Der Kampf der Generationen

Konflikte kosten Unternehmen jährlich Unsummen an Geld. Eine mögliche Konfliktquelle sind auch die Ansichten der verschiedenen Generationen. Mitunter arbeiten heute bis zu vier Generationen in einem Unternehmen. Worauf Führungskräfte bei diesem Thema achten sollten, lesen Sie hier.

»Alles Alte, soweit es den Anspruch darauf verdient hat, sollen wir lieben; aber für das Neue sollen wir leben.« So formulierte der deutsche Schriftsteller Theodor Fontane seine Gedanken zum Thema der Generationen.
Das Zusammentreffen der Generationen stellt HR-Verantwortliche vor immer größere Herausforderungen. Etliche versuchen, das Thema einfach zu ignorieren. Dass junge Leute (jetzt einmal unabhängig davon, ob sie der Generation X, Y oder Z angehören) anders denken und arbeiten als Mitarbeiter, die kurz vor der Pension stehen, ist kein Geheimnis und natürlich nachvollziehbar.
Jüngere Generationen sind tendenziell nicht bereit, schlechte Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Sie hinterfragen und sprechen ihre Bedürfnisse und vor allem ihre Vorstellungen an. So etwas kann unter Umständen als arrogant aufgefasst werden, im Sinne von »der hat ja keine Ahnung, was Arbeit überhaupt bedeutet und redet g’scheit daher«.
Die individuelle Konfliktkultur hängt aber in erster Linie nicht von der Generation ab, sondern von Reflexionsfähigkeit, Offenheit und Erfahrung mit Konflikten im Beruf. Ein 55-jähriger Angestellter hatte aber vermutlich schon öfter berufliche Konflikte als ein 20-jähriger, der Konflikte vielleicht nur aus dem privaten Umfeld kennt.
Für Personalabteilungen und Führungskräfte ist es hier wichtig zu klären, ob im Unternehmen das Thema »Generationskonflikte« überhaupt vorhanden ist. Vielleicht läuft ohnehin alles rund.

Konflikterkennung ist hier angesagt. Dazu gibt Erhard Semlitsch (Senior Consultant PMCC Consulting) Tipps, woran Konflikte überhaupt erkannt werden können: »Generationenkonflikte äußern sich im Unternehmen am Sichtbarwerden von Verhaltensweisen, welche stark an das Modell der Hackordnung im Tierreich erinnern. Es werden der eigene Rang, der eigene Status unmissverständlich dar- und klargestellt und das eigene individuelle (vermeintliche) Territorium, der eigene Claim, markiert und abgesteckt. Hauptwerkzeug dafür ist die entsprechende Form der Kommunikation, welche durch die Verwendung rhetorischer Waffen wie Ironie, Polemik, Sarkasmus, Zynismus oder auch von ›Killerargumenten‹ geprägt ist.«
Konflikte im Berufsalltag können unzählige Ursachen haben. Sei es Neid, wie z. B. die Größe des Büros im Vergleich zu dem der Kollegen. Oder sei es Angst, z. B. um den eigenen Arbeitsplatz. Oder es ist der Faktor Zeit, da man immer mehr Aufgaben zugeordnet bekommt. Oder, oder, oder. Es ist daher wichtig, die wahren Gründe zu erkennen, die hinter den Konflikten liegen.

Brigitte Schaden (Präsidentin Projekt Management Austria – pma): »Wenn unterschiedliche Wertvorstellungen und Zielsetzungen aufeinandertreffen, gibt es Reibungspunkte. Das muss nicht zwangsläufig ein Konflikt sein. Aber wenn Interessensgegensätze nachhaltig unüberbrückbar werden, wenn unterschiedliche Blickwinkel keinen Diskurs mehr ermöglichen und die Fronten unüberbrückbar verhärtet sind, stellt sich die Frage nach dem Warum. Ist es der Wertekanon einer Altersgruppe oder liegen die Ursachen etwa in kulturellen, sozio-ökonomischen Wurzeln?«
Die demografische Entwicklung stellt Unternehmen – schon heute und in Zukunft noch mehr – vor die Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen Menschen zu organisieren, deren Altersspanne bei 40 Jahren liegt und die viele Vorurteile haben.

Sabine Prohaska (Geschäftsführerin seminar consult, Trainerin und Coach): »Wenn dieser Fall im Unternehmen bzw. der Abteilung eintritt, dann muss man sich dem Generationenthema auf jeden Fall widmen. Und das am besten präventiv und nicht erst, wenn der Konflikt schon in vollem Gange ist. Ein weiterer Anhaltspunkt für mögliche Generationenkonflikte liegt in der Führungsebene. Die alte Ordnung – der Chef ist älter als die Mitarbeiter – ist Geschichte. Aus dieser Konstellation, nämlich Chef um vieles jünger als Mitarbeiter, ergeben sich sehr oft Konflikte.«

In einer Studie vom Oktober 2015 von ADP Employer Services GmbH »The Workforce View in Europe« kam heraus, dass 67 % aller europäischen Arbeitnehmer Konflikte aufgrund von Generationenunterschiede bei der Arbeit erleben. Für diese Umfrage hat ADP mehr als 11 000 Berufstätige in acht verschiedenen Regionen Europas befragt. Besonders mit Blick auf Wertesysteme, Arbeitsstile und Qualifikationen treten die Unterschiede zwischen den Generationen deutlich hervor. Gefördert durch den demografischen Wandel und die Überalterung der Gesellschaft in ganz Europa sind diese Probleme besonders in Italien (77 %), Spanien und Polen (jeweils 73 %) akut.

Themen für Generationskonflikte

Was häufig im beruflichen Alltag vorkommt, so sagen Experten, sind Konflikte, die wegen unterschiedlicher Altersgruppen erklärt werden, auch wenn die eigentliche Ursache ganz woanders liegt. Auch Zuordnungen zu anderen Merkmalen werden gerne als Vorwand herangezogen. In einem Konflikt neigen Menschen dazu, die »Konfliktgegner« in Gruppen einzuteilen wie z. B. nach dem Alter, nach Geschlecht, nach Ethnie etc. »Dass Du nicht so denken kannst, ist eh klar, du bist schließlich ein Mann!« oder »Dass ihr Deutschen keinen Spaß versteht, ist ja bekannt, du bist das beste Beispiel dafür«. Dadurch wird das persönliche Konfliktthema generalisiert und nicht konkret angesprochen.
Solche Vorwürfe sind jedoch kontraproduktiv und tragen nicht zu einer gewinnenden Lösung bei. Die häufigsten Konfliktgründe zwischen Generationen sind »gegensätzliche Ansichten«, »unterschiedliche Wertvorstellungen« und »unterschiedliche Arbeitsstile«.

Experten für Konfliktmanagement teilen Konflikte in unterschiedliche Kategorien ein, nämlich Sachkonflikte, Beziehungskonflikte oder Wertekonflikte. Erhard Semlitsch über die unterschiedlichen Konfliktarten: »Derzeit sind bis zu vier Generationen in die Arbeitswelt integriert – vom Babyboomer bis zum Mitglied der Generation Z – und alle führen unterschiedliche Wertekonstrukte mit sich. Die Übergänge zwischen den Generationen sind zwar fließend, jede Generation hat jedoch ihre eigenen Leitsätze und Zuschreibungen. In Hinblick auf die Arbeitswelt könnten die vier Generationen kaum unterschiedlicher sein. Und das ist – abgesehen vom technischen Fortschritt – nicht verwunderlich. Bei Sachkonflikten werden stellvertretend Beziehungs- und Wertekonflikte ausgetragen, die eher das Ziel haben, sich in Szene zu setzen bzw. sich durchzusetzen, als eine Problemlösung herbeizuführen. In Beziehungskonflikten sind vermeintliche Sachfragen dann die Spielfläche, auf der Konflikte auf der Beziehungsebene – durch Missverständnisse, Unterstellungen und negative Vorerfahrungen geprägt – ausgetragen werden. Treten Wertekonflikte auf, werden tiefste Überzeugungen und daraus abgeleitet Meinungen, Neigungen, Geschmack oder Glauben in die Situation eingebracht, was schnell auf die persönliche Ebene abgleiten und durchaus zu einem Beziehungskonflikt eskalieren kann.«

Sabine Prohaska über mögliche Themen von Generationskonflikten: »Jede Generation hat unterschiedliche Vorstellungen, Bedürfnisse und unterschiedliche Erwartungen an die Gestaltung von Arbeit und an gute Führung. Allgemein formuliert kann man sagen: Je jünger, desto unwichtiger wird dem Mitarbeiter die Hierarchie. Auch in Bezug auf Konzepte wie Home Office oder ständige Erreichbarkeit herrschen unterschiedliche Vorstellungen von einem ›guten‹ Arbeitsleben. Die Jungen wollen tendenziell von überall aus arbeiten, die älteren Generationen bevorzugen eher klassische Büros und einen festen Arbeitsplatz mit fixen Büro-Arbeitszeiten statt einem Großraumbüro oder Home-Office. Die Schwierigkeiten entzünden sich dann typischerweise an unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie Arbeiten ausgeführt werden sollen. Ältere Befragte zeigen sich mit den Wertvorstellungen jüngerer Kollegen nicht einverstanden. Umgekehrt erklären die Jungen zum Beispiel, ältere Beschäftigte verpassten moderne Trends und blockten Veränderungen ab. In einer meiner Konfliktberatungen im Bereich Generationskonflikt für eine Abteilung warfen die jungen Mitarbeiter den Älteren vor, sie seien träge, wollten nicht mehr die volle Leistung bringen, würden sich auf ihren Lorbeeren ausruhen etc. Die älteren Mitarbeiter meinten über die Jungen: ›Die interessieren sich doch nur für die Karriere. Wenn das Studium fertig ist und ein besseres Gehalt winkt, dann verlassen sie die Firma – Loyalität zählt ja heute nicht mehr.‹ Daraus ist leicht zu erkennen: Unterschiedliche Generationen haben viele Vorurteile übereinander.«

Aber es gibt noch weitere Themen, die Konflikte auslösen können. Brigitte Schaden: »Themen wie Fertigkeiten im weiten Feld der Digitalisierung, der Stellenwert von persönlichem Gespräch versus WhatsApp, Fehlerkultur und Kommunikationskultur. Außerdem:

  • Vorbereitungskultur (spontan vs. gründlich)
  • Wertigkeit von Hierarchie
  • Linienorganisation vs. Projekt-Organisation
  • Akzeptable Kommunikationsformen
  • Arbeitszeitgrenzen und Work-Life-Balance.«

Lösungsversuche

In einer gesunden Unternehmenskultur müssen alle Altersgruppen gleichmäßige Wertschätzung erfahren. Der beste Weg zur Vorbeugung und Beilegung von Konflikten ist daher, für eine offene Kommunikation der beteiligten Parteien zu sorgen und latente Konfliktthemen sofort anzusprechen.

Brigitte Schaden gibt konkrete Tipps, wie Konflikte gelöst werden können: »Empathie, Verständnis und aktives Zuhören. Nach dem Motto ›Ich höre, was du sagst, verstehe aber nicht, was du meinst‹ empfiehlt es sich, für alle Generationen, die Kraft ihres Alters, ihrer Erfahrung und Ausbildung, Reflexionsfähigkeit mitbringen, für sich zu überprüfen, ob ihre Haltung unvoreingenommen ist.«

Erhard Semlitsch: »Das Geheimnis einer durchaus produktiven Lösung von Generationenkonflikten liegt im wechselseitigen Bewusstmachen, dass einerseits ›viel angehäuftes Leben‹ viel brauchbare angehäufte Erfahrung mit sich bringt und andererseits die Weiterentwicklung der Menschheit nur durch (lebens-)jüngere Vertreter der Spezies Homo Sapiens möglich war und ist. Denn dazu braucht es das kreative, unkonventionelle, ermunternd und belebend wirkende ›No-risk-no-fun-Gen‹. Und das kommt bei ›weniger angehäuftem Leben‹ eher vor als bei Menschen, die eine erfolgreiche, lange Erfahrungstradition mit vielen Hochs und Tiefs reflektieren können. Das Verständnis der jeweils anderen Welt schafft die Möglichkeit, gegenseitige Erwartungshaltungen und Vorurteile aufzudecken, zum Beispiel mit Hilfe der Frage: ›Was kann ich an der jeweils anderen Generation schätzen und was kann ich von der jeweils anderen Generation lernen?‹ Wenn darauf basierend auch noch ein gemeinsamer (Handlungs-)Kodex entwickelt wird, wie der Umgang miteinander in Zukunft gestaltet werden soll (zum Beispiel durch wertschätzende Feedback-Regeln) und welche Punkte berücksichtigt werden müssen, um aus unterschiedlichen Sichtweisen herauszufinden und um gemeinsam erfolgreich zu sein, dann steht einer effizienten und effektiven Generationenkonfliktlösung nichts mehr im Wege.«

Sabine Prohaska: »Das Zusammenspiel von älteren, erfahrenen Kollegen mit frischen Talenten könnte das Salz in der Suppe sein. Unternehmen tun also gut daran, immer mehr Mitarbeiter in interdisziplinären und vielfältigen Teams arbeiten zu lassen. Hierbei ist die ›Generation‹ eines der Kriterien. Es soll ein gemeinsames Arbeiten entstehen, damit jede Generation ihre Stärken einbringen kann. Für ein gutes Miteinander zwischen älteren und jüngeren Kollegen sollten grundsätzlich die jeweiligen Führungskräfte sorgen. Individuelles Führen ist der Schlüssel dazu. Das gilt für die unterschiedlichen Generationen, aber auch generell für unterschiedliche Menschentypen. Führungskräfte sollten vor allem bei Vorurteilen hellhörig sein. Denn diese bilden keine gute Basis für eine Zusammenarbeit. Deshalb sollte man sie so früh wie möglich entkräften – und das funktioniert am besten durch Kommunikation. Sollte es also im Büro Konflikte geben, ist es wichtig, die Parteien an einen gemeinsamen Tisch zu holen und die Probleme und Vorurteile proaktiv aus dem Weg zu räumen. Wichtig ist der richtige Umgang mit den Unterschieden und eine gemeinsame Akzeptanz zu finden. Auch in der firmeninternen Weiterbildung kann dem Generationenthema Rechnung getragen werden, in dem es beispielsweise zielgruppenspezifische Lernangebote genauso wie gemischte Angebote gibt. Jemand, der seit 30 Jahren in einer Firma arbeitet und regelmäßig auf Seminare geht, hat keine Lust mehr auf das siebente Kommunikationstraining.«

Bei den vielen Diskussionen und Artikeln zu diesem Thema sollten wir uns jedoch daran erinnern, dass das alles nichts Neues ist.
Brigitte Schaden fasst das zusammen: »Schon Sokrates hat sich über die ›heutige Jugend‹ beklagt. Das Phänomen ist nicht neu. Besonders ist es möglicherweise heutzutage, weil es noch immer nicht geklärt ist, obwohl im digitalen Zeitalter die Kommunikation grenzenlos scheint.«

Fazit
Umfrageergebnisse zeigen ein eindeutiges Bild, dass Generationskonflikte in vielen Unternehmen vorhanden sind. Jedoch – mit einer für alle Seiten wertschätzenden Umgangsform und Kommunikationskultur sollten diese Konflikte besprochen und jeder sich in einer Lösung wiederfinden können. Ein Miteinander der Generationen ist zu allen Zeiten die beste Option.

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