Neue Wege im Recruiting

Das Recruiting zählt zu den Königsdisziplinen für HR-Manager. Die passenden Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt verfügbar zu haben, ist das Ziel. Wie Sie an die richtigen Kandidaten kommen, was sich in den nächsten Jahren ändern wird und einige Tipps für das Bewerbungsgespräch lesen Sie in diesem Artikel.

»Die Machtverhältnisse zwischen Unternehmen und Mitarbeitern werden sich in den nächsten 10 Jahren drastisch verändern. Durch den prognostizierten demografischen Wandel werden Fachkräfte und geeignete Kandidaten rar. Unternehmen müssen sich etwas einfallen lassen, um gute Leute zu bekommen.«

Trotz vieler Artikel und Meldungen, die genau das behaupten, bekommen Recruiter nach wie vor zahlreiche Bewerbungen für Stellen, bei denen oftmals nur ein Kandidat gesucht wird. Es gibt Studien, die behaupten, dass es in Österreich nicht zu einem Arbeitskräftemangel kommen wird, sondern dass sich die einschlägigen Studien im Großen und Ganzen nur auf Deutschland beziehen.

Bei einer Fülle an Bewerbungen geht es darum, stets eine effiziente Vorselektion durchzuführen und dann im persönlichen Gespräch herauszufinden, ob der Kandidat zum Unternehmen passt. Aber dazu später mehr.

Besonders um an die junge, technologieaffine Generation heranzukommen, gibt es unterschiedliche Plattformen. Das Karrierenetzwerk LinkedIn hat beispielsweise in den USA schon einen Marktanteil von über 40 % bei den Menschen, die online nach einem Job suchen. Facebook bringt es dort immerhin auf 10 %. Eine Entwicklung, die auch in Deutschland und Österreich weiter zunehmen dürfte. Am heimischen Markt spielt Xing eine noch größere Rolle.

Mobile Recruiting

Mobile Recruiting ist ein Trend, der nach wie vor weiter an Relevanz zunimmt, daher dürfen ein paar aktuelle Zahlen bei einem Artikel über Recruiting der Zukunft nicht fehlen. Bereits 2013 gaben in der Google Studie »Our mobile Planet« 27 % der Österreicher an, mit ihrem Handy nach Stellenanzeigen gesucht zu haben. Laut einer weiteren Studie von 2015 im Auftrag von karriere.at bevorzugen sogar 23 % das Smartphone für die Suche nach offenen Stellen und 20 % das Tablet. Dem gegenüber stehen die Unternehmen, von denen 25,6 % angeben, dass ihre Karriereseite nicht mobiloptimiert ist (Mobile Recruiting Studie 2015 von Wollmilchsau). Es gibt daher nach wie vor Verbesserungspotenzial seitens der Unternehmen.

A hand holds a smartphone with the text "new job search" on the screen. A business couple in blur is on the background.

Bewerbungsgespräch

Häufig ist zu hören, dass Bewerbungsgespräche unprofessionell ablaufen. Das muss sich in Zukunft ändern, leidet doch der Ruf des Unternehmens darunter. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um kleine oder große Unternehmen handelt. Viele Recruiter behaupten, dass sie im Bewerbungsgespräch schon »spüren«, wer der richtige Mitarbeiter ist. Recruiter (wenn es solche im Unternehmen überhaupt gibt) müssen mitunter ohne besondere Ausbildung oder Schulung den richtigen Kandidaten auswählen. Es werden zwar zahlreiche Seminare dafür angeboten, dennoch fehlt häufig die Bereitschaft, dafür Geld auszugeben. Dass Fehler im Recruiting langfristige, teilweise sehr teure Konsequenzen haben können, wird außer Acht gelassen. Ein Jobinterview ist immer ein spannungsgeladenes Gespräch, und zwar für beide Seiten. Die typischen Themen umfassen Ausbildung/Erfahrung, fachliche Qualifikationen und soziale Kompetenzen. Dabei ist es in der Regel einfacher, über Fachliches zu reden, als über Soft Skills. Experten raten dazu, sich das Verhalten des Bewerbers in konkreten Situationen beschreiben zu lassen. Anstatt der Frage »Sind Sie teamfähig?« bietet sich daher eine Frage an wie: »In welchen Situationen bei Ihrem letzten Arbeitgeber konnten Sie Ihre Teamfähigkeit unter Beweis stellen?« Oder statt »Bilden Sie sich gerne weiter?« die Frage: »Was war einer Ihrer größten Fehler, und was haben Sie daraus gelernt?«

Inhalte von Ausbildungen

Es gibt am Markt genügend Aus- und Weiterbildungen für Recruiter. Typische Seminare bzw. Lehrgänge bieten heutzutage folgende Inhalte und Themenbereiche:

Anforderungsprofile und Stellenanzeigen erstellen

das Management von Bewerbungen

Arbeitsrecht für Recruiter

Online-Recruiting und Social Media

Potenzialanalyseverfahren für Recruiter

Employer Branding

Interviewtraining

Erfolgsmessung im Recruiting

Gehaltsverhandlungen

der richtige Umgang mit Personaldienstleistern, Vor- und Nachteile usw.

Ein Thema, das relativ neu in Österreich für Recruiter angeboten wird, ist Mimikresonanz®, also das Erkennen von kleinsten Expressionen im Gesicht des Bewerbers. Wir haben darüber mit Andrea Khom (Geschäftsführerin ANKH.AT) gesprochen.

Warum ist es für Recruiter wichtig, die Mikroexpressionen vom Bewerber richtig zu deuten?

Andrea Khom: »Gerade in Bewerbungsgesprächen ist es wichtig, rasch in einen guten Kontakt mit den Bewerbern zu kommen. Wenn Menschen entspannt sind, verhalten sie sich viel natürlicher – und gerade dann bekommen Recruiter wertvolle Informationen. Die Vorauswahl, ob der Bewerber rein fachlich für die Stelle qualifiziert ist, wurde ja schon lange vorab getroffen. Das Besondere im Recruiting ist, dass es für die Bewerber um viel geht: neuer Job, besserer Job, überhaupt ein Job, andere Herausforderung, sich vielleicht erfüllende Wünsche, zerplatzte Träume und Hoffnungen. Besonders in Situationen, in denen die Gewinn- oder Verlust-Erwartung für uns besonders hoch ist, versuchen wir sehr kontrolliert zu sein – und doch zeigen wir Emotionen. Sehr kurz, oft auch nur subtil in Form von Mikroexpressionen – das sind extrem kurze und oft feine Emotionsausdrücke im Gesicht – die sich nur für 40 bis 500 Millisekunden zeigen. Diese Mikroexpressionen treten dann auf, wenn jemand eine Emotion verbergen möchte oder sich dessen noch nicht bewusst ist. Mikroexpressionen werden direkt vom Emotionszentrum unseres Gehirns gesteuert. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die meisten Menschen diese Art von Gesichtsausdrücken übersehen. Gerade für den Recruitingprozess ist diese Fähigkeit sehr wichtig und hilft mit, den ›richtigen Bewerber‹ auszuwählen.«

Wird das schon von Unternehmen eingesetzt?

Andrea Khom: »Selbstverständlich wird dieses Wissen schon von Recruitern angewandt. Als wir vor 2 Jahren das Mimikresonanz®-Konzept nach Österreich gebracht haben, waren Recruiter unsere ersten Teilnehmer. Sie haben sofort den Nutzen für ihre Tätigkeit erkannt und geben uns immer wieder Rückmeldungen, dass sie das erlernte Wissen und Können erfolgreich anwenden.«

Wie lange dauert es, bis ein Recruiter seine Fähigkeiten in diese Richtung geschult hat?

Andrea Khom: »Bei allen Mimikresonanz®-Seminaren sind Online-Trainings inkludiert. Jeder Seminarteilnehmer kann so die Emotions-Erkennungs-Fähigkeit trainieren, wann, wo, wie oft und so lange er will – sein ganzes Leben lang.

Studien haben ergeben, dass schon nach nur EINER Stunde Online-Training die Sicherheit in der Emotionserkennung deutlich und messbar steigt. So werden die Recruiter im ersten Schritt immer sicherer im Erkennen von Emotionen oder auch von Stressoren. Sobald sie diese Sicherheit haben, ist es deutlich einfacher, auf die gesehenen und erkannten Signale zu reagieren – ob mit einer wertschätzenden oder kritischen Frage, einer Rückformulierung, um das Gesehene widerzuspiegeln etc. Wie der Recruiter auf eine gesehene Emotion reagiert, hängt natürlich immer von der Situation, dem Kontext, dem Inhalt und den Zielen ab. Mimik-resonanz fördert eine empathischere Kommunikation und ist kein Instrument zur Lügener-kennung. Ein nützlicher Nebeneffekt ist es jedoch, dass Sie Täuschungsmanöver in Gesprächen besser erkennen und die dahinterliegenden Emotionen leichter erkennen.«

Ungenütztes Potenzial

Einige erfolgreiche Recruiter behaupten heute felsenfest, dass es nur um drei Parameter geht, die bei einem Kandidaten wichtig sind. Alles andere sei egal und kann angeeignet werden. Dabei handelt es sich erstens um die Intelligenz, messbar mit standardisierten IQ-Tests. Zweitens um den EQ, also um die emotionale Intelligenz, ebenfalls messbar. Und drittens um die Motivation. Fachwissen, Zeugnisse und Erfahrungen sind diesen Recruitern ziemlich egal, sofern diese drei Faktoren stimmen. Aufgrund des IQs wird man eingestellt, und aufgrund der Motivation und des EQs wird man befördert, bzw. kann Karriere machen.

Nicole Ebhart (Personal- und Unternehmensberaterin) arbeitet mit Geburtsdaten und behauptet, damit das Potenzial eines Kandidaten zu erkennen. Sie hat ihre diesbezügliche Erfahrung auch in die Entwicklung des GeniusReport eingebracht. »Der GeniusReport kann einen professionellen Recruitingprozess nicht ersetzen, sondern ist eine Möglichkeit für den Recruiter, zusätzliche Informationsebenen einzubeziehen«, sagt Ebhart. Wir haben der Personalberaterin dazu ein paar Fragen gestellt:

Wie kann der GeniusReport Unternehmen im Recruiting unterstützen?

Nicole Ebhart: »Der GeniusReport versteht es, nicht nur die individuellen Stärken und Talente eines Menschen zu beschreiben, sondern er ermöglicht es, zwischenmenschliche Dynamiken zu analysieren. Bei der Arbeit mit dem GeniusReport werden Kandidaten also nicht isoliert betrachtet, sondern immer auch im Zusammenspiel mit dem personellen Umfeld, für das rekrutiert werden soll. Das heißt, jeder Recruiter sollte schon bevor er das erste Kandidatengespräch führt die Dynamik und die vorhandenen Talente im bestehenden Team berücksichtigen. Denn unabhängig von der fachlichen Qualifikation bringt jeder Mensch auch eine energetische Wirkung in den Job mit. Diese Wirkung zu analysieren ist der besondere Nutzen dieser Methode.«

Was kostet der Report für Unternehmen?

Durch die Möglichkeit, den GeniusReport-Compact auf www.geniusreport.net kostenlos zu erstellen, kann dieser Ansatz ohne großen Aufwand, parallel zur konventionellen Arbeitsweise des Recruiters, einbezogen werden. Speziell für Bewerber, die in die engere Auswahl kommen, kann dann der ausführliche GeniusReport weitere Detailinformationen liefern. Der ausführliche GeniusReport kostet 125,– € bzw. für unter 25-Jährige 50,– € exkl. MwSt.«

Braucht das Unternehmen dafür eigene Berater oder kann das ein Recruiter selbstständig mit dem Bewerber durchführen?

Nicole Ebhart: »Die ausführlichen Informationen zum GeniusReport auf der Website ermöglichen es jedem Interessierten, den GeniusReport einzusetzen.

Für Recruiter, Personalberater und Personalentwickler ist es sinnvoll, ein GeniusReport-Anwenderseminar zu besuchen. In dieser zweitägigen Ausbildung werden alle Auswertungsteile im Detail vermittelt, sodass die Informationen aus einem GeniusReport bestmöglich interpretiert werden können.«

Zu erwartende Trends

In der Trendstudie: »HR-Management der Zukunft – Personalstrategien für eine Welt der Vollbeschäftigung«, die von 2b AHEAD ThinkTank gemeinsam mit SAP in Auftrag gegeben wurde, beschreiben Experten die Trends, die bis 2025 zu erwarten sind:

Während Großkonzerne sowie deren Dienstleister in den Metropolen zu »fluiden Unternehmen« werden, entwickeln sich die mittelständischen Unternehmen in der Region zu sogenannten »Caring Companies«. Fluide Unternehmen werden laut den Trendforschern professionell im Anziehen und gezielten Wieder-Abstoßen von Projektarbeitern. Caring Companies hingegen definieren die Mitarbeiterbindung neu. Sie entwickeln ein »Corporate Life«, das betriebseigene Schulen und Pflegedienste ebenso bietet wie Sport, Kultur und Urlaubsangebote.

Laut der Studie gibt es weiters keine Zukunft für das Stellenprofil. HR-Management wird demnach zum professionellen Datensammler und -analysten. Dies ist die Basis für ein professionelles Zu- und Abwanderungsmanagement. Zunächst werden bislang wenig genutzte Nischen fokussiert, wie Studien- und Karriereabbrecher, Behinderte und Rentner. Weniger geeignete Kandidaten werden mit Schnell-Qualifizierungen in hoch qualifizierte Jobprofile gebracht.

Schließlich behauptet die Trendstudie, Personalentwicklung wird vor allem zur Aufgabe der Führungskräfte. Diese müssen als Coaches die persönliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter zum Ziel haben, selbst wenn sie den Mitarbeiter »aus dem Unternehmen heraus entwickeln«.

Um dabei den Kontakt zu Mitarbeitern zu halten, wird ein temporäres Verleihen oder Vermieten von Mitarbeitern zu anderen Arbeitgebern eingesetzt werden. Zentrales Gestaltungsmittel der Führungskraft ist ein persönliches Netzwerk außerhalb des Unternehmens, sein Think Tank.

Mehr dazu im neuen Buch von Sven Gábor -Jánszky »Das Recruiting-Dilemma«.

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