Französisch lernen mit dem Sexroboter?

In diesem Artikel geht es darum, inwieweit sich Apps und Computerprogramme für das Erlernen von Fremdsprachen eignen und wie man diese als Ergänzung einsetzen kann. Die Überschrift hat also nichts mit dem Inhalt zu tun? Naja, ein bisschen etwas schon. Aber lesen Sie selbst.

Diese zwei technologischen Entwicklungen werden uns in Zukunft sehr viel beschäftigen bzw. unseren Alltag verändern: Roboter und Blockchain. Und ja, die beiden werden einmal viel miteinander zu tun haben, aber das wird noch ein bis drei Jahrzehnte dauern, momentan werden sie völlig unabhängig von einander entwickelt. Die Blockchain ist eine 2009 entwickelte Lösung für die dezentrale, sichere und verschlüsselte Speicherung von Daten bzw. Informationen. Das mag wenig spektakulär klingen, diese Erfindung ist aber so genial, dass sie ganze Wirtschaftszweige revolutionieren wird. Das gesamte Bankwesen, Währungen, Versicherungen, Stromnetze, Gesundheitsakten, Grundbücher, Wahlen, Verwaltungsakte – all das und sehr viel mehr wird mit der Blockchain-Technologie sicherer, transparenter und einfacher. Soviel steht mit ziemlicher Sicherheit fest. Was wir nicht wissen ist, wer sie erfunden/entwickelt hat. Manche Wissenschafter behaupten, diese Leistung sei auf so vielen unterschiedlichen Wissensgebieten derart beeindruckend, dass es entweder eine Gruppe von Menschen oder aber ein Genie in Einstein’schen Dimensionen war. Diese Person bzw. Personengruppe hat es jedenfalls vorgezogen, der Welt dieses Geschenk zu machen und dabei anonym zu bleiben. Von der Blockchain werden wir in den nächsten Jahrzehnten noch sehr viel hören und lesen, nicht aber in diesem Artikel, denn mit Sprachenlernen hat sie (noch) nichts zu tun.
Die zweite erwähnte Technologie kann aber sehr wohl für das Erlernen von Sprachen eingesetzt werden, wenn auch nicht in der Gegenwart. Bei der Recherche nach Methoden, wie Menschen in Zukunft wohl Fremdsprachen lernen werden, sind wir schnell auf sie gestoßen: Roboter. Damit sind nicht Industrieroboter gemeint, wie sie heute schon überall auf der Welt an Fließbändern eingesetzt werden, sondern humanoide Haushaltsroboter. Diese werden in ein paar Jahren mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sein, in einigen Jahrzehnten werden sie extrem leistungsstark sein. Was die Fortschritte in der Mechanik und Mechatronik, verknüpft mit AI (englische Abkürzung für künstliche Intelligenz), ermöglichen werden, klang vor wenigen Jahren noch wie Science Fiction, ist aber bereits heute zum Greifen nahe: Staubsaugen, Geschirr spülen, Wäsche waschen und bügeln sind das eine. Echte Gespräche, ein schier unglaubliches Wissen, eine gewaltige »Denkleistung« und die Fähigkeit, von der Umgebung zu lernen und sich auf diese einzustellen – das sind die Dinge, die unser Leben verändern werden. Wir werden nicht mehr vor Computerbildschirmen sitzen oder auf dämlich kleinen Smartphones ­tippseln, wir werden einfach mit unserem Roboter kommunizieren – und zwar fast wie mit einem Menschen und dadurch so gut wie alles erledigen können: vom Fernsehen bis zum Buchen von Reisen, vom Gesundheitscheck bis zum Erledigen von Behördenwegen (hallo Blockchain!). Warum wir uns so sicher sind, dass die meisten von uns einmal einen Roboter zuhause haben werden? Weil es die ersten bereits gibt, schon nächstes Jahr werden sie zu kaufen sein. Zugegeben, diese ersten Roboter mit AI für den privaten Gebrauch haben ein sehr spezifisches Anwendungsgebiet, auf das sie eingeschränkt sind: Es sind Sexroboter.
An dieser Stelle müssen wir einen Blick in die jüngere Geschichte werfen. Es war die Sexindustrie, die Videorekorder in unsere Wohnzimmer gebracht hat. Es war die Sexindustrie, die das Internet großflächig in unsere Haushalte gebracht hat und in Folge dann die Entwicklung von z. B. Online-Videos und Online-Kreditkarten-Transaktionen initiiert und vorangetrieben hat. Und es wird die Sexindustrie sein, die Roboter in unsere Wohnungen und Häuser bringt. Das gilt als so gut wie sicher. Weil nämlich manche der Entwickler geniale AI-Roboter für die Pflege von und Kommunikation mit kranken oder älteren Menschen entwickeln wollen, daran schon seit längerer Zeit arbeiten – und aber jetzt mit ihren Entwicklungen und ihrem Know-how den Umweg über Sexroboter gehen, weil für diese ein Markt besteht. Und weil diese – im Vergleich – relativ einfach zu produzieren sind.
Interessanter Weise ist es um ein Vielfaches schwieriger (in Entwicklungszeit ausgedrückt: um Jahrzehnte komplexer), einen Roboter zu bauen, der einer Person eine Fremdsprache ähnlich gut beibringt wie das ein Mensch kann. Wortschatz, Grammatik, Satzbau und die dazu nötige AI – alles kein Problem. Humor, Motivation, interessante Gesprächsthemen? Deutlich schwieriger, doch auch das könnte man bald umsetzen. Aber die Aussprache! Das wird noch lange dauern. Die Aussprache ist auch heute einer der Gründe, warum wir eine Sprache von anderen Menschen besser lernen können, als von Computerprogrammen. Die Aussprache von Programmen, Apps usw. mag zwar je nach Qualität der Lautsprecher oder Kopfhörer perfekt und lebensecht klingen, man kann sie jedoch nicht sehen (oder nur eingeschränkt über zweidimensionale Bildschirme). Man lernt aber, die Lippen und Zunge richtig zu formen, indem man den Mund einer sprechenden Person nachahmt. Und bis ein Roboter einen lebensechten Mund hat und damit die richtigen Bewegungen für verschiedene Sprachen beherrscht, das wird eben noch Jahrzehnte dauern. Im Gegensatz zu – ach lassen wir das.
Die Roboter werden in unsere Wohnräume Einzug halten. Man kommt nach Hause, ein gesundes Essen steht frisch gekocht am Tisch, die Wohnung ist sauber, die Kleidung gebügelt, das Wissen der Welt nur eine Frage entfernt – das ist einfach zu viel Komfort, um sich von den Nachteilen abschrecken zu lassen. Zuerst wird es langsam gehen, erinnern Sie sich an die Smartphones. Sehr teuer werden die ersten Haushaltsroboter sein. Nur wenige werden sich einen leisten können und wollen. Dann werden sie billiger und billiger. Dann haben die Nachbarn einen und ich muss immer noch putzen und bügeln. Und dann kaufe ich mir auch einen.

Zurück zur Gegenwart. Heute werden Sprachen auf viele verschiedene Arten gelernt, darunter auch einige, die es in dieser Form erst seit (relativ) kurzer Zeit gibt, wie z. B. Lern-Apps und Computerprogramme. Diese haben aktuell noch viele Schwächen und Einschränkungen, was den erzielbaren Lernerfolg betrifft. Welche Schwächen sind das genau? Wie setzt man sie trotz der Schwächen optimal ein? Auf der Suche nach Antworten auf diese und andere Fragen, haben wir uns an einige Experten aus der ­Branche der Sprachtrainings gewandt.
Wo liegen beim Erlernen einer Fremdsprache die Grenzen von Computerprogrammen und mobilen Apps?
Katharina Hofhansl (Key Account Managerin bei Berlitz) geht auf die noch fehlende AI ein: »Computerprogramme und Apps können heutzutage schon sehr viel leisten. Wo es immer noch keine wirklich befriedigende Lösung gibt, ist die Konversation. Die Spracherkennung ist dabei ein Problem und natürlich auch, dass der Computer in der Konversation seine Beschränkungen hat. Obwohl viele Aspekte der Sprache mit Hilfe von Computerprogrammen und Apps erlernt und auch eingeübt werden können, ist das Sprechen noch nicht auf dem Niveau, das man braucht, um eine Unterhaltung zu führen.«

Wolfgang Reis (Geschäftsführer von biz.talk) sieht das ganz ähnlich: »Das Erlernen einer Fremdsprache wird in den Erwerb der 4 Kernkompetenzen Lesen, Hörverständnis, Sprechen und Schreiben unterteilt, und daraus ist schon ganz gut erkennbar, wo die Grenzen von elektronikgestützten Tools liegen. Während die ersten beiden Fähigkeiten, also Lesen und Hörverständnis, sehr strukturiert mittels Text- und Hörbeispielen sowie Verständnisfragen trainiert werden können, handelt es sich beim Sprechen und Schreiben um sogenannten spontanen Spracheinsatz, der von elektronischen Tools nicht vorhersehbar ist und daher auch so nicht geübt werden kann. Zusätzlich dazu versuchen diese Tools meist, die Bedürfnisse einer möglichst großen Zielgruppe abzudecken, was auch eine fachspezifische Erweiterung des Lese- oder Hörverständnisses, zum Beispiel in verschiedenen technischen Spezialgebieten, im Bankwesen etc., sehr schwierig macht. Spontaner Sprachgebrauch benötigt ein reales anstelle eines virtuellen Gegenübers.«

Walter Grubanovitz ist Geschäftsführer von mind&more und geht in seiner Antwort auf die Lernenden ein: »Obwohl es Möglichkeiten sowohl zum Hören als auch zum Sprechen mittels App gibt, ist man bei diesen beiden wichtigen rezeptiven bzw. produktiven Fertigkeiten stark eingeschränkt und limitiert. Die Interaktivität, wie sie in der Gruppe praktiziert wird, fehlt hier. Die Dynamik in einer Gruppe darf man, insbesondere auch was Didaktik und Lerneffekte betrifft, nicht unterschätzen. Jeder Mensch besitzt eine individuelle Lernhistorie, eine ganz persönliche Lernentwicklung und dementsprechend braucht jeder Einzelne unterschiedliche Möglichkeiten und Tools, um eine Sprache schnell und vor allem effizient zu lernen. Manche Personen fühlen sich in einer Gruppe am wohlsten, wo es zum direkten Austausch kommt, wo kommuniziert und gemeinsam am Sprachenerwerb gearbeitet wird. Der regelmäßige Kontakt zu den anderen, zum Trainer und der Austausch sind diesem Lerntyp besonders wichtig.« Das alles kann eine App naturgemäß nicht bieten – zumindest nicht Face-to-Face. Walter Grubanovitz setzt fort: »Andere lernen gerne allein, sind diszipliniert genug, um sich konsequent an eine neue Sprache im Alleingang heran zu arbeiten. Ausschlaggebend für die Verwendung von mobilen Apps ist sicher auch, wie offen man modernen Technologien gegenüber steht und wie geübt und affin man in der Handhabung ist. Hat man außerdem die Disziplin, Ausdauer und Eigenverantwortung, um ein ganzes Lernprogramm, einen Kurs online zu absolvieren?«
Stephen Macfarlane (Leiter des Sprachentrainings der KERN Group) ergänzt: »Die Grenzen von Apps verlaufen genau da, wo die Individualität der Sprachlernenden mit ins Spiel kommt: Jedes Computerprogramm und jede App ist darauf ausgelegt, einen sinnvollen Beitrag zum Spracherwerb für einen Großteil der Nutzer zu liefern. Dabei können aber verschiedene Lerntypen, unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten und andere individuelle Unterschiede zwischen den Nutzern niemals in dem Ausmaß berücksichtigt werden, wie das mit einem professionellen Sprachtrainer möglich ist. Ein zweiter wichtiger Punkt, der damit einhergeht, ist die Frage der Lerndidaktik. Sprachtrainer erwerben neben der muttersprachlichen Kompetenz in der Herkunfts- und Zielsprache vielfältige Fähigkeiten, wie und in welchem Rahmen man Sprachen lehren und vermitteln kann. Eine App wird das niemals leisten können. Auch beim Thema Sprachgefühl haben Computerprogramme das Nachsehen: Diese haben gerade in den letzten Jahren – auch im Übersetzungsbereich – erhebliche Fortschritte gemacht, aber die Sprachkomplexität ist deutlich zu hoch, um Sprache in einen gesellschaftlichen Rahmen einzuordnen.
Was können Apps hingegen sehr wohl für den Spracherwerb leisten? Gibt es die Dinge, die sie vielleicht sogar besser können als andere Methoden? Wie sollen sie eingesetzt werden, damit sie als Ergänzung sinnvoll sind?
Katharina Hofhansl: »Grammatik, Wortschatzübungen, Textarbeit bis zu einem bestimmten Level, Hörverständnisübungen, all das ist mit Apps sehr gut möglich. Besser als ein Buch können sich Computerprogramme auf die Entwicklung des Lernenden einstellen, indem sie sich an die Erfolge anpassen. Sie sind immer dann gut, wenn es um das Einüben von Fertigkeiten geht. Sehr oft sind spielerische Elemente dabei, die abwechslungsreich sind und den Spaß auch bei potenziell langweiligen Themen wie Grammatik erhalten.«

Stephen Macfarlane: »Apps und Computerprogramme sind eine sehr sinnvolle Ergänzung und aus professionellem Sprachentraining nicht mehr wegzudenken. Sie sind zeitlich und örtlich flexibel einsetzbar, können beliebig oft verwendet werden und bieten die Möglichkeit, durch Darstellungen, Visualisierungen, Animationen und Ton Sprache lebensnah zu vermitteln und das Lernen auf verschiedenen Ebenen zu unterstützen. Der Wegfall von Papier ist besonders unterwegs von Vorteil. Apps und andere Computerprogramme sollten das Sprachentraining immer begleitend unterstützen. In welchem Ausmaß das stattfindet, hängt von verschiedenen Faktoren ab – das kann von einer einfachen Vokabellernhilfe bis hin zu vielfältigen Anwendungen im Rahmen von Blended-Learning-Strategien reichen. In jedem Fall festigen mobile Apps und Computerprogramme erlernte Strukturen und Vokabeln.«

Wolfgang Reis: »Elektronische Tools sind sehr gut geeignet, um Lesekompetenz und Hörkompetenz zu steigern. Mittels Podcasts, die zum Teil auch auf Lernende ausgelegt sind sowie Apps kann man so bei jeder Gelegenheit in die Sprache eintauchen, zum Beispiel in der U-Bahn auf dem Weg in die Arbeit. Die schon erwähnten Vokabel-Apps sind gut geeignet, um den Wortschatz zu erweitern. Wir haben unsere Apps auf unseren Smartphones ständig zur Verfügung und können daher lernen, wann und wo immer wir möchten. Das ist ein klarer Vorteil. Am besten ist der Einsatz unter Anleitung von Lehrenden, die vorgeben, welche Apps, Podcasts und elektronischen Printmedien geeignet sind. Der Grund dafür ist ganz einfach: Die elektronisch zur Verfügung gestellten Texte, Audiobeispiele und Übungen müssen an das Level der Lernenden angepasst sein, sonst wird diese Erfahrung aus dem Selbststudium schnell frustrierend.«

Walter Grubanovitz: »In jedem Fall ist das Zusatzangebot eines Computerprogrammes oder einer App zu einem klassischen Sprachkurs absolut empfehlenswert. Die Möglichkeiten heutzutage sind ja grenzenlos – vom einfachen Vokabellernen über Dialoge bis hin zu interaktiven Spielen. Das Angebot ist sehr groß und so hat jeder die Möglichkeiten, das passende Modell zu finden. Die Palette reicht von Gratis-Apps bis hin zu kostenpflichtigen Anwendungen.«
Hat sich durch die neuen Technologien und Programme die optimale Art und Weise, eine Sprache zu erlernen, verändert? Gibt es heute daher bessere Methoden als vor 15 Jahren?
Stephen Macfarlane: »Kurzum: ja. Sprachen lernen ist ein ungemein komplexer Prozess, der selbstverständlich von vielfältigeren Optionen hinsichtlich der Trainingsausgestaltung profitiert. Linguisten definieren 6 Modi sprachlicher Kommunikation (Sprechen, Schreiben, Hörverstehen, Leseverstehen, Dolmetschen und Übersetzen) und besonders im Bereich ›Hörverstehen‹ bieten audiovisuelle Computerapplikationen spannende Möglichkeiten, den Lernprozess in einem Bereich positiv zu beeinflussen, der üblicherweise dem traditionellen Unterricht vor Ort vorbehalten war. Insgesamt kann man sagen, dass sich Sprachentraining heute durch Programme und Applikationen individueller und flexibler hinsichtlich der Kundenwünsche optimieren lässt und damit effizienter zum Lernerfolg führt.«

Wolfgang Reis: »Die neuen Technologien und Medien unterstützen das traditionelle Sprachtraining natürlich in jeder Weise, und es wäre wenig zielführend, diese nicht einzusetzen. Das Präsenztraining und somit die spontane Interaktion kann niemals ersetzt, aber auf jeden Fall wirksam ergänzt werden. Die beste und effizienteste Methode, eine Sprache zu erlernen, ist sicherlich, alle Kanäle, sprich Präsenztraining und unterstützende elektronische Tools, in gut abgestimmter und angeleiteter Weise zu verwenden.«

Katharina Hofhansl: »Meiner Meinung nach hat sich hauptsächlich die Erwartung der Lernenden geändert. Eine Sprach-App zu installieren reicht nicht, um eine Sprache zu lernen. Man muss nach wie vor Vokabel lernen, Grammatikübungen machen und Texte lesen. Und man muss sprechen und herausgefordert werden. Die neuen Technologien werden von Sprachschulen und auch in den Regelschulen eingebaut und helfen durchaus beim Vokabellernen und dabei, die Fehler gleich zu sehen, aber die eigentliche Arbeit des Lernens können einem die neuen Technologien nicht abnehmen.«

Das werden wohl auch die Roboter der Zukunft nicht schaffen. Oder vielleicht doch?

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