachkräften. Es müssen bei der Auswahl von Führungskräften stets klare Maßstäbe angelegt werden.
Ich habe mehrmals den Fehler gemacht und Mitarbeiter angestellt, die fachlich zu wenig versiert waren, es aber geschafft haben, mit ihrer Überzeugungskraft und ihren kommunikativen Fähigkeiten zu punkten. Ich habe sie angestellt, weil sie sich gut verkaufen konnten. Zwar habe ich solche personellen Fehlentscheidungen bereits nach wenigen Monaten erkannt und bereut – und mich von diesen Selbstdarstellern wieder getrennt. Doch diesen Fehler habe ich leider nicht nur einmal gemacht.
Ein damit einhergehender Fehler ist es, sich offenkundig falsche Personalentscheidungen schön zu reden. Man ist der Überzeugung, dass die betroffene Fachkraft unersetzlich ist. Dass das Unternehmen ohne diese Person nicht funktioniert. Man ist überzeugt, dass die betroffene Person eigentlich doch die richtige für den Führungsjob ist und die positive Entwicklung der Kennzahlen dies auch belegt.
Nicht außer Acht lassen darf man auch die finanzielle Komponente: Für einen Unternehmer ist es eine unglaubliche Überwindung, einen Mitarbeiter anzustellen, der mehr verdient als man selbst. Wenn man sich dann dazu durchgerungen hat, unternimmt man im Nachhinein alles dafür, diese Entscheidung zu rationalisieren. Auch dann, wenn die Fakten eine falsche Entscheidung nahelegen.«

Herwig Kummer (Leiter Personalentwicklung, ÖAMTC): »Vor Jahren galt es, einen Management-Lehrgang für aktive Führungskräfte umzusetzen. Aufgrund der vorhandenen Praxiserfahrung der Teilnehmer hatte ich in der Konzeption die klassischen Inhalte zurückgestellt. Den Fokus legte ich also auf die persönliche Entwicklung. Deshalb hielt ich es für eine grandiose Idee, den einjährigen Lehrgang mit einem Gruppen-Dynamik-Setting zu starten – ohne besondere Vorinformation, ohne Inhalte der Trainer, nur das ›Ich im Hier und Jetzt in dieser Gruppe‹. Es kam wie es kommen musste: Die Gruppe – alles Kollegen, aber noch nie im Trainings-Konzept zusammen – ging in den Widerstand. Und verharrte dort. Ein Teil der Teilnehmer kam auch über den gesamten weiteren Lehrgang kaum aus diesem Widerstand, was ich bei der Betreuung der Gruppe unmittelbar zu spüren bekam. Letztlich gab es dann doch die persönliche Entwicklung, weniger bei den Teilnehmern – dafür umso mehr bei mir. Einige Jahre später legten wir die Führungskräfte-Entwicklung gleich komplett anders an und führten ein selbst gesteuertes Entwicklungsprogramm durch, die Expedition Führung.«

Natürlich müssen wir auch mutig sein und Neues ausprobieren. Es ist einfach, Fehler zu vermeiden, wenn ich jeden Tag das Gleiche tue. Das kann ich irgendwann so gut, da passiert meistens nichts Unvorhergesehenes. Doch Unternehmen müssen innovativ sein und neue Chancen ergreifen, Strategien ausprobieren, einfach neue, unbekannte Wege beschreiten,  neue Produkte launchen, kreative Kampagnen starten etc. Hier wird dann nicht immer alles nach Plan ablaufen, Fehler sind unvermeidlich. Mit diesen falsch umzugehen und nichts daraus zu lernen – diesen Fehler sollte man allerdings nicht begehen.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*