Interkulturelle und sprachliche Kompetenzen

Zunächst handelt dieser Artikel von unterschiedlichen Methoden, eine Fremdsprache zu erlernen. Wie macht man das am besten? Was ist State of the Art? Im zweiten Teil erweitern wir das Thema um interkulturelle Kompetenzen. Diese sind nämlich im beruflichen Alltag mindestens genau so wichtig wie Fremdsprachenkenntnisse.

Auf der Suche nach Antworten auf die Frage nach den Methoden des Fremdsprachen-Erlernens haben wir uns an zwei Experten aus Sprachtrainings-Instituten gewandt: Christian Fuchs, geschäftsführender Gesellschafter von CEF und Walter Grubanovitz, Geschäftsführer von mind & more.

Welche Methoden bringen Sie in Sprachtrainings zur Anwendung?

Christian Fuchs: »Das Erlernen einer Sprache ist auch abhängig vom jeweiligen Lerntyp. Akustisch orientierte Personen erlernen die Sprache sehr schnell durch Hören und Sprechen. Optisch orientierte hingegen müssen die Sprache vor allem ›sehen‹. Analytische Personen wollen die Sprache auch verstehen. Es ist also vor dem Studium ganz wichtig, auch den Lerntyp zu bestimmen und das Programm und die Vorgangsweise darauf abzustimmen. In der Regel vermischen sich auch die Lerntypen immer wieder. Wichtig sind aktives Sprechen, Training des Hörverständnisses mittels situationsbezogener Rollenspiele, Diskussionen und regelmäßige Wiederholungen. Wenn all diese Punkte erkannt sind, ist das Tempo des Spracherlernens kein Problem mehr!«
Walter Grubanovitz: »Das Gebot der Stunde heißt ›Sprachcoaching‹. Was verbirgt sich hinter diesem klingenden Ausdruck? Sprachcoaching bedeutet nichts anderes, als dass der Teilnehmer im Mittelpunkt steht. ›Lernerzentrierter Unterricht‹ ist also einer der wichtigsten Aspekte für uns. In der täglichen Praxis heißt das, dass wir beim Erstgespräch mit dem Kunden auf die Vorerfahrungen, Interessen und persönlichen Backgrounds der Kursteilnehmer Rücksicht nehmen. Darauf baut sich unser Konzept auf. Individualisierung und Differenzierung sind die Säulen unseres Sprachunterrichts. Der Schüler wird individuell und maßgeschneidert gefördert und gleichzeitig im richtigen Maße gefordert. Es geht um eine intelligente Kombination der verschiedenen Methoden. mind & more orientiert sich dabei an den neuen Prinzipien des Fremdsprachenunterrichts, wie zum Beispiel Autonomie, Mehrsprachigkeit, Kooperation, Abwechslung der Sozialformen, Textsortenvielfalt oder Ausgewogenheit der Fertigkeiten.
Dafür wenden wir abhängig vom Bedarf des Teilnehmers einen Mix aus vielerlei Methoden an – klassischen Face-to-face-Unterricht oder modernen Sprachunterricht im Virtual Classroom. Dieser punktet bei unseren Kunden mit seiner totalen Ortsunabhängigkeit sowie Zeiteffizienz und spricht daher Teilnehmer an, die viel unterwegs sind und entsprechend wenig Zeit zur Verfügung haben.
Jeder Mensch ist einzigartig – auch in seiner Lernfähigkeit. Homogene Gruppen haben viele Vorteile, aber neueste Erkenntnisse sehen in der Heterogenität der Lerngruppen viel Potenzial. Die Teilnehmer kommunizieren mit- und lernen voneinander. Teamwork und Kooperation werden gefördert, das Bewältigen von Konflikten wird gemeistert und die Selbstverantwortung für das eigene Lernen wird gefördert.«

Apropos Lerntypen und individuelle Lernfähigkeit: Aktuelle Forschungsergebnisse des Institute for Learning & Brain Sciences an der University of Washington lassen diesbezüglich aufhorchen. Laut einer Studie der Psychologieprofessorin Chantel Prat kann man nach einem fünfminütigen Scan, der die Ruhephasen-Aktivität bestimmter Hirnregionen misst, überraschend genau vorhersagen, wie schnell eine Person eine Fremdsprache erlernen kann. Weitere Studien sind notwendig, um die Ergebnisse zu verifizieren bzw. deren Genauigkeit zu verbessern. Denn Chantel Prat sagt, es sei auch möglich, dass sich die nach einem solchen Scan getätigten Vorhersagen auf die allgemeine Lernfähigkeit beziehen – und nicht nur auf das Erlernen einer Fremdsprache. Außerdem hänge die Erlernbarkeit einer Sprache auch von anderen Faktoren ab: »Die Motivation ist einer der stärksten – wenn nicht der stärkste – Faktor für den Erfolg im Sprachenlernen. Das ist eine sehr schwierige Fähigkeit, wahrscheinlich das Schwierigste, das ein menschliches Gehirn leistet. Motiviert zu sein ist erfolgsentscheidend.«
Zurück nach Österreich und zur Praxis. Wir wollen wissen, was neben der Motivation für den Erfolg verantwortlich sein kann:

Was hat sich als besonders erfolgreich herausgestellt?

Christian Fuchs: Beim Sprachenstudium gilt genau das Gleiche wie bei jeder seriösen Arbeit: 10 % bestehen aus Inspiration und 90 % aus Transpiration. Ohne Arbeit geht gar nichts! Ein Lernen im Schlaf gibt es nicht! Derlei versprechen nur Scharlatane. Ständige Wiederholungen und ein abgestimmtes, praxisorientiertes Training sind die Basis für ein rasches Fortkommen. Die Abwechslung der Themengebiete im Sprachtraining ist auch ein probates Mittel für effizientes und rasches Lernen. Sollten die Sprachkenntnisse ganz rasch benötigt werden, so empfiehlt sich eine halbtägige oder ganztägige Crash-Ausbildung. Mehrere Sprachcoaches bringen dann die Teilnehmer in 2 bis 3 Wochen in Top-Form. Die von uns entwickelten Ausbildungsmodelle sind dafür ein Garant und viele zufriedene Kunden sind dafür der beste Beweis! Wenn die Sprache nicht in einem Crash-Verfahren trainiert wird, empfiehlt sich ein kontinuierliches Sprachenstudium mit 2 bis 3 Trainings pro Woche. Einmal pro Woche zwei Stunden sind zwar besser als gar nichts, aber der Erfolg lässt erfahrungsgemäß zu lange auf sich warten. Ungeduld und Resignation machen sich breit und die Sache läuft Gefahr, im Sand zu versickern! Das ist auch mit ein Grund, warum Selbstlernkurse oder Sprachkurse bei Allerweltsanbietern von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind.
Walter Grubanovitz: »Zeit im Ausmaß von 3 bis 5 Tagen muss man sich für ein sogenanntes ›total immersion seminar‹ frei machen. Aber dafür erfährt man einen motivierenden Lernerfolg innerhalb kürzester Zeit. ›total immersion‹ bedeutet das völlige Eintauchen für einen gewissen Zeitraum in die Fremdsprache. Ganzheitlich und mit allen Sinnen. Unsere Trainer wenden sehr erfolgreich moderne Techniken, z. B. des ›flipped classrooms‹ an und lassen zeitgemäße Lernaspekte wie die Verwendung von authentischen Texten und audiovisuellen Quellen in den Unterricht einfließen – je nach Möglichkeit und Lernentwicklung der Teilnehmer.«

Ändert sich das Sprachenlernen im Laufe der Zeit?

Christian Fuchs: Diese Frage ist ganz eindeutig mit ›nein‹ zu beantworten. Der Mensch ist zirka 4,5 Millionen Jahre alt, der moderne Mensch 40 000 Jahre. Nur weil die moderne Technologie Einzug in unseren Alltag gefunden hat, verändert sich nicht die Aufnahmefähigkeit.
Wir haben natürlich ein wachsames Auge auf verschiedene neue Ansätze und Methoden, setzen aber verstärkt die Methoden ein, welche im Laufe der Jahre verlässlich mit allen Alters­stufen Erfolg gebracht haben. Die Grundaufgaben eines Trainers sind die gleichen geblieben. Die Teilnehmer brauchen Input, Motivation, Feedback, Wiederholung, Unterstützung und viel Lob. E-Learning-Programme, Apps, Podcasts können unterstützen, ersetzen aber die zwischenmenschliche Kommunikation, das Real Life, nicht.«
Walter Grubanovitz: »Vor 10 Jahren gab es noch wesentlich weniger Möglichkeit für den Einsatz neuer Medien im Sprachunterricht. Heutzutage greifen unsere Trainer auf soziale Netzwerke zur Kommunikation mit den Kursteilnehmern zurück oder setzen spielbasierte Lernplattformen (z. B. Kahoot) als motivierende Trainingsplattformen ein. Auch innovative Konzepte wie das ›Stationenlernen‹ oder Methoden des Blended-Learning werten das Sprachenlernen für Erwachsene extrem auf und werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.«

Eine völlig andere Methode, sich eine Fremdsprache anzueignen, entwickelte einst Vera F. Birkenbihl. Was das Besondere dieser Methode ist, haben wir Monika Naimer gefragt, Gründerin und Vorstand der Vera F. Birkenbihl-Adademie.
Für wen ist diese Methode gedacht? Wer hat damit besonders viel Erfolg?
Monika Naimer: »Die Birkenbihl-Methode© ist für Schüler genauso wie für Erwachsene geeignet, die für ihr Sprachenlernen einen effizienten Weg suchen, der ihnen schnelle Erfolgserlebnisse und Lernfreude verschafft. Ebenso geeignet ist sie für Nachhilfelehrer, Eltern und Sprachenlehrer, die jemanden beim Fremdsprachenlernen begleiten. Wir haben Deutsch-Trainer ausgebildet, die erfolgreich mit Flüchtlingen Deutsch lernen. Der Erfolg? Eine Sprache zu lernen, kann leicht sein und Spaß machen!«

Was bietet die Sprachlernmethode nach Birkenbihl?

Monika Naimer: »Fremdsprachen lernen nach Vera F. Birkenbihl geht einen völlig anderen Weg als alle anderen Sprachenlernmethoden: Es genügen wenige Lerneinheiten pro Tag, Vokabel pauken ist verboten, Grammatiklernen ist unnötig und bis zu 75 % der Lernarbeit werden ans Unbewusste ›delegiert‹. Aufbau und Ablauf der Methode ist gehirn-gerecht und entspricht dadurch der natürlichen Arbeitsweise unseres Gehirns beim Lernen.«
Das klingt zwar gut, steht aber in einem ziemlichen Widerspruch zu dem, was z. B. Christian Fuchs dazu sagt. Wir fragen daher nach:
Wie läuft das Lernen bzw. Lehren nach dieser Methode konkret ab?
Monika Naimer: »Die Sprachen-Lernmethode nach Vera F. Birkenbihl besteht aus 4 Lernschritten, die durchlaufen werden. In jeder Lernphase ist man immer nur mit einem Aspekt des Lernens beschäftigt, damit die notwendigen Nervenbahnen verdrahtet werden können. Der wichtigste Aspekt: Die Freude an der Sprache beginnt bereits beim Lernen selbst!«

Es wurde in diesem Artikel schon aufgezeigt und gesagt: Beim Lernen gibt es große individuelle Unterschiede. Und so muss wohl jeder für sich die passende Methode finden.

Interkulturelle Kompetenzen

Eine Fremdsprache zu beherrschen, hilft vor allem in Situationen, in den man sie anwenden kann bzw. muss, also z. B. im Ausland oder in der beruflichen Korrespondenz mit Menschen anderer Muttersprache.
Interkulturelle Kompetenzen hingegen erweitern nicht nur das Verständnis in genau solchen Situationen, sie sind auch sehr nützlich, wenn man es gar nicht vermuten würde, z. B. im beruflichen Alltag.
Valerie Höllinger (Geschäftsführerin des BFI Wien), Karin Schreiner (Eigentümerin von Intercultural Know How – Training & Consulting) und Marion Wetter (Senior Consultant bei pmcc consulting) erläutern auf den folgenden Seiten die Bedeutung interkultureller Kompetenzen, nennen konkrete Beispiele und zeigen auf, wie der Kompetenz-Erwerb funktionieren kann.

Welche Vorteile hat es für ein Unternehmen, wenn die Mitarbeiter interkulturelle Kompetenzen haben?

Karin Schreiner: »Interkulturelle Kompetenzen gehören zu den Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts. Sie bezeichnen eine Person, die ein so genanntes ›Global Mindset‹ hat, das heißt, man ist darin geschult und geübt, sich im internationalen Umfeld zu bewegen und mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen friktionsfrei und empathisch zusammenzuarbeiten. Die Vorteile von interkultureller Kompetenz liegen in 4 wesentlichen Punkten: Die Person verfügt über interkulturelle Sensibilität, das heißt, sie reagiert empathisch auf kulturelle Unterschiede und reflektiert ihre eigene Kultur, sie erkennt in der jeweiligen Situation, wie mit der anderen Person kommuniziert werden muss, sie ist fähig, gute Beziehungen aufzubauen und wichtige Werte wie Vertrauen sensibel zu entwickeln, und sie verfügt über eine hohe Stressresistenz in schwierigen oder unvorhergesehenen Situationen. Diese Kompetenzen  führen zum erfolgreichen und effizienten Arbeiten in einem Umfeld, das von kultureller Diversität geprägt ist. Die Vorteile liegen somit langfristig für Unternehmen im Erfolg, in der Effizienz, in der guten Reputation, in der Nachhaltigkeit und in einer positiven Arbeitsatmosphäre.«
Marion Wetter: »Nachdem nationale Grenzen im Geschäftsleben immer mehr verschwinden, ist es kaum denkbar, dass Unternehmen auf lange Sicht keinerlei internationalen Berührungspunkte haben und sich weiterhin nur innerhalb nationaler Grenzen bewegen. Interkulturelle Kompetenzen befähigen Mitarbeiter, sich sicherer zwischen unterschiedlichen Kulturen zu bewegen und sich besser auf internationale Kunden, Lieferanten oder Kollegen einstellen zu können. Die eigene Sichtweise wird dadurch erweitert und die individuelle Ambiguitätstoleranz steigt, sprich Mitarbeiter können besser mit Mehrdeutigkeit umgehen. Statt nach der einen richtigen Lösung wird nach passenden Lösungen gesucht.«
Valerie Höllinger: »Die Welt wächst zusammen und österreichische Unternehmen sind sowohl als Lieferanten als auch als Kunden in besonderem Maße auf internationalen Märkten aktiv. Und immer, wenn Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen aufeinandertreffen, sind auch Fettnäpfchen nicht weit. Diese können im Wirtschaftsleben oft noch mehr als das Produkt oder der Preis über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Das beginnt beim Geschäftsessen mit dem chinesischen Investor, reicht bis zu den Vertragsverhandlungen mit dem französischen Kunden oder dem Meeting mit den US-amerikanischen Kollegen. Wer sich hier in das Gegenüber aktiv hineindenken kann, kulturelle Verschiedenheit nicht als Hindernis einordnet, sondern berücksichtigt und das gerade für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen so wichtige Vertrauen aufbauen kann, ist klar im Vorteil. Interkulturelle Kompetenz kann letztendlich über die Marktpositionierung eines Unternehmens entscheiden und der Schlüssel zum Erfolg sein. Schließlich machen wir Geschäfte mit Menschen.«
Welche dieser Vorteile kommen auch dann zum Tragen, wenn das Unternehmen  nur innerhalb Österreichs tätig ist?
Marion Wetter: »Interkulturelle Kompetenzen sind auch innerhalb nationaler Grenzen gefragt: Wer in der Lage ist, andere Sichtweisen zu akzeptieren ohne zu werten und die eigene Handlungsweise kritisch zu reflektieren, kann sich leichter auch innerhalb einer Landeskultur auf unterschiedliche Sub-Kulturen einstellen. Das kann dazu beitragen, dass ›kulturelle Unterschiede‹ zwischen einzelnen Abteilungen (Stichwort Produktion vs. Vertrieb oder Engineering vs. Marketing) produktiv genützt werden können, anstatt sich zu einem konfliktreichen Brennpunkt zu entwickeln. Solche interkulturellen Kompetenzen helfen auch, die Bedürfnisse verschiedener Kulturen innerhalb von unterschiedlichen Kundengruppen (Jugendkultur, die Kultur der Baby Boomers etc.) besser zu verstehen und darauf reagieren zu können.«
Karin Schreiner: »Die Internationalität und damit die kulturelle Diversität hat schon längst Einzug in die heimischen Unternehmen gehalten. Heute ist die Belegschaft vieler Unternehmen von hoher ethnischer Diversität geprägt. Dies geht auf die Migrationsbewegungen zurück, aber auch auf eine allgemeine Arbeitsmobilität innerhalb Europas. Somit bedarf es auch hier von Managern und Führungskräften interkultureller Kompetenz, um mit der Belegschaft kultursensibel umzugehen. Auch für HR-Manager empfiehlt es sich, interkulturelle Kompetenz aufzubauen.«
Valerie Höllinger: »Nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitarbeiter sind zunehmend international. Österreich ist ein attraktiver Arbeitsmarkt und Wirtschaftsstandort. Dementsprechend tummeln sich Menschen aus der ganzen Welt in unseren Betrieben. Aus Unternehmenssicht hat das meiner Meinung nach große Vorteile: Kreativität entspringt aus Diversität. Eine möglichst unterschiedlich zusammengesetzte Gruppe hat das größte Potenzial, innovative Lösungen zu erarbeiten, weil Problemstellungen von unterschiedlichen Blickwinkeln und Perspektiven betrachtet werden können. Nur eine diversifizierte Gruppe bringt eine ausreichend breite Palette an Informationen, Fakten und Hintergrundwissen mit, um Einzigartiges zu komponieren. Und für das reibungsfreie und konstruktive Miteinander braucht es interkulturelle Kompetenzen. Die Fähigkeit, Missverständnisse schnell aufklären zu können und kulturelle Eigenheiten zu nutzen, hilft, Kosten zu senken, die durch Reibungsverluste in der unternehmensinternen Interaktion verursacht werden und ermöglicht, heterogene Teams bestmöglich zur Entfaltung zu bringen.«

Können Sie uns dazu bitte ganz konkrete Beispiele aus Ihrer persönlichen Erfahrung nennen?

Valerie Höllinger: »Wir sind zwar ein lokaler Bildungsanbieter, bekommen aber auch immer wieder Besuch von internationalen Delegationen, mit denen dann auch Geschäftsbeziehungen entstehen. Und ein nettes Beispiel war ein Besuch einer japanischen Delegation. Schon das Überreichen der Visitenkarte kam einem Ritual gleich: Sie werden mit beiden Händen überreicht und im Anschluss wird noch ein wenig über das Aufgedruckte gesprochen. Auch habe ich bei dem Termin erfahren, welch kreative Formen des Nein-Sagens angewandt werden: Es gibt zwar ein japanisches Wort für ›nein‹, aber das hört man im Arbeitsleben eher nicht. Statt ›nein‹ sagen die Leute lieber ›Das besprechen wir noch mal‹ oder ›Wir klären das‹. Schon in diesen Kleinigkeiten zeigen sich die möglichen Fallstricke in Sachen interkulturelle Kommunikation.«
Marion Wetter: »Kultur funktioniert wie der Autopilot in einem Flugzeug – solange alles läuft wie erwartet, navigieren wir mit relativ wenig Aufwand durchs Leben. Sobald jedoch kulturelle Unterschiede auftreten, funktioniert der unbewusste Autopilot nicht mehr und plötzlich müssen bewusst Entscheidungen getroffen werden und das eigene Verhalten und das der anderen konstant einer Prüfung unterzogen werden, um den nächsten passenden Schritt machen zu können. Sichtbar wird das bereits in Kleinigkeiten: Wird bei einer Einladung zum Abendessen in China vom ausländischen Berater erwartet, einen Trinkspruch zu Ehren des Gastgebers auszusprechen? Soll man als weibliche Projektmanagerin dem Kunden aus Pakistan die Hand schütteln? Und wie reagiere ich, wenn sich Projektmitarbeiter aus Lateinamerika immer mit der sprichwörtlichen Verspätung in die Videokonferenz einwählen? Der Zustand der Müdigkeit und Erschöpfung, der sich nach einem Tag in einem fremden Land oder in einem internationalen Umfeld zeigt, ist ein klares Anzeichen dafür, dass mal wieder kaum etwas im ›Autopilot-Modus‹ gelaufen ist. Aber die gute Nachricht ist: Je häufiger man solchen Situationen ausgesetzt ist, desto besser läuft die Feinjustierung – die eigene Komfortzone erweitert sich und in Zukunft können schon neue Strecken auf Autopilot angeflogen werden.«
Karin Schreiner: »Nehmen wir die Handelskette Billa als Beispiel. Die Belegschaft setzt sich aus Mitarbeitern aus zahlreichen unterschiedlichen Ländern zusammen. Um das Arbeitsklima positiv zu gestalten, um die Anliegen der Mitarbeiter besser zu verstehen und um die Motivation der Belegschaft zu stimulieren, ist es nötig, dass sich Führungskräfte mit der interkulturellen Thematik auseinandersetzen und selbst interkulturell geschult sind. Auch wenn interkulturelle Konflikte im Team entstehen, benötigt die Führungskraft interkulturelle Kompetenz, um mit ihrem Team den Konflikt lösen zu können. Der Umgang mit kultureller Diversität funktioniert am besten auf der Basis von interkultureller Kompetenz.«

Wie kann die Vermittlung dieser Kompetenz stattfinden, wie funktioniert sie am besten?

Marion Wetter: »Die eigene Kultur wird erst bewusst wahrgenommen, wenn sie in einem Kontrast zu etwas gesehen wird, sprich wenn Unterschiede im Denken und Handeln von anderen auf das eigene System treffen. Einer Vermittlung interkultureller Kompetenzen sollte also eine Reflexion der eigenen Normen und Werte vorangehen. Um mit Menschen aus anderen Kulturen (Unternehmens-, Landes-, Abteilungs-, Gruppenkulturen etc.) eine gemeinsame Basis finden zu können, muss die Fähigkeit erweitert werden, wertfrei wahrzunehmen und die eigene Vorgehensweise kritisch zu hinterfragen. Dies kann in einem Seminarkontext durch erlebnisorientierte Lerneinheiten und im beruflichen Umfeld durch Elemente des Coachings erfolgen. Damit die so gemachten neuen Erkenntnisse nachhaltig abrufbar bleiben, müssen diese Unterschiede erfahrbar gemacht werden, anstatt nur auf der Ebene einer rationalen Informationsvermittlung zu bleiben.«
Karin Schreiner: »Personen, die in ihrer Tätigkeit kultureller Vielfalt ausgesetzt sind und die diese Erfahrungen auf kultureller Ebene reflektieren und sich darüber hinaus kulturspezifisches Wissen aneignen, entwickeln interkulturelle Kompetenz. Die Basis sind eigene Erfahrungen, gepaart mit theoretischem Input, der z. B. in Kultursensibilisierungstrainings angeboten wird. Beides ist nötig. Die Reflexion erfolgt an Hand von Inputs in Trainings oder Coachings. Auch längere Auslandsaufenthalte begünstigen die Entwicklung interkultureller Kompetenz, aber nicht automatisch. Es braucht eine theoretische Grundlage, um die eigenen Erfahrungen auf kultureller Ebene zu reflektieren und einzuordnen. Das ist der Grund, weshalb Natives nicht automatisch interkulturell kompetent sind, auch wenn sie über ihre eigene Kultur vieles wissen. Auch sie brauchen eine interkulturelle Schulung, um die eigene Kultur auf kultureller Ebene zu reflektieren.«
Valerie Höllinger: »Eine allgemeine Vermittlung von interkultureller Kompetenz beinhaltet meiner Meinung nach Schulungen zum Thema Dialogfähigkeit und Konfliktlösungskompetenz sowie eine darüber hinausgehende Sensibilisierung für unterschiedliche Kulturen. Idealerweise bietet ein Programm dieser Art Trainings, die vor allem auf die unterschiedlichen Wertehaltungen der unterschiedlichen Kulturen eingeht und sie herausarbeitet. Am BFI Wien erfolgt diese Schulung im Zuge der Sprachvermittlung: So wird in unsere Lehrgänge neben Grammatik und Vokabular immer der landesspezifische Kontext eingebunden. Zudem sind lokale Umgangsformen und natürlich auch die nicht zu verachtenden Länderspezifika integraler Bestandteil der Lehrgänge. Vor allem die Lehrenden – großteils Native Speaker – können hier den Studierenden einen Einblick aus erster Hand liefern und sehr detailliert auf die kleinen aber feinen Unterschiede der diversen Länder eingehen.«

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Interkulturelle Kompetenz