Lernen mit mobilen Technologien

In diesem Artikel lesen Sie wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Mobile-Learning und worauf Unternehmen und Lernende dabei achten sollten.

Zunächst einmal sei klargestellt, dass Lernen nicht in mobilen Endgeräten stattfindet, sondern in der Person selbst. Jegliche Technik kann also nur Hilfsmittel sein. Das erste technische Hilfsmittel dieser Art war wohl der Buchdruck, vor dem Sokrates bekannter Weise warnte, denn Informationen nicht im Gedächtnis, sondern woanders aufzubewahren, führte seiner Ansicht nach zu einer Distanzierung von der eigenen Erkenntnis. Durch Computer und E-Mail wurde diese Distanz noch um ein Vielfaches erhöht, indem z. B. Dateien versendet und an entfernten Orten bearbeitet werden können (Distance Learning, D-Learning). Elektronische Medien, wie Internet, Intranet, Audio und Video etc. führten zum E-Learning. Die Verbreitung von Smartphone und Tablets etc. macht es möglich, Lernmaterialien überall und jederzeit, kabellos und portabel zu erhalten (Mobile-­Learning, M-Learning). Mit weiteren Begriffsfindungen dürfen wir rechnen. Der mobile Lernprozess ist jedenfalls sowohl ein pädagogischer als auch ein technischer.

Anwendung in Organisationen

In DACH-Organisationen nutzen laut einer Umfrage von Statista (2019) ca. 30 % M-Learning, 40 % nutzen es noch nicht, 30 % planen eine Nutzung, 0,3 % haben mit der Nutzung aufgehört.
Geschätzt werden die örtliche und zeitliche Flexibilität, und die Lernerzentrierung. Fehlt die Infrastruktur, erscheinen die Kosten zu hoch oder sind Lerninhalte nicht kompatibel, wird von einer Nutzung abgesehen. Besonders beliebt sind derzeit der Einsatz von mobilen Apps, Micro Learnings, (Erklär-)Videos, Blended Learnings und Webinaren. Ziele der Organisationen sind unter anderem die Steigerung der Lernmotivation und ein hoher Lerntransfer, d. h. die Anwendung des erlernten Wissens und der Fähigkeiten im Arbeitskontext. Studien belegen, dass ca. 40 % der Teilnehmer nach absolvierten E-Learning-Programmen keine entsprechende Performance zeigten. Es besteht Hoffnung, dass M-Learning Abhilfe schaffen kann.

Direkte Voraussetzung für den Lerntransfer ist der Lernerfolg, also dass etwas – hier mit Hilfe mobiler Technologien – erlernt wurde. Die drei wichtigsten Einflussgrößen für den Lernerfolg und letztendlich den Lerntransfer sind die Merkmale der Lernenden, das Trainingsdesign und die Arbeitsumgebung.

Merkmale der Lernenden: Mitarbeitende sind eher dazu bereit, mobile Lerntechnologien anzuwenden, wenn diese flexibel und selbstgesteuert angewendet werden können und wenn sie funktional und anwenderfreundlich sind. Anwendungen, die die Neugier und den Spieltrieb wecken können, werden ebenfalls gerne angenommen, insbesondere in informellen Lernumgebungen. In formellen Lernsettings spielt es eine Rolle, welche Leistungserwartung den Lernenden antreibt und ob diese durch die M-Learning-Anwendung befriedigt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass Spielfreude nicht gleich Leistungsantrieb und das Erreichen von (organisationalen) Zielen bedeutet. Lernende wollen jedenfalls ernst genommen werden, entsprechend ihrer präferierten Lernstile lernen und die Vermischung von Beruflichem und Privatem vermeiden.

Effektives Trainingsdesign: Ein effektives Trainingsdesign ist ein Schlüssel zum Lernerfolg. M-Learning-Komponenten sind die mobilen Lerninhalte, die (Multimedia-)Lernsoftware und das mobile Lerngerät, wie z. B. kleine tragbare Computer und Smartphones.

  • Mobile Lerninhalte: Technologie ist dann wirksam, wenn das pädagogische Konzept wirksam ist. Die Qualität von M-Learning-Designs bezieht sich daher auf die Lerninhalte, die an die organisatorischen Lernziele angekoppelt und berufsrelevant sein sollten. M-Lern-Programme haben den Vorteil, dass Lernende in der Regel selbst entscheiden können, in welchem Tempo und wie häufig sie etwas lernen. Ist das Lernprogramm zudem leicht nachzuvollziehen und für den Lernenden relevant, erfahren sich diese als selbstwirksam und kompetent, und neigen eher dazu, Gelerntes am Arbeitsplatz anzuwenden. Forschungsergebnisse belegen jedoch auch, dass das Verständnisniveau beim Lesen von Materialien am Bildschirm im Vergleich zu Papiermaterialien deutlich geringer ist. Kindle & Co schaffen hier Abhilfe, allerdings fehlt auch hier der kinästhetische Aspekt des Erlebens.
  • Lernsoftware: Aus pädagogischer Perspektive geht der Entwicklung der Lernsoftware eine Analyse der Nutzenden u. a. nach Alter, sozialem Hintergrund, Wissensstand in Bezug auf mobiles Lernen und möglichen Hinderungsfaktoren voraus. Zudem sollte die mobile Lernsoftware den Benutzern ermöglichen, miteinander zu interagieren oder die virtuelle Umgebung nach ihren Bedürfnissen zu personalisieren. Dies kann jedoch zu einer erhöhten Selektivität führen, da Inhalte leichter übersprungen und  ausgeblendet werden können. Dadurch werden die Kreativität, die kritische Betrachtung von Inhalten und das Entwickeln von neuen Zusammenhängen eingeschränkt. Software sollte dieser Selektivität entgegenwirken können.
  • Mobiles Lerngerät: Zu den technischen Eigenschaften gehören physikalische Eigenschaften des Geräts wie Gewicht, Abmessungen, Art des Bildschirms, das Betriebssystem und Benutzerschnittstellen, die es ermöglichen, mit anderen Lernenden zu interagieren. Qualitätskriterien sind hier insbesondere die Ladezeit, die Pfadlänge zu den gesuchten Inhalten, die einfach nachvollziehbare Anwendungsweise und die Vermeidung von Sackgassen in der Anwendung. Allerdings fördert das hohe Tempo die Tendenz zum Multitasking, bestehend aus einer Wechselbereitschaft zwischen Webseiten und verschiedenen Geräten. Im Ergebnis können Anwender nicht mehr zwischen wichtigen und unwichtigen Reizen unterscheiden und damit später auch Schwierigkeiten haben, wichtige Informationen abzurufen oder relevantes Wissen neu mit anderen Informationen zu verbinden.

Förderliche Arbeitsumgebung: Personalentwickler und Vorgesetzte sollten daher Lernende unterstützen, den Lernprozess weiterzuführen, zu evaluieren und entsprechend organisatorisch sinnvolle Lernpläne zu erstellen. Unterstützung im Team, Feedback, die Verfügbarkeit von mobilen Lerngeräten und Lernsoftware, sowie die Möglichkeit, Erlerntes am Arbeitsplatz umzusetzen, wirken ebenfalls förderlich. Es gibt Stimmen, die, statt für Investitionen in Spitzentechnologie, für die Schaffung von Belohnungs- und Vergütungssystemen plädieren, um die Motivation der Lernenden zum Lerntransfer zu fördern. Des Weiteren bedürfen Lernende mehr Unterstützung, um autonomes Lernen zu erlernen und auch die Freiheit zu entscheiden, ob sie mobile Anwendungen nutzen wollen oder nicht.

Fazit

Sie können ein Lernspiel über das Schwimmen spielen und dann sollten Sie das Schwimmen gleich probieren, nicht im Schwimmbad (bzw. im geschützten Seminarraum), sondern im See. Unternehmen müssen hier Raum für eine Lernbegleitung bieten und das zugrunde liegende pädagogische Konzept sollte entsprechend ausgelegt und technisch umgesetzt sein. Gelingt das, kann M-Learning zum Erfolg werden.

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Gastautorin
Steffi Bärmann
Academic ­Coordinator Human Resources ­Development, Training & Coaching, ­Department of Management, Human Resources & ­Organisation Study Programs, FHWien der WKW.
steffi.baermann@fh-wien.ac.at