Konflikte als Symptome

In jedem Unternehmen entstehen aufgrund von unterschiedlichen Meinungen, Persönlichkeiten und Arbeitsstilen unweigerlich Konflikte. Effektives Konfliktmanagement ist daher von entscheidender Bedeutung, um ein produktives Arbeitsumfeld zu gewährleisten.

Streitereien oder eben Konflikte sind per se nichts Schlechtes, sie können sowohl negative als auch positive Auswirkungen auf ein Unternehmen haben. Wenn sie richtig gehandhabt werden, können Konflikte zu Kreativität, Innovation und Verbesserung der Arbeitsprozesse führen. Ungelöste oder schlecht gehandhabte Konflikte hingegen können die Produktivität beeinträchtigen, die Arbeitsmoral senken und sogar zu einem erhöhten Mitarbeiterwechsel führen.
Laut unterschiedlichen Studien, unter anderem laut der umfangreichen, etwas älteren Studie von KPMG aus dem Jahr 2009 gehen in etwa 10 – 15 % der Arbeitszeit in jedem Unternehmen für Konfliktbewältigung drauf. Führungskräfte wenden sogar 30 – 50 % ihrer wöchentlichen Arbeitszeit für die Bewältigung von Konflikten oder deren Folgen auf.

In der Literatur werden häufig vier verschiedene Konfliktarten unterschieden:

  • Zielkonflikte
  • Wertekonflikte
  • Verteilungskonflikte
  • Beziehungskonflikte

Zielkonflikte: Manchmal haben Mitarbeiter oder Abteilungen unterschiedliche oder sogar gegensätzliche Ziele. Zielkonflikte können dazu führen, dass sich die Parteien in verschiedene Richtungen bewegen, was zu Spannungen und Konflikten führt.
Wertekonflikte treten auf, wenn Mitarbeiter oder Teams unterschiedliche Wertvorstellungen, Glaubenssysteme, ethische Grundsätze oder Normen haben. Diese Differenzen können zu Meinungsverschiedenheiten und Spannungen führen, insbesondere, wenn sie sich auf Entscheidungen und Handlungen am Arbeitsplatz auswirken.
Verteilungskonflikte entstehen, wenn Ressourcen, Belohnungen, Anerkennung oder Verantwortlichkeiten innerhalb eines Unternehmens ungleich verteilt sind oder als ungleich wahrgenommen werden.
Beziehungskonflikte entstehen aus persönlichen Meinungsverschiedenheiten, negativen Emotionen oder zwischenmenschlichen Problemen zwischen Mitarbeitern oder Gruppen. Diese Konflikte können die Zusammenarbeit, Teamdynamik und Produktivität erheblich beeinträchtigen.
TRAiNiNG hat für diesen Artikel mit drei Kommunikationsexperten gesprochen. Diese Wissen, wo es im Unternehmen das größte Konfliktpotenzial gibt:

Patrick Nini (Kommunikationstrainer & Konfliktcoach): »Verschiedene Faktoren befeuern Konfliktherde, wie zum Beispiel Prozesse, Ressourcen, die Funktion und Rolle der Mitarbeiter, das vorherrschende Klima, die Ziele des Unternehmens, aber vor allem auch widersprüchliche Werte von Mensch, Gruppe oder Organisation. Insbesondere Wertespannungen bieten ein enormes Konfliktpotenzial. So müssen Accounting und Vertrieb schon unterschiedliche Werteausprägungen haben. Der Vertrieb darf gerne kreative Lösungen in der Akquise probieren. Im Jahresabschluss wären diese aber höchst unerwünscht. Konflikte sind Symptome, die den Gesundheitszustand der Organisationskultur aufzeigen.«

Christian Fuchs (Geschäftsführer KICK OFF Management): »Das größte Konfliktpotenzial lauert dort, wo unterschiedliche Abteilungen diametral unterschiedliche bzw. nicht ineinandergreifende Ziele verfolgen. Weiters in hoch diversen Teams, die Diversität nicht nützen, um Kohäsion herzustellen, sondern die Unterschiede als Hemmschuh in den Vordergrund stellen. In Managementteams entstehen Konflikte, wenn diese nicht abgestimmt sind und unterschiedlich in die Organisation wirken. In Teams entstehen Konflikte dann, wenn keine Klarheit über Ziele, Regeln der Zusammenarbeit, die Fähigkeiten der Kollegen, die Ressourcen etc. vorhanden sind. In Industrieunternehmen gibt es klassische Konflikte zwischen Operation, Produktion und Vertrieb, wenn die jeweiligen Manager nicht perfekt abgestimmt sind.«

Helga Steiner (Geschäftsführung STEINER Consulting): »Ob es sich nun um einen zwischenmenschlichen oder einen organisatorischen Konflikt handelt, die Ursache für Unstimmigkeiten liegt oft in Missverständnissen, die auf mangelnde Kommunikation zurückzuführen sind. Schnittstellenübergreifende Themen oder standortübergreifende Zusammenarbeit und natürlich seit der Pandemie auch Home-Office oder Remote Working verstärken die Problematik. Neben der geografischen Entfernung sind auch sprachliche und kulturelle Barrieren immer wieder Auslöser von Konflikten. Wichtig ist, dass Führungskräfte bei Konflikten nicht wegschauen. Ihre Aufgabe ist es, Unstimmigkeiten frühzeitig zu erkennen, die Situation objektiv zu beurteilen und sofort zu handeln. Aus meiner langjährigen Erfahrung kann ich sagen, dass Führungskräfte oft selbst Auslöser von Konflikten sind. Wenn sie nicht klar und zeitgerecht kommunizieren, nicht rechtzeitig entscheiden oder im schlimmsten Fall gar nicht entscheiden, führt das zu Unzufriedenheit, Stress und Konflikten.«

Konflikte vermeiden

Proaktives Konfliktmanagement bedeutet, mögliche Konflikte frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu vermeiden oder zu minimieren. Unternehmen können einige Maßnahmen setzen, um ein proaktives Konfliktmanagement zu fördern bzw. um Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen.

  • Klare Kommunikation: Offene und ehrliche Kommunikation über Erwartungen, Ziele und Arbeitsanweisungen kann Missverständnisse vermeiden, die zu Konflikten führen können.
  • Teambuilding: Regelmäßige Teambuilding-Aktivitäten können dazu beitragen, Vertrauen und Zusammenhalt unter den Mitarbeitern aufzubauen und ein besseres Verständnis für die Stärken und Schwächen der Kollegen zu entwickeln. Wer einmal gemeinsam etwas Spannendes erlebt hat, gemeinsame Erfolge gefeiert hat und vielleicht sogar gemeinsam gelacht hat, wird weniger schnell in Konflikte geraten als mit nahezu fremden Personen.
  • Schulungen im Bereich Konfliktmanagement und Kommunikation können Mitarbeitern dabei helfen, ihre Fähigkeiten in Bezug auf Konflikte zu verbessern.

Helga Steiner gibt wertvolle Tipps zur Konfliktvermeidung: »Wichtig sind klare Funktions- und Prozessbeschreibungen und eine gelebte Informationsarchitektur. Wenn bekannt ist, wer für welche Aufgabe zuständig ist, wie und bis wann diese zu erledigen ist, wo die notwendigen Informationen zu finden sind und die wichtigen Schnittstellen klar definiert sind, kann viel Konfliktpotenzial vermieden werden.
Zentral ist auch eine geregelte Kommunikations- und Austauschstruktur, die ein straffes Projektmanagement und regelmäßige Abstimmungen beinhaltet – ein einheitlicher Wissensstand ist für ein konfliktfreies Arbeiten unerlässlich.«

Patrick Nini setzt auf Respekt und Wertschätzung: »Um Konflikten vorzubeugen, ist Respekt das wirksamste Mittel. Respektvolles Verhalten kann erlernt und von Führungskräften vorgelebt werden, setzt allerdings voraus, dass man die anderen wirklich verstehen möchte. Häufig führt fehlender Respekt bei Zielkonflikten zu Beziehungskonflikten, die schwieriger zu lösen sind. Zielkonflikte sind jedoch nicht per se schlecht, da sie helfen, die beste Lösung zu finden. Beziehungskonflikte hingegen finden auf der persönlichen Ebene statt und können nur schwer gelöst werden, wenn man die eigenen Gefühle und Bedürfnisse nicht ausdrücken kann.«

»Prävention ist die beste Intervention!«, meint Christian Fuchs. »Konkret bedeutet das, dass sich das Management-Team perfekt in puncto Ziele und Auftreten abstimmt.«

Auswirkungen von Home-Office

Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt haben immer mehr Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Pandemie hat den Rest erledigt. Das Home-Office bringt jedoch auch neue Herausforderungen im Bereich des Konfliktmanagements mit sich.

Christian Fuchs über die Auswirkungen: »In Remote-Teams ist die Konfliktvermeidung höher. Die Menschen verstecken sich hinter der Kamera und sprechen die Themen nicht an, die sie sonst ansprechen würden. Wenn Regeln der Zusammenarbeit nicht klar sind, sind Remote-Teams tickende Zeitbomben!«

Helga Steiner: »Wichtig ist, regelmäßige kurze Abstimmungen einzuplanen, damit alle Mitarbeiter auf demselben Wissensstand sind und ein zügiges Arbeiten auch bei geografischer Distanz gut funktioniert. Die Lösung von Konflikten gestaltet sich bei Telearbeit schwieriger, als wenn sich die betroffenen Personen persönlich gegenübersitzen. Dies liegt unter anderem daran, dass nonverbale Signale fehlen oder häufiger missinterpretiert werden.«

Konflikte mit Kunden

»Der Kunde ist König«, hat man früher gesagt. Heutzutage versucht man sich meistens, besonders im B2B, auf Augenhöhe zu treffen. Verkäufer treten partnerschaftlich auf und unterstützen ihre Kunden häufig auch jenseits der gekauften Produkte oder Leistungen. Konflikte mit Kunden können in jedem Unternehmen auftreten und sich negativ auf den Ruf, die Kundenzufriedenheit und das Geschäftsergebnis auswirken. Unsere Experten geben einige Strategien zur Bewältigung und Vermeidung von Konflikten mit Kunden:

Helga Steiner: »Persönliche Gespräche mit enttäuschten, verärgerten oder unentschlossenen Kunden sind oft eine große Herausforderung. Mein Tipp lautet hier immer: Cool bleiben und im ersten Schritt einfach zuhören, was die Kunden zu sagen haben. Erst dann sind sie bereit, selbst zuzuhören. Wer ruhig bleibt, souverän reagiert und sachlich antwortet, nimmt den Kunden den Wind aus den Segeln und kann sie (wieder) für sich gewinnen.«

Patrick Nini: »Zunächst würde ich mich fragen, was hinter dem Verhalten steckt, und was die Kunden – womöglich mit Nachdruck – zum Ausdruck bringen möchten? Wahrscheinlich fühlen sich die Kunden nicht ausreichend verstanden, oder ihre Bedürfnisse werden nicht erfüllt. Wenn ich ihre Anliegen oder gar ihre Trigger herausgefunden habe, kann ich möglicherweise auch mein eigenes Verhalten anpassen, damit Situationen nicht so schnell eskalieren. Meistens hören wir nur zu, um zu antworten, und nicht, um zu verstehen. Daher sollten Sie bewusst zuhören, um das Anliegen der Kunden zu verstehen und um die Kunden wahrzunehmen. Dadurch können Sie die Beziehungsebene leichter wiederherstellen, denn wenn diese intakt ist, sind die Probleme auf der Sachebene leichter zu lösen.«

Externe Hilfe

Manchmal ist der Konflikt schon so verhärtet, dass sich keine schnelle Lösung mehr finden lässt. In so einem Fall ist es eine Möglichkeit, sich externe Hilfe, zum Beispiel von Mediatoren, zu holen.

Christian Fuchs weiß, wann das der Fall ist: »Wenn die Situation emotional so hoch verfahren ist und sich auf der Eskalationsstufe 3– 5 befindet, sodass die Personen nicht mehr in sozial akzeptabler Form in Kommunikation gehen können; wenn der Wertekonflikt, Glaubenskonflikt bzw. Vertrauensmissbrauch die Beziehung so belastet und keine Kommunikation mehr möglich ist – dann ist es sinnvoll, externe Mediatoren zu engagieren.«

Patrick Nini über die Arbeit von Mediatoren: »Mediatoren helfen den Konfliktpartnern, wieder miteinander zu kommunizieren. Sie sind allparteilich und unterstützen dabei, die andere Sichtweise zu verstehen und in einem weiteren Schritt die eigenen Gefühle und die des Konfliktpartners zu erkennen und zu spüren. Dadurch kommen die Konfliktpartner dem unerfüllten Bedürfnis näher, das hinter dem Konflikt steht. Erst wenn sich die Konfliktpartner in die Situation des Gegenübers hineinfühlen können, sind gemeinsame und nachhaltige Lösungen, die unerfüllten Bedürfnisse befriedigen, möglich. Sie sind nachhaltiger, weil man das Gegenüber nun auf einer viel tieferen Ebene versteht und die Lösungsvorschläge nun aus freien Stücken entstehen können.«

Fazit
Es gibt verschiedene Konfliktarten, die durch unterschiedliche Herangehensweisen gelöst werden können. Richtige Kommunikation und echtes Zuhören können viel zur Konfliktvermeidung oder -lösung beitragen. Wenn alle Konfliktparteien nur mehr emotional sind, können externe Mediatoren oft helfen. Die Art, wie Konflikte gelöst werden, zeigt etwas über den »Gesundheitszustand« der Organisation.

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