Mensch oder Maschine

Künstliche Intelligenz im HR, Cloudlösungen, Fachkräftemangel und vieles mehr sind Themen, die HR derzeit und sicherlich auch in Zukunft beschäftigen. Worauf sich Personalisten jetzt einstellen sollten, lesen Sie in diesem Artikel.

Ein Trend beschreibt eine erkennbare Richtung einer Entwicklung, bzw. eine starke Tendenz. Mache Trends halten sich nur kurz, andere bleiben und entwickeln sich weiter. Wie schnell sich Unternehmen an Trends anpassen, ist ganz unterschiedlich. Manche Unternehmen beginnen jetzt mit mobil optimierten Karriereseiten und fühlen sich damit am Puls der Zeit, obwohl das schon längst State of the Art sein müsste und kein neuer Trend mehr ist. Andere beschäftigen sich schon intensiv mit KI und Chatbots, z. B. im Recruiting, und machen hier die ersten Erfahrungen. In einer Zeit, die immer schneller wird, kommen und gehen Trends auch  immer schneller und schneller. Demnach kann natürlich keiner auf jeden Zug aufspringen. Die Kunst ist es, zu erkennen, welche Trends zukunftsträchtig sind und welche nicht. Hier sind HR und PE gefragt, sich regelmäßig über neue Entwicklungen, neue Tools, neue Start-ups zu informieren. Neue Technologien und Trends brauchen Zeit, um sich zu manifestieren, um angenommen oder abgelehnt zu werden. Häufig hört man von Mitarbeitern aus dem HR, sie hätten keine Zeit, um sich um all das zu kümmern, das Daily Business verlange zu viel ab. Diese Einstellung hat schon einigen Unternehmen »das Leben gekostet«. Nur wer Zeit findet, um sich der Zukunft zu widmen, wird auch in ihr bestehen können.
Manche Vertreter der älteren Generation lehnten Mitte der 90er das Internet ab, auch viele Unternehmen widersetzten sich lange dem Trend, eine Firmen-Website anzulegen. Andere waren hier schneller und hatten so für einige Zeit einen großen Wettbewerbsvorteil. Für etliche der älteren Generationen ist es bis heute schwierig, mit Computern und dem Internet umzugehen, weil sie es vor längerer Zeit verabsäumt hatten, mit dem damaligen Neuen mitzugehen. Diese erkennen heute nur Nachteile, sogar im täglichen Leben.
Damit Ihnen das nicht passiert, hat TRAiNiNG recherchiert und bei vier Experten aus unterschiedlichen HR-Richtungen nachgefragt, welche Themen aktuell »heiß« sind. Hier lohnt es sich, am Ball zu bleiben.

HR-Themen heute

Thema Nummer 1 ist die Digitalisierung, auch wenn dieses Wort niemand mehr hören oder lesen möchte. Neue Technologien im Recruiting, Automatisierung von HR-Prozessen und Künstliche Intelligenz wie z.B. Watson von IBM verändern die HR-Arbeit massiv. Auch in der PE verändert die Digitalisierung die Ansprüche, bzw. die Möglichkeiten. Blended Learning ist nicht mehr nur eine Möglichkeit, sondern fast zur Regel geworden. Auch Lernen muss schneller und bedarfsorientierter werden, dafür bieten sich digitale Lernmodelle perfekt an.
Genauso am Vormarsch ist das Thema Mobilität und Verantwortung. Über die neuen technischen Entwicklungen ist es möglich geworden, arbeitsplatzunabhängig zu arbeiten. HR muss dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und flexibel auf die Ansprüche der Mitarbeiter eingehen. Das stellt für viele derzeit noch eine große Herausforderung dar.
Fachkräftemangel, Mitarbeitergewinnung und modernes Recruiting ist bereits seit einigen Jahren ein Dauerbrenner, der HR auch noch länger beschäftigen wird.

Rudi Bauer (Geschäftsführer StepStone Österreich) über die Trends und Themen im Recruiting: »Zum einen sind das die üblichen Probleme: Genügend und vor allem geeignete Kandidaten für offene Stellen zu finden. Zum anderen erhöhen immer neue technische Entwicklungen aber den Zeitdruck bei der Stellenbesetzung. Und nicht zuletzt wird der Arbeitsmarkt immer komplexer: Auf der einen Seite stehen Massenbewerbungen, die zeitnah gesichtet und aussortiert werden wollen. Auf der anderen Seite geht es um die Suche nach ganz spezifischen Fähigkeiten und Talenten, die oft viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt. Da braucht es seitens der Recruiter ständig aktualisiertes Know-how – und viel Fingerspitzengefühl.«

Thomas Olbrich (Chief Culture Officer bei ­karriere.at) beschreibt die aktuelle Situation am Bewerbermarkt: »Der Bewerbermarkt hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend und rasant geändert und damit auch umfassend die Anforderungen an HR. Die Aussage ›Heutzutage bewerben sich Unternehmen um Kandidaten und nicht umgekehrt‹ hat mehr Gültigkeit denn je. Besonders viele Ressourcen investieren Personalentscheider in die Rekrutierung von IT-Fachkräften, vor allem Developer. Die Situation wird sich auf absehbare Zeit mit Sicherheit nicht entschärfen. Ein Trend, der ebenfalls stark zunehmen wird, ist das internationale Recruiting – auch unter Einbindung externer Partner. Um den Job zu bekommen, der rundum ihren Vorstellungen entspricht, sind viele Kandidaten bereit, buchstäblich die Extra-Meile zu gehen. Für den perfekten Arbeitsplatz sind oft tausende Kilometer Entfernung kein Hindernis. Diese hohe Mobilität sorgt definitiv für zusätzlichen Aufwand bei HR-Verantwortlichen. Wenn dadurch aber Schlüsselpositionen besetzt werden können, ist es das allemal wert.«

Im Sinne eines Employer Brandings gibt es auch bei der Auflösung von Dienstverhältnissen einige Trends. Denn durch immer kürzere Verweildauern im Unternehmen ist auch dieser Prozess zu optimieren.

Erich Nepita (Managing Partner bei Lee Hecht Harrison/OTM Karriereberatung): »Ich erkenne ganz klar zwei Trends: 1. Mitarbeiterabbau ohne Arbeitsgerichtsprozesse oder anderer Schäden für die Arbeitgebermarke – insbesondere in den Bereichen Automotive, Pharma und Finanz. Dabei geht es auch darum, gekündigte Mitarbeiter später wieder einstellen zu können (z. B.: Boomerang-Strategie für Techniker, die später wieder gebraucht werden).
2. Mehr internationale Entsendungen von Expats gekoppelt mit Double Career und Repatriation Erwartungen. Menschen sind an erfüllenden Aufgaben interessiert, und das natürlich auch im Ausland. Die fehlende Garantie zur Rückkehr ins entsendende Unternehmen kann durch externe Jobalternativen abgefedert werden.«

Veronika Aumaier (Geschäftsführerin Aumaier Consulting Training GmbH) kennt aus ihrer beratenden Tätigkeit noch weitere aktuelle organisatorische Themen: »Human Resources steht in naher Zukunft vor einigen spezifischen Herausforderungen: 1. Zentralisierung durch Cloudlösungen in der Payroll und in HR-Services. 2. Mangel an Fach- und Führungskräften. 3. Individualisierung der Qualifizierung durch erhöhte Anspruchsniveaus und agile Arbeitswelten. Das bringt für Human Resources weitreichende organisatorische Anpassungsbedarfe: Outsourcing von HR-Experten, Stärkung der Business-Partner-Rolle und Arbeitsgemeinschaften mit externen Dienstleistern.«

Das richtige Managen von Talenten ist ebenfalls ein Kernthema der aktuellen Zeit. Zu wissen, was die eigenen Mitarbeiter alles können und was sie wollen, ist Gold wert, um diese zu halten. Nur so kann das Unternehmen das gesamte Potenzial der Belegschaft nutzen und diese sich auch entfalten. Hier gilt es, richtig mit den Daten der Mitarbeiter umzugehen, sowohl rechtlich als auch organisatorisch. Gerade in diesem Bereich gibt es einige innovative Unternehmen und Start-ups, die Lösungen dafür anbieten. So z. B. das Unternehmen myVeeta (www.myveeta.com).

Weitere aktuelle Themen sind das betriebliche Gesundheitsmanagement, die positive Gestaltung des »Employee Experience«, Diversity-Management, Führungskräfte-Entwicklung, Arbeitsplatzgestaltung und Mitbestimmung der Mitarbeiter.

HR-Themen der Zukunft

Und was kommt in den nächsten 5 Jahren auf die HR-Abteilungen zu? Wird alles noch mehr von Robotern übernommen? Braucht es überhaupt noch eine HR-Abteilung? Wenn ja, in welcher Rolle?
HR wird immer mehr zum hauptverantwortlichen Gestalter der modernen Arbeitswelt. Das werden auch in Zukunft noch keine Roboter machen können. Administrative Tätigkeiten werden immer mehr von Maschinen übernommen werden, genau darum muss sich aber HR kümmern. So kann Geld und Zeit gespart werden, um sich den Aufgaben zu widmen, die nicht automatisiert werden können.

Thomas Olbrich über die Aufgaben von HR in Zukunft: »Die verschiedenen Formen des (Zusammen-)Arbeitens werden sich noch mehr in Richtung Kooperation entwickeln. Ein Change, der bereits feststellbar ist, wird sich weiter verstärken: weg von Führung als Freigabemanagement hin zu ›Leadership as a conversation‹. Dazu kommt das Führen diverser und virtueller Teams, was wiederum umfangreiche Change-Prozesse und den Aufbau entsprechender Kompetenz und Haltung notwendig macht. Marketing und HR werden enger zusammenwachsen – Stichwort: Employer Branding als Werbemaßnahme und Kulturarbeit gleichermaßen. Was dabei vor allem zählt: Persönlichkeit, Authentizität und Glaubwürdigkeit. Es darf nie außer Acht gelassen werden, dass Markenarbeit das gesamte Unternehmen umspannt und betrifft. Culture und damit auch der Cultural Fit werden in Zukunft noch wichtiger. Im Recruiting muss man jedenfalls darauf vorbereitet sein, dass sich immer mehr Kandidaten ihren Arbeitgeber nach sinnstiftenden Aspekten aussuchen werden. Im Umkehrschluss heißt das: Die menschliche Qualifikation wird verglichen mit der fachlichen weiter an Bedeutung gewinnen.«

Veronika Aumaier beschreibt, wie eine HR-Abteilung in einigen Jahren aussehen könnte: »Human-Resources-Abteilungen werden sich in wenigen Jahren durch umfangreiche organisatorische und kulturelle Unternehmenstransformationen weitreichend neu organisiert haben: Pay Roll und HR-Services sind in Konzernen zentralisiert, da die Rahmenbedingungen der Dienstverhältnisse weitgehend standardisiert sind und daher über automatisierte Programme und Prozesse leicht abzubilden sind. Im KMU-Bereich sind sie zu Steuerberatern oder einschlägigen Dienstleistern outgesourct, da das Know-how bei einem sehr kleinen Mitarbeiterstab von 1 bis 3 Mitarbeitern nicht länger dauerhaft State of the Art gesichert werden kann. HR-Abteilungen bestehen nur mehr aus HR-Business-Partnern, die ihren Führungskräften als interne Berater und Sparringpartner uneingeschränkt zur Verfügung stehen. In Konzernen können sich Tandemführungen etablieren, wobei die fachliche Führung von der Linie, die disziplinäre Führung vom HR-Business-Partner ausgeübt wird. Eine Vielzahl an externen Dienstleistern arbeitet den HR-Business-Partnern zu und liefert maßgeschneiderte Lösungen für organisatorische und strukturelle Veränderungen oder Transformationen von Führungskräften und Kulturen.«

Rudi Bauer über das Recruiting der Zukunft: »Die Rekrutierung neuer Mitarbeiter ist und bleibt ein menschlicher Prozess. Das heißt, dass Automatisierung immer bis zu einem gewissen Grad vom Menschen steuerbar bleiben muss, gerade wenn es um ethische und moralische Fragestellungen geht. Allerdings können quantifizierbare Aufgaben, die mit einer großen Menge an Daten arbeiten, in Zukunft durchaus von der Künstlichen Intelligenz übernommen werden: Ob es um das Vorab-Matching von Bewerbern geht, die zeitnahe Information der Kandidaten im Bewerbungsprozess, den Abgleich und das Verteilen von Wissen im Unternehmen oder auch juristische Aspekte, die nicht über das übliche Prozedere hinausgehen. Daneben bleibt aber immer noch der Mensch, der auf sein Bauchgefühl vertrauen muss – und damit sicherstellt, dass auch in Zukunft Kandidaten ins Boot geholt werden, die ideal zu ihrem künftigen Team passen.«

Erich Nepita beschreibt die Themen der Zukunft: »HR wird seine Rolle immer besser verstehen und mehr ins Gesamtunternehmen eingebunden sein. Die HR-Arbeit wird in Zukunft gekennzeichnet sein durch:

  • Kontinuierliches, selbstgesteuertes Lernen
  • Digitale Intelligenz gepaart mit emotionaler Kompetenz
  • Diversity, nicht nur Frauenförderung, auch Altersunterschiede, werden mit Inclusive Management bearbeitet
  • Wissenserkenntnis, nicht das Jobprofil des Mitarbeiters steht im Mittelpunkt
  • Career Transition, wird zu einem ständigen neuen Ausrichten der Aufgaben und Rollen
  • Investitionen in Employer Branding: Arbeitgebermarke wird fixer Bestandteil der Produktmarke, daher intensive Zusammenarbeit mit Marketingabteilung.«

Fazit:

Die Relevanz von HR ist in den letzten Jahren schon massiv gestiegen und dieser Trend scheint sich fortzusetzen. Durch die Gestaltung und Anpassung der Arbeitsbedingungen und -prozesse kommt HR eine zentrale Rolle im Unternehmen zu. Die Anforderungen gilt es heute und in Zukunft zu erfüllen. Dafür lohnt es sich, am Ball zu bleiben und sich regelmäßig über neue Entwicklungen zu informieren. Denn nur dann ist man auf die Trends, die zur Gewohnheit werden, optimal vorbereitet.
HR ist gefragt, sinnvolle langfristige Maßnahmen zu setzen und nicht nur kurzfristige Kosmetik zu betreiben. Nur 11 % (Quelle: Deloitte) der Unternehmen fühlen sich für die Zukunft im Personalwesen gut aufgestellt und nur 22 % glauben, dass ihre gegenwärtigen HR-Systeme effizient genug sind, um auch in der nahen Zukunft zu bestehen.
Es besteht also dringend Handlungsbedarf: Die richtigen Trends erkennen, Chancen analysieren und handeln sind gefragt.

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