Die »Katze im Sack« verkaufen

Verkäufer von immateriellen Gütern wie Bildungs- und Beratungsleistungen stehen vor anderen Herausforderungen als die Hersteller von Konsum- und Gebrauchsgütern.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein neues Auto kaufen. Beim Autohändler fragen Sie: Wie viel PS hat das Fahrzeug? Wie hoch ist sein Spritverbrauch? Wie schnell fährt es? Stets antworten die Verkäufer: keine Ahnung. Würden Sie bei diesem Händler ein Auto kaufen? Vermutlich nicht! Zumindest dann nicht, wenn die Verkäufer zudem sagen: »Eine Garantie dafür, dass das Auto fährt, gibt es nicht, und ein Umtausch ist ausgeschlossen.«
Vielleicht denken Sie: So skrupellose Verkäufer gibt es nicht. Doch! Alle Bildungs- und Beratungsanbieter sind solch schamlose Verkäufer – ganz gleich, ob auf ihrer Visitenkarte Trainer, Berater, Coach oder Supervisor steht. Dasselbe gilt für Rechtsanwälte, Ärzte und Therapeuten. Denn auch ihre Leistung kann man nicht mit objektiven Daten wie PS oder kW/h beschreiben. Sie geben ihren Kunden auch keine Garantie, dass ihnen ihre Leistung den gewünschten Nutzen bringt. Und ein Umtausch? Der ist leider auch nicht möglich. Kein Wunder, dass viele Privatpersonen und Unternehmen beim Kauf ihrer Leistungen ein hohes Kaufrisiko empfinden bzw. oft das Gefühl haben, die »Katze im Sack« zu kaufen.

Das Kaufrisiko der Kunden senken

Das liegt unterem anderem an deren immateriellem Charakter. Die Kunden können diese Leistungen vorm Kauf nicht wie ein Paar Socken in die Hand nehmen, um ihre Qualität zu prüfen. Deshalb geben sie ihr Geld lieber für eine neue Jacke oder einen neuen PC aus. Da weiß man wenigstens, was man für sein Geld bekommt. Vielen Anbietern immaterieller Dienstleistungen ist der Charakter ihrer »Ware« nicht bewusst. Sie wissen auch nicht, dass sich hieraus spezielle Anforderungen an sie ergeben. Sie müssen zum Beispiel ihre immaterielle Leistung soweit wie möglich materialisieren, um das von den (Noch-nicht-)Kunden empfundene Kaufrisiko zu reduzieren. Hierfür gibt es viele Möglichkeiten. Ein Ansatzpunkt sind die Materialen, die beispielsweise Trainer und Berater bei ihrer Arbeit einsetzen – zum Beispiel Checklisten, Seminarunterlagen und Transferhilfen; ein weiterer sind Projektbeschreibungen, die skizzieren, wie die Anbieter bei anderen Kunden ein ähnliches Problem lösten. Über solche Instrumente verfügen viele Trainer und Berater nicht. Auch weil die Fachpresse jahrelang verkündete: Künftig sind im Markt nur noch »maßgeschneiderte« Problemlösungen gefragt. Das war für viele Trainer und Berater ein willkommener Anlass, sich von der Produktentwicklung zu verabschieden. Stattdessen bombardieren sie heute ihre Kunden mit Phrasen wie »Wir arbeiten systemisch«, von denen keiner weiß, was sie bedeuten. Oder: »Wir orientieren uns am Bedarf der Kunden.« Welch Blödsinn! Woran sollte ein Dienstleister seine Arbeit sonst orientieren?

Spezielle Anforderungen

Die Ware »Bildung« bzw. »Beratung« kann anhand von vier Charakteristika beschrieben werden, die jeweils unterschiedliche Anforderungen für den Verkauf stellen:

1. Immateriell:
Kaufrisiko des Kunden senken
Kundennutzen konkret beschreiben; Leistung so weit möglich »materialisieren«
Ersatzindikatoren für Qualität aufbauen

2. Kunde ist am Erbringen der Leistung
(z. B. als Seminarteilnehmer) beteiligt
Kommunikationsprozess mit dem Kunden gezielt gestalten

3. Produktion und »Verzehr« der Leistung fallen zusammen
Bedarf im Vorfeld genau ermitteln
Ersatz für fehlendes Umtausch- und Rückgaberecht schaffen
aktives Beschwerdemanagement betreiben

4. nicht lager- und transportfähig
für gleichmäßige Auslastung sorgen

Sich als Spezialist statt Alleskönner profilieren

Ein weiterer Ansatzpunkt, um die eigene Leistung zu konkretisieren, ist die Spezialisierung – sei es auf bestimmte Themen, Zielgruppen oder Problemlösungen. Diesen Schritt scheuen die meisten Anbieter immaterieller Dienstleistungen – aus Angst, Kunden zu verlieren (die sie noch nicht haben). Keiner fragt sich umgekehrt: Welche Aufträge bekomme ich nicht, weil ich mich als »Alleskönner« präsentiere? Entsprechend vage definieren sie ihre Zielgruppen. So liest man beispielsweise in den Seminarbeschreibungen von Trainingsanbietern oft: »Fach- und Führungskräfte aus Industrie, Dienstleistung und Verwaltung«. Übersetzt heißt dies: Alle, die bereit sind, zu bezahlen. Entsprechend verwaschen sind die Profile der meisten Trainer und Berater. Deshalb bleibt für Privatpersonen und Unternehmen oft unklar: Warum soll ich mich gerade für diese Anbieter entscheiden?

Den Marketingprozess operationalisieren

Um dies zu ändern, sollten sich zum Beispiel Bildungs- und Beratungsanbieter stärker vergegenwärtigen, dass sie ihren Kunden letztlich nur »warme Worte« – also gezielt gestaltete Kommunikationsprozesse – verkaufen und hieraus Schlüsse für ihr Marketing ziehen. Sie sollten zudem den Marketing- und Vertriebsprozess in ihrer Organisation analysieren und definieren. Zum Beispiel, indem sie sich fragen:

  • Wie vermittle ich meinen potenziellen Kunden, dass es mich gibt?
  • Wie veranlasse ich sie dazu, meine Internetseite zu besuchen?
  • Was sollen die Besucher danach tun?
  • Was mache ich, wenn ein Interessent anruft und um nähere Infos bittet? Und, und, und.

Nur wenn Trainer und Berater diese Fragen beantworten, können sie für sich ein Marketing- und Vertriebssystem entwerfen, das potenzielle Kunden Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung führt.

Ein solches brauchen heute alle Trainer und Berater bzw. Anbieter immaterieller Dienstleistungen. Denn auch ihre Märkte haben sich zu Käufermärkten entwickelt. Das heißt, zumindest die wirklich attraktiven Kundengruppen in ihnen werden heiß umworben und können sich aussuchen, welchen Anbietern sie ihre Gunst schenken. Deshalb fallen den Anbietern ihre Aufträge nicht mehr wie reife Früchte in den Schoß: Sie müssen sich diese erarbeiten.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

kuntz_bernhard

Gastautor
Bernhard Kuntz
ist Inhaber der PR- und Marketing-Agentur »Die PRofilBerater GmbH«.
die-profilberater.de