Durchsicht im Training

Virtual-Reality-Brillen sind in der Trainingsbranche auf dem Vormarsch. Welche Vorteile sie bringen, lesen Sie in diesem Interview mit Sebastian Scheler.

Welche Vorteile bringen VR-Trainings für nachhaltiges Lernen?

Nach unserer Auffassung liegt der stärkste Einflussfaktor für nachhaltige Trainingseffekte im
»erfahrungsbasierten Lernen«. In dem Moment, in dem ich neues Wissen mit einer selbst gemachten Erfahrung verknüpfen kann, ist es erfahrungsbasiert abgespeichert und kann viel leichter erinnert und abgerufen werden. Mit diesem »Lernen aus Erfahrung« ist hier das vollständige Eintauchen in eine Situation gemeint, die jemand als real erlebt, die reale Emotionen auslöst und in der jemand real agieren kann.
Eine digitale Form des erfahrungsbasierten Lernens gibt es bisher nicht, da kein Medium das Gefühl der »Präsenz« auslösen kann. Präsenz ist das subjektive Erleben in eine virtuelle Umgebung so sehr einzutauchen, dass diese vom User als Realität wahrgenommen wird. Damit Präsenz spürbar wird, muss der User zudem überzeugt sein, dass das, was in Virtual Reality passiert, tatsächlich passiert, obwohl er weiß, dass es nicht Realität ist. Die technologische Möglichkeit »Präsenz« auszulösen, bildet das Alleinstellungsmerkmal, welches Virtual Reality von allen anderen Lernmedien unterscheidet. Durch das Potenzial zur Präsenz wird erfahrungsbasiertes Lernen erstmals außerhalb von Präsenzseminaren realisierbar. Für die Nachhaltigkeit des Trainings von Sozialkompetenzen eröffnet sich durch Virtual Reality damit ein völlig neues Feld an Möglichkeiten. Leider reicht es nicht aus, die VR-Brille aufzusetzen, um Präsenz herzustellen. Zahlreiche Faktoren in 3D-Umgebung, den Avataren, dem Experience-Aufbau und der Vermittlung der Lerninhalte beeinflussen die Präsenz maßgeblich.

VR_Brille
Wie läuft ein Training mit der VR-Brille ab?

Der User wird via VR-Brille in verschiedene Schlüsselsituationen des Berufslebens (z.B. Konfliktgespräch mit einem Kunden) geführt. Diese Schlüsselsituationen kann er aus verschiedenen Sichtweisen erleben und darüber Empathie für Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen und Persönlichkeiten entwickeln. Zudem wird er mit herausfordernden Gesprächssituationen konfrontiert (z.B. wütende Kunden), in denen er sein Kommunikationsverhalten frei trainieren und sich anschließend auch selbst beobachten kann. Durch geleitete Selbstreflexion sowie optionale Rückmeldung zur Übung von einem Trainer kann er sein Verhalten reflektieren und in der anschließenden Trainingssituation anpassen bzw. weiterentwickeln. Auf diese Weise können Schlüsselsituationen so oft wiederholt werden, bis sich eine neue innere Haltung gefestigt hat und das zu erlernende Kommunikationsverhalten zur Gewohnheit geworden ist. Eine Lerneinheit dauert zwischen 15 und 30 Minuten.

Wie erfolgt die Interaktion?

Das Training erfolgt durch freies Sprechen. Menüsteuerung und Feedback-Features erfolgen durch »Head-Tracking«, also das Auswählen von Buttons über die Kopf-Blickrichtung.

Können damit auch Kommunikationsprozesse/Verkaufsgespräche/Bewerbungsgespräche etc. geschult werden?

Einer unserer ersten Prototypen war zum Thema »Bewerbungsgespräch« und ist auf viel Zustimmung bei den Testpersonen gestoßen. Rückgemeldet wurde uns zudem, dass das Bewerbungs-Training in VR großen Spaß machte und als sehr hilfreich in der Vorbereitung auf ein »echtes« Jobinterview erlebt wurde. VR-Trainings zu Verkaufsgesprächen sind ein Fokusgebiet von Innerspace und derzeit in Entwicklung. Hier denken wir vor allem an Basis-Fähigkeiten im Kundenkontakt, von denen der Verkaufserfolg in vielen Branchen, z.B. im Retail-Business, maßgeblich abhängt. Für potenzielle Kunden sehen wir die Vorteile darin, dass sie ihre Mitarbeiter im großen Maßstab schnell, unkompliziert, kostengünstig und vor allem mit nachhaltigem Effekt auf die Schlüsselsituationen im Verkaufsprozess schulen können. Außerdem können wichtige Lerneinheiten regelmäßig aufgefrischt werden, sodass einmal erworbene Fähigkeiten auch über lange Zeiträume präsent bleiben.

Wie lang brauchen Teilnehmer im Durchschnitt, bis sie sich an den virtuellen Raum gewöhnt haben?

Das gelingt in der Regel innerhalb der ersten 5 Minuten. Fast alle Testpersonen kommen mit der Menüführung ohne vorherige Erklärungen zurecht und fühlen sich gut durch das Programm geleitet.

Gibt es Teilnehmer, die mit dem virtuellen Raum nicht zurecht kommen? Schwindel?

Wir haben einen großen Teil unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit darauf verwendet, um alle Faktoren zu beherrschen, die sogenannte »Motion Sickness«, also das Gefühl von Schwindel und Übelkeit in Virtual Reality, auslösen können. Wir haben keine Fälle mehr, in denen Schwindel auftritt.

Welche Technik wird benötigt?

Aktuell arbeiten wir mit Samsung Gear VR. Neben der VR-Brille ist auch ein Samsung Galaxy S7 (oder besser) zum Abspielen der Software nötig.

Woher kommen die Trainingsinhalte?

Wir haben enge Partnerschaften mit 4 führenden Trainingsinstituten, mit denen wir gemeinsam Inhalte erarbeiten. Zudem sind neben mir selbst auch noch andere Psychologen im Entwicklungsprozess beteiligt, sodass eine hohe Qualität des Contents gewährleistet ist und unser Trainingsdesign ständig an den wissenschaftlichen Erkenntnissen über Lernen und Didaktik gespiegelt wird.

Für welche Inhalte eignet sich die Methode?

Basis-Skills der Kommunikation – v. a. Sales- und Kommunikations-Trainings, aber auch Leadership-Trainings.

Braucht es noch einen Trainer dazu, oder läuft alles ohne Trainer ab?

In der nächsten Produktentwicklungsstufe soll der User Trainerfeedback hinzubuchen können. Er hat dadurch den Vorteil, zusätzlich zum Training noch objektives Feedback zu seinem Antwortverhalten zu erhalten.

Vermissen die Teilnehmer nicht den »sozialen Aspekt des Lernens«?

Wir erhalten die Rückmeldung, dass User es schätzen, für sich trainieren zu können, ohne von außen bewertet zu werden und ohne von anderen abhängig zu sein. Wir planen allerdings auch eine Kombination von Seminar und VR-Training, bei dem das soziale Lernen stärker im Vordergrund ist und die Teilnehmer zugleich die Vorteile eines regelmäßigen erfahrungsbasierten Trainings in Virtual Reality nutzen können.

Wie wird diese Technik in den nächsten Jahren noch verbessert werden?

Virtual Reality und unser Trainingsdesign haben die ersten kritischen Phasen bewältigt. Dennoch befindet sich die Technologie insgesamt noch am Anfang. Für die Zukunft erwarten wir eine enorme Weiterentwicklung auf allen Ebenen, sodass erfahrungsbasiertes Lernen auf eine völlig neue Ebene gelangen kann.

Danke für das Gespräch.

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Innerspace-Scheler

Sebastian Scheler
ist CEO und Psychologe bei Innerspace.
www.innerspace.at